Der nächste hochrangige Militär wird festgenommen – der General hatte Putins Armee scharf kritisiert. Die beginnt derweil ihre Atomübung.
„Schrecklicher Schlag für die Armee“Kritischer Ex-Armeechef verhaftet – Putins „Säuberung“ geht weiter
Russland hat mit der Anfang Mai angekündigten Übung seiner nicht strategischen Atomstreitkräfte begonnen. Im südlichen Wehrbezirk habe die erste Etappe des Manövers begonnen, das die Bereitschaft der Nuklearstreitkräfte erhöhen soll, teilte das Verteidigungsministerium am Dienstag in Moskau mit. Beteiligt daran seien auch die Raketenkomplexe Iskander und Kinschal. Diese taktischen Waffen können mit Atomsprengköpfen bestückt werden.
Es handelt sich um Kernwaffen, die etwa punktuell gegen gegnerische Truppen und andere militärische Ziele eingesetzt werden können. Sie haben in der Regel eine deutlich geringere Sprengkraft als die insbesondere zur Abschreckung entwickelten strategischen atomaren Interkontinentalraketen. Angesichts westlicher Waffenlieferungen an die Ukraine, die sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg wehrt, gilt das Manöver als zusätzliche Drohgebärde von Kremlchef Wladimir Putin.
Wladimir Putin: „Säuberung“ in der russischen Armee geht weiter
Der russische Präsident setzte unterdessen seine Personalrochaden nach Beginn seiner neuen Amtszeit auch am Dienstag fort. Nach den Festnahmen von Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanov und Generalleutnant Juri Kusnetzow, ist laut Moskauer Medienbericht nun der wegen seiner Kritik an der Moskauer Kriegsführung in der Ukraine gefeuerte russische General Iwan Popow wegen Betrugsvorwürfen verhaftet worden. Gegen den 49-jährigen Generalmajor werde wegen Betrug in besonders großem Ausmaß ermittelt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass am Dienstag unter Berufung auf Quellen im Sicherheitsapparat.
Der Haftantrag sei vor einem Militärgericht in Moskau verhandelt worden. Nach Angaben des prorussischen Militärblogs Dwa Majora wird Popow vorgeworfen, Hilfsgüter für seine Armee im Wert von 100 Millionen Rubel (eine Million Euro) zweckentfremdet und verkauft zu haben.
Putins Ex-Armeechef soll Hilfsgüter für Armee verkauft haben
Popow diente bis zum Sommer 2023 als Kommandeur der russischen 58. Armee und damit auch in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die 58. Armee war maßgeblich an der Besetzung der Hafenstadt Mariupol beteiligt – und stand im vergangenen Sommer im Gebiet Saporischschja, als die Ukraine dort ihre Gegenoffensive startete. Popow kritisierte nach hohen Verlusten die Kriegsführung Moskaus und forderte unter anderem eine Rotation der Kampfeinheiten, um Verluste auszugleichen.
In einer damals kursierenden Audiobotschaft des ehemaligen Armeechefs war vom „Massentod“ russischer Truppen die Rede gewesen. Popow bemängelte zudem öffentlich das Fehlen von Aufklärungsstationen und Artillerie-Batterien. Die Rechtmäßigkeit der russischen Invasion selbst stellte er nicht infrage. Dennoch wurde die Wortmeldung des Generals in Russland als Affront betrachtet.
Entlassung sorgte für scharfe Kritik am Kreml: „Terroranschlag gegen die Moral der Armee“
Ein solcher Appell in der Öffentlichkeit sei ein „Skandal“ und „fast eine Rebellion“ hatte der rechtsradikale Kriegsblogger und Terrorist Igor Girkin damals geschrieben. In anderen russischen Telegram-Kanälen war angesichts der Entlassung Popows von einem „schrecklichen Schlag für die gesamte Armee“ die Rede gewesen. Der russische „Militärkorrespondent“ Roman Saponkow schrieb, die Entlassung von Popow sei ein „monströser Terroranschlag gegen die Moral der Armee“. Erneut sei ein Militär, der die Probleme der Armee offen benannt habe, von „Leuten mit gesichtslosen Fischaugen“ entfernt worden, zitierte das Exilmedium „Mediazona“ den Militärblogger.
An der Entlassung Popows änderte die scharfe Kritik damals jedoch nichts mehr. Generalstabschef Wladimir Gerassimow soll den bei seinen Untergebenen geschätzten Kommandeur als „Panikmacher“ bezeichnet haben. Nun folgte Monate später die Festnahme des ehemaligen Armeechefs. Die jüngsten Personalmaßnahmen von Kremlchef Putin, die in der internationalen Presse bereits als „Putins Purge“ („Putins Säuberung“) bezeichnet werden, setzen sich auch nach der Ernennung des neuen Verteidigungsministers Andrej Beloussow also fort.
USA kritisieren russische Atomübung: „Leichtsinnig und unverantwortlich“
An der bereits am 6. Mai angekündigten Atomübung hatte es unterdessen zuvor bereits scharfe Kritik gegeben. „Es ist einfach leichtsinnig und unverantwortlich, wenn der Anführer einer großen Atommacht so mit dem Säbel rasselt, wie er es in Bezug auf den möglichen Einsatz von Atomwaffen tut“, hatte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, damals erklärt. Trotz dieser „rücksichtslosen Rhetorik“ habe die US-Regierung aber nichts beobachtet, was sie dazu veranlassen würde, ihre strategische Abschreckungshaltung zu ändern.
Seit Kriegsbeginn hat Moskau wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, russische Propaganda-Medien haben dabei immer wieder europäische Hauptstädte als mögliche Angriffsziele genannt. Taten folgten auf die Drohungen bisher nie. Da die Drohungen oftmals auf neue Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine erfolgt sind, werden sie von vielen Politik-Experten als reine Abschreckungsstrategie betrachtet. (mit dpa)