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KommentarGinsburgs Tod hat weitreichendere Folgen als Trumps mögliche Wiederwahl

Lesezeit 3 Minuten
Ruth Bader Ginsburg

Ruth Bader Ginsburg machte nie einen Hehl daraus, wie wenig sie von Donald Trump hielt.

  1. Ruth Bader Ginsburgs sehnlichster Wunsch war es, zu leben, bis Trump abgewählt wurde. Es war ihr nicht vergönnt.
  2. Nun gibt ausgerechnet ihr Tod dem angeschlagenen US-Präsidenten Aufwind.
  3. Doch Ginsburgs Tod wird die USA viel nachhaltiger verändern, als Trump es je könnte. Ein Kommentar

Samstag soll es soweit sein. Ruth Bader Ginsburg ist noch nicht einmal beigesetzt, schon will Trump seine Kandidatin für ihre Nachfolge am Obersten Gerichtshof vorstellen. Man kann das geschmacklos finden – oder selbstverständlich. Schließlich geht es Trump um sein politisches Erbe – und darum, die Republikaner daran zu erinnern, wie wichtig er als US-Präsident für sie ist. Was im Wirbel um Trumps Reaktion und die Implikationen für die US-Wahl untergeht: Ginsburgs Tod wird die USA weit über Trumps womöglich zweite Amtszeit hinaus verändern.

Die neun Richter des Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof in den USA, werden auf Lebenszeit ernannt. Wird ein Platz frei, nominiert der amtierende Präsident eine mögliche Nachfolge. Der Senat segnet diese dann ab – oder lehnt sie ab.

Die Kombination aus Ernennung auf Lebenszeit, einem kleinen Kreis an Richtern und dem Einfluss von Präsident und Senat führt dazu, dass die Ernennung der Obersten Richter ein extrem politischer Vorgang mit enormer Tragweite ist – auch dann, wenn keine Wahl vor der Tür steht. Die Kandidatin, die Trump vorschlagen wird, wird vom derzeit republikanisch kontrollierten Senat abgesegnet werden, und somit voraussichtlich für Jahrzehnte die Ausrichtung der USA mitbestimmen. Für Trump wäre es bereits die dritte indirekte Besetzung eines der raren Richterplätze.

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Bis zum Tod von Ginsburg bestand die Richterrunde aus fünf konservativen Mitgliedern (nominiert von W. Bush oder Trump) und vier liberalen Richtern (nominiert von Clinton oder Obama). Somit reichte in knappen Fällen ein einziges abweichendes Urteil, um die Mehrheit zu kippen. Unter einem Supreme Court mit lediglich drei liberalen Richtern könnten die USA in den kommenden Jahren einen deutlich konservativeren Kurs einschlagen.

Was das bedeuten kann lässt sich erahnen, wenn man sich vergangene Urteile des Gerichtshofs ansieht: So hatten die Richter allein im Jahr 2020 bereits das letzte Wort in Streitfällen über Abtreibung, Rechte von Homosexuellen und den Schutz mit Migranten.

Kein Wunder also, dass plötzlich selbst diejenigen Republikaner, die sich längst von Trump losgesagt hatten, ihm nun wieder zur Seite springen. Schließlich liegt es jetzt an ihm, sie in eine Position zu bringen, ihre wichtigsten Anliegen umzusetzen. Eines davon ist das Kippen von „Roe versus Wade“, eine Grundsatzentscheidung aus den 70er Jahren, die Frauen bis heute Abtreibungen ermöglicht. Durchaus denkbar: Vereinigte Staaten unter einem liberalen Joe Biden, in denen Frauen das Recht auf Abtreibung verwehrt ist und Minderheiten sowie junge undokumentierte Migranten keinen Schutz genießen.

Ablenkung von der Coron-Krise und Trumps Versagen

Trump selbst dürfte auf mehr setzen: Er hofft, mit dem absehbaren Drama um die Anhörung seiner Kandidatin von seinem Versagen in der Corona-Krise abzulenken. Und er hofft darauf, abtrünnige Republikaner rechtzeitig vor der Wahl auf Kurs zu bringen. Warum um ein paar Skandale und ein paar Hunderttausend Corona-Tote scheren, wenn es um das große Ganze geht?

Ob Trumps Rechnung aufgeht oder nicht: Der Tod von Ginsburg, die sich zu Lebzeiten für die Rechte von Minderheiten einsetzte, wird die USA nachhaltiger verändern, als Trump es in seiner Rolle als Präsident auf Zeit je könnte. Niemand verstand das besser als Ginsburg selbst. Ihre größte Hoffnung war es deshalb zu leben, bis Trump abgewählt wird. Sie starb am 18. September 2020 im Alter von 87 Jahren an Krebs.