Eigentlich wollte das Anwaltsteam des rechtsextremen Magazins im brandenburgischen Falkensee eine Pressekonferenz abhalten – in einem städtischen Raum, den die AfD angemietet hatte. Doch dann kam alles etwas anders.
Skurrile PressekonferenzAnwälte des verbotenen „Compact-Magazins“ wollten über Pressefreiheit aufklären
Die rote Kordel, die den Musiksaal der brandenburgischen Stadt Falkensee an diesem Mittwochabend in zwei Hälften teilt, erinnere ihn an einen Lettner, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming. Ein Lettner trennte einst in katholischen Kirchen den Raum für die Kleriker vom Gebetsraum der Laien.
In Falkensee wurde die rote Kordel auf Geheiß der Stadt aufgespannt und trennt einen Journalisten-Bereich vom allgemeinen Publikum, das aus Unterstützerinnen und Unterstützern der AfD und des kürzlich verbotenen rechtsextremen „Compact-Magazins“ besteht. Es ist ein durchaus skurriles Schauspiel, das sich an diesem Abend vor den Toren Berlins darbietet.
Ursprünglich hatte das Anwaltsteam des „Compact-Magazins“ hier zu einer Pressekonferenz geladen. „Compact“-Chef Jürgen Elsässer und sein Anwalt Gerhard Vierfuß – ein AfD-Kandidat bei der brandenburgischen Landtagswahl – sollten dort über den Stand der gerichtlichen Anfechtung des Vereinsverbots sprechen.
Stadt Falkensee wusste nichts von den Inhalten
Elsässer und zwei „aktuell namentlich genannte weitere Personen“ sollten außerdem über die „publizistische Zukunft der Compact-Redaktion“ informieren. So stand es in der Einladung, verschickt von der „Querdenker“-Vereinigung ZAAV, die mit juristischen Mitteln gegen die während der Pandemie verhängten Corona-Maßnahmen vorgehen will. Deren führender Kopf, der Rechtsanwalt Ralf Ludwig, ist Teil des „Compact“-Anwaltsteams und sollte die Pressekonferenz moderieren.
Von alledem wusste bloß die Stadt Falkensee nichts, die ihren Musiksaal für eine Pressekonferenz vermietet hatte. Denn als Mieter hatten sich weder Elsässer noch seine Anwälte an die Stadt gewandt, sondern der örtliche Stadtverband der AfD, der den Raum regelmäßig für seine Veranstaltungen nutzt. An ihn muss die Stadt Räume vermieten, wie an andere Parteien auch.
Veranstalter mussten Veranstaltung zum „Afd-Bürgerdialog“ umdeklarieren
Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) und anderer Medien teilte die Stadt deshalb schon am Dienstag mit, dass sie der AfD eine „beabsichtigte vertragswidrige Nutzung“ schriftlich verboten habe. Die AfD könne den Raum für eine Pressekonferenz nutzen, die „Compact“-Anwälte nicht.
Daraufhin lud die AfD Falkensee ihre „Mitglieder, Förderer und Unterstützer“ am Mittwoch „zu einer Pressekonferenz/Bürgerdialog“ ein. Auf dem Podium sprechen sollten nun die AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Götz Frömming, außerdem der Falkenseer Ortsvorsitzende und Landtagskandidat Heiko Prüwer.
Fragen stellen dürfen nur die Journalisten vor einer Kordel, nicht aber das Publikum dahinter
Doch auch das war nicht mit der Stadt Falkensee als Vermieterin des Raums abgestimmt. Die Vertreter der Stadt blieben hart: Der Saal sei für eine Pressekonferenz vermietet worden, nicht für einen Bürgerdialog. Hier kommt auch die rote Kordel ins Spiel: Fragen stellen dürfen nur die Journalisten vor der Kordel, nicht aber das Publikum dahinter, in dem auch „Compact“-Chef Jürgen Elsässer Platz nimmt.
Wobei nicht nur professionelle Journalistinnen und Journalisten im Pressebereich sitzen, sondern auch eine Reihe rechter Medienaktivisten. Der rechtsradikale Corona-Maßnahmengegner und mäßig erfolgreiche Schlagersänger Björn Winter alias Björn Banane streamt die Pressekonferenz nicht nur aus der ersten Reihe live ins Netz, er kümmert sich für die AfD auch mit um die Tontechnik.
Gegen Bundesregierung, gegen Justiz, gegen Medien
Auf dem Podium sprechen die AfD-Männer Kotré, Frömming und Prüwer über die Meinungsfreiheit, die es in Deutschland nur noch sehr eingeschränkt gebe, werfen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Autoritarismus vor, erklären die AfD zumindest zur moralischen Unterstützerin des verbotenen „Compact-Magazins“. Es geht gegen die Bundesregierung, gegen den als „Regierungsschutz“ geschmähten Verfassungsschutz und gegen Teile der Justiz. Und natürlich gegen die Medien. Die „Mainstream-Medien“ hätten die Folgen der Corona-Politik unter den Teppich gekehrt und auch zum Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline geschwiegen, behauptet Steffen Kotré wahrheitswidrig.
Der AfD-Ortsvorsitzende Heiko Prüwer sagt, mit dem „Compact“-Verbot solle Angst bei den „freien Medien“ gesät werden. Wer diese „freien Medien“ sind? „Ich gucke mal jetzt hier in die Runde. Unsere freien Medien, die auch positiv für uns sind oder über uns berichten“, konkretisiert er. Immer wieder applaudiert das Publikum bei Aussagen vom Podium und auch, wenn rechte Medienaktivisten genehme Fragen stellen. Als eine kritische Frage gestellt wird, gibt es vereinzelte Pöbeleien. Etwas neues lässt sich auf dieser Pressekonferenz, die eigentlich keine ist, nicht erfahren.
Spontankundgebung der „Compact“-Anwälte vor dem Musiksaalgebäude
Draußen vor dem Musiksaalgebäude findet dafür im Anschluss noch eine kleine Spontankundgebung statt. Dort sprechen dann doch auch noch die „Compact“-Anwälte zur Presse.
Aus rund zehn Anwälten besteht dieses Team laut eigener Aussage, gegen das Verbot der „Compact-Magazin GmbH“ und der dazugehörenden „Conspect Film GmbH“ haben sie bereits einen Eilantrag beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. Gerade laufe noch die Erwiderungsfrist des Bundesinnenministeriums, erklären die in Falkensee anwesenden Anwälte.
Elsässers Möglichkeiten zur Verteidigung gegen die Vorwürfe des Ministeriums seien stark eingeschränkt, erklärt Ralf Ludwig, weil dessen Arbeitsmaterialien und damit auch sein Archiv bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmt worden seien. „Das heißt, Herr Elsässer soll sich jetzt ohne Geld und ohne Informationen über das, was ihm vorgeworfen wird, verteidigen“, sagt Ludwig.
Der Berliner Rechtsanwalt und AfD-Politiker Tobias Gall erklärt, er greife insbesondere die Legalität der Hausdurchsuchungen bei „Compact“-Mitarbeitern gerichtlich an. Bei den Durchsuchungen von Privatwohnungen seien auch private Bargeldbeträge und in einem Fall sogar eine Münzsammlung beschlagnahmt worden, sagt er. Neben Ludwig und Gall ist auch Gerhard Vierfuß in Falkensee dabei, der Sprecher des Anwaltsteams. Vierfuß ist außerdem auch Landtagskandidat der AfD in Potsdam.
Als die Anwälte gerade noch im Gespräch mit Journalisten sind, steigen wenige Meter daneben Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp auf eine Bank. Die beiden sind die Herausgeber der Corona-Leugner-Postille „Demokratischer Widerstand“. Lenz, der in der Vergangenheit auch schon die Inhaftierung Angela Merkels und die Machtübernahme und Einsetzung einer kommissarischen Regierung aus Corona-Maßnahmengegnern gefordert hat, hält eine Pathos-schwangere Ansprache an die noch verbliebenen AfD- und „Compact“-Unterstützer. Gemeinsam mit Sodenkamp, verkündet er, habe er ein neues digitales Magazin mit dem Titel „Näncy“ aufgelegt. Darin enthalten seien alle für die August-Ausgabe von „Compact“ geplanten Texte.
Jürgen Elsässer steht sichtlich gut gelaunt daneben und bezeichnet das als „verlegerischen Mut“. Über die publizistische Zukunft der „Compact“-Redaktion, um die es bei der „Pressekonferenz“ ursprünglich einmal gehen sollte, will er dann aber doch nicht mehr sprechen.