Köln – Das Niedrigwasser im Rhein stellt die Binnenschiffer vor große Probleme. Jürgen Collee (64) ist seit 42 Jahren Kapitän und kennt Flüsse und Kanäle in Deutschland und Europa wie seine Westentasche. Derzeit ist er vor allem als Lotse unterwegs.
„Es gibt Niedrigwasser und es gibt Hochwasser, das ist auf dem Fluss immer so“, sagt er lakonisch. Persönlich kenne er alle Untiefen so gut, dass er auch bei den jetzigen Wasserständen keine Probleme habe, zu manövrieren. Kollegen, die noch nicht so lange unterwegs sind, könnten aber Probleme bekommen und sich möglicherweise wegen der geringen Wassertiefe festfahren.
Niedrigwasser im Rhein: Situation wird sich verschärfen
Die Ausnahmesituation am Rhein wird sich in den kommenden Tagen wohl noch verschärfen. Derzeit liegt der Pegel in Köln nach Auskunft des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts (WSA) bei 85 Zentimetern, bis Sonntag soll der Wasserstand noch um zehn bis 15 Zentimeter fallen. Damit rückt das Rekordtief von 69 Zentimetern aus dem Jahr 2018 in Reichweite. Zwar wurden im Februar 1929 nach Angaben der Stadtentwässerungsbetriebe sogar nur 61 Zentimeter gemessen, allerdings war der Rhein damals zugefroren.
Damit sich die Lage ändere, müsse es vor allem im Oberlauf des Rheins und seinen Zuflüssen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr regnen, sagt WSA-Sprecherin Valeska Bergmann. Dies sei derzeit aber nicht in Sicht. Bergmann schloss aus, dass der Fluss im Falle weiterer Tiefststände gesperrt werde. Jeder Schiffer müsse selbst abwägen, ob und wie er den Fluss derzeit befahren könne.
Die Fähre über den Rhein zwischen Leverkusen-Hitdorf und Köln-Langel musste am Freitagmorgen wegen des extrem niedrigen Rheinpegels ihren Betrieb einstellen. Leider sei das Wasser schneller gefallen als vorhergesagt, verkündeten die Betreiber gegen 9.30 Uhr auf Twitter. Der Pegelstand sei an der Stelle bei nur noch 83 Zentimetern. Dagegen verkehrt die kleine Personenfähre Krokolino im Kölner Süden zwischen Zündorf und Weiß weiter – noch. Beim Rekord-Niedrigwasser im Jahr 2018 wurde der Betrieb bei einem Pegel von 80 Zentimetern eingestellt. Womöglich droht dies in den kommenden Tagen erneut.
Am Hafen Köln-Godorf kämen Güterschiffe mit Steinsalzfracht wegen des geringen Wasserstandes teils nur noch mit knapp einem Drittel der sonst üblichen Ladung an, berichtete der Sprecher der Häfen- und Güterverkehr Köln (HGK), Christian Lorenz. Wenn Unternehmen ihre Ladung auf mehr Schiffe verteilen müssen, verteuere das natürlich den Transport, falls überhaupt ausreichend Schiffe oder Alternativen wie Züge oder Lastwagen vorhanden sind. Für die Schiffer wie Jürgen Collee sei das allerdings gar nicht so schlecht. „Wir haben im Moment Vollbeschäftigung“, sagt er.
Insbesondere jene Firmen, die auf Massengüter wie Steinkohle, Chemikalien, Treibstoffe oder Weizen für ihre Produktion angewiesen sind oder selbst produzieren, seien vom niedrigen Rheinpegel betroffen, teilt die IHK Köln mit. „Dabei fällt derzeit nicht zuletzt der erschwerte Transport von Steinkohle im Moment ins Gewicht, weil dieser Energieträger wegen der Gassituation wieder stark an Bedeutung gewonnen hat.” Aber auch für den Transport von Fahrzeugen oder Containern spiele der Rhein als Wasserstraße eine Rolle. „Erschwerend kommt derzeit hinzu, dass die Schienenkapazitäten schon seit längerem ausgereizt sind, dieser Transportweg also keine attraktive Alternative ist im Moment.”
Probleme für Köln-Düsseldorfer
Das Niedrigwasser stellt auch die Köln-Düsseldorfer vor erhebliche Probleme. „Wir sprechen immer nur von Zentimetern, aber die summieren sich natürlich“, sagt Unternehmenssprecherin Nicole Becker. Am Samstag könne die einstündige Rundfahrt mit dem Ausflugsschiff „Jan von Werth“ noch stattfinden, am Sonntag müssen die Abfahrten um 10.30 Uhr und 12 Uhr ausfallen. Ab 13.30 Uhr ist dann das Schiff „Rheinfantasie“ wieder in Köln, das am Vorabend bei „Rhein in Flammen“ in Koblenz fährt. Dort musste auf den Schiffskonvoi zum Feuerwerk aufgrund des Niedrigwassers verzichtet werden, gleichwohl könnten die Boote noch auf dem Rhein fahren, heißt es bei „Koblenz-Touristik“ auf Anfrage.
„Die Rheinfantasie hat einen geringeren Tiefgang als Jan von Werth und kann daher die Rundfahrten auch noch am Montag übernehmen“, kündigt Becker an. Weiter als bis zum Wochenanfang könne man jedoch nicht planen. Fahrgäste sollten sich auf der Webseite (k-d.com) über die Einschränkungen im Ausflugsverkehr und auf KD-Linienfahrten informieren. Selbstverständlich sei das Niedrigwasser mit Umsatzeinbußen verbunden. Zahlen könnten aber noch nicht genannt werden, so Becker.
Auch Tiere leiden unter dem Niedrigwasser. „Höhere Temperaturen bedeuten Stress für Fische und andere Lebewesen im Fluss“, sagt ein Sprecher des Bundesamts für Gewässerkunde dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine Zunahme von zehn Grad Celsius im Wasser bedeute, dass sich die Stoffwechselproduktion der Tiere um das Dreifache erhöht. Um dies auszugleichen, müsste die Tiere viel mehr Nahrung als üblich aufnehmen, was nicht immer gelinge. Zudem führten höhere Temperaturen dazu, dass die Sauerstoffgehalt im Fluss abnehme. „Im schlimmsten Fall kann es zu einem Massensterben kommen.“ Aktuell sei dies aber nicht zu erwarten.
Langfristig sei aufgrund des Klimawandels allerdings zu erwarten, dass sich im Rhein neue Arten an Fischen, Muscheln, Krebsen und anderen Tiere heimische Arten noch stärker als in der Vergangenheit verdrängen. So sei etwa die Schwarzmundgrundel in den vergangenen Jahren auch im Rhein heimisch geworden. Ursprünglich stammen die Fischart aus dem Schwarzen Meer und wurde als blinde Passagier in Schiffen nach Deutschland eingeschleppt.