In der Karl-Rahner-Akademie hat „Correctiv“-Journalist Marcus Bensmann über die Recherchen zum AfD-Geheimtreffen gesprochen.
AfD-GeheimtreffenJournalist Marcus Bensmann spricht in Köln über „Correctiv“-Recherchen
Die Zahl der Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus riss lange nicht ab, nachdem im Januar dieses Jahres bekannt geworden war, dass sich Mitglieder der AfD und andere Teilnehmer bei einem „Geheimtreffen“ in Potsdam damit beschäftigt hatten, wie sich Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland hinausdrängen lassen könnten.
Aufgedeckt hatte den Vorgang das gemeinwohlorientierte Medienhaus „Correctiv“. Dessen Recherchen zur AfD hat „Correctiv“-Reporter Marcus Bensmann in seinem jüngst erschienenen Buch „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst. Die ungeheuerlichen Pläne der AfD“ zusammengefasst. Am Dienstag sprach er darüber mit Christian Werthschulte von der „Stadtrevue“ in der Karl-Rahner-Akademie. Wegen des großen Zuspruchs war die Veranstaltung der Stadtbibliothek dorthin verlegt worden.
Auswirkungen der Recherche-Ergebnisse waren nicht absehbar
Bei jenem Treffen hatte Martin Sellner, früherer Kopf der „Identitären Bewegung“ in Österreich, ein „Strategiekonzept“ zur „Remigration“ vorgestellt. Dass die Veröffentlichung der Rechercheergebnisse eine derart große Wirkung haben würde, „konnten wir nicht absehen“, sagte Bensmann, auch wenn sie sich über die Brisanz des Inhalts klar gewesen seien.
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Der AfD, die im Sommer davor noch von einem Umfragehoch zum nächsten geeilt sei, habe es einen gewissen Dämpfer versetzt. Die publizierte Geschichte habe die Augen dafür geöffnet, was es für Konsequenzen haben könnte, dieser Partei seine Stimme zu geben. Die Menschen hätten begriffen, „dass das ein ganz gefährliches Konzept ist“. Eben das Konzept der „Remigration“, die nach rechtsradikalem Verständnis mehr meint als das Bestreben, Asylbewerber und Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft aus dem Land zu bekommen.
Laut Bensmann geht es ausdrücklich darum, in einem „Jahrzehnteprojekt“ mit „maßgeschneiderten Gesetzen“ einen „hohen Anpassungsdruck“ auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auszuüben, um sie loszuwerden. Maximilian Krah, der vorübergehend in den Hintergrund gerückte Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, drücke in seinem Manifest „Politik von rechts“ ganz offen sein Bedauern darüber aus, dass man über 25 Millionen Menschen nicht gegen ihren Willen ausweisen könne. Die AfD selber hält auf ihrer Website fest: „Remigration umfasst alle Maßnahmen und Anreize zu einer rechtsstaatlichen und gesetzeskonformen Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in ihre Heimat.“
Veröffentlichung zum Potsdamer Geheimtreffen wurde juristisch angegriffen
Gleichviel: Die AfD sieht Bensmann fixiert auf das völkische „Trugbild“ einer „ethnokulturellen Identität“ Deutschlands, die vom „Multikulturalismus“ zersetzt werde. Zum heutigen ideologischen Kernbestand der Partei, die sich seit ihrer Gründung 2013 im Zuge interner Machtkämpfe zunehmend radikalisiert habe, zählt er ebenso die Ablehnung der „Westbindung“ Deutschlands gepaart mit der „Hinwendung zu Russland“, für die auch das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ stehe, sowie die „180-Grad-Wende“ in der deutschen Erinnerungskultur, wie sie der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke 2017 gefordert hat.
„Inhaltlich steht diese Recherche“, sagte Bensmann dazu, dass die Veröffentlichung zum Potsdamer „Geheimtreffen“ auch auf Ablehnung gestoßen und juristisch angegriffen worden ist. So habe der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, einer der Teilnehmer des Potsdamer Treffens, gegen die Berichterstattung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, sei damit aber zu zwei Dritteln unterlegen. Nur im Fall einer nebensächlichen Aussage, mit der ihn „Correctiv“ nach Auffassung des Hamburger Landgerichts falsch wiedergegeben hat, habe er Recht bekommen. Bezeichnend sei, dass die AfD keine rechtlichen Schritte unternommen habe.
Auch persönliche Anfeindungen habe die Veröffentlichung mit sich gebracht, antwortete Bensmann auf eine der vielen Fragen aus dem Publikum. Besonders bedroht worden sei der an der Recherche beteiligte Kollege und Aktionskünstler Jean Peters. „Ich werde bisher nur geschmäht, damit kann ich leben“, sagte der Autor und erwähnte Beschimpfungen am Telefon. Davon lasse er sich aber nicht beirren: „Ich bin hier, ich rede, ich verstecke mich nicht.“ Dafür war ihm Beifall sicher.
Was lässt sich nach all den Demonstrationen weiter tun, sofern man mit dem AfD-Kurs nicht einverstanden ist? Bensmann empfahl, der Partei strittige Themen nicht zu überlassen, sondern „im demokratischen Diskurs“ offen darüber zu sprechen und es „auszuhalten, Gegenargumente zu hören“. Außerdem gelte es, sich klarzumachen: „Wir leben immer noch in eine der besten Gesellschaftsordnungen“, und die brauche auch Verteidiger. Gefährlich, weil Rechtsextremen in die Hände spielend, sei es, „immer in Untergangsszenarien zu schwelgen“.