Bonn – Die Erleichterung steht Michael Groschek ins Gesicht geschrieben. Selten hat man den Parteivorsitzenden der NRW-SPD so kämpferisch gesehen. Schon in seinem Grußwort zum Auftakt des Bundesparteitags ist ihm anzumerken, dass er heute alles geben wird.
„Bessermacher sollten wir sein, und nicht Besserwisser“, donnert Groschek den Delegierten am Sonntagmorgen entgegen. Bei einem Nein zu Koalitionsverhandlungen müsse die Partei erklären, warum sie die Möglichkeiten liegen lasse. Die NRW-SPD, die mit 144 Delegierten den größten Block, stellt, weiß, dass es heute auf sie ankommen wird. „Wir brauchen einen Erneuerungsprozess, der sich gewaschen hat, sonst kommen wir nicht über die Runden“, sagte er.
Es sei nicht notwendig, dass sich die SPD für diesen Prozess in die Opposition begibt. „Lasst uns miteinander keine faulen Ausreden suchen. Keine Regierung der Welt hat uns daran gehindert, uns zu erneuern. Uns hat daran gehindert, dass wir eine gewisse Bequemlichkeit an den Tag gelegt haben. Die SPD darf nie wieder zum Streichelzoo für Platzhirsche werden.“ Das sitzt. Groschek punktet und andere NRW-Parteigrößen folgen ihm.
„Alles, was wir erreicht haben, wird kleingeredet“
Seit Jahren kämpfe er für eine rot-rot-grüne Bundesregierung und die Bürgerversicherung, sagte Karl Lauterbach. „Für mich ist eine große Koalition ein politischer Alptraum.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete für Leverkusen und Köln-Mülheim zeigte sich dennoch erleichtert über das Parteitagsergebnis. Alles, was man in den Sondierungsgesprächen mit der CDU nicht erreicht habe, könne man in der Opposition erst recht nicht in Angriff nehmen.
„Mich nervt, dass alles, was wir erreicht haben, kleingeredet wird.“ Er habe zwölf Jahre für die Wiedereinführung der Parität in der Krankenversicherung gekämpft und damals gegen den Gesundheitsfonds gestimmt. Jetzt habe die SPD die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass 8000 zusätzliche Pflegefachkräfte eingestellt werden und die Krankenversicherungsbeiträge wieder zu je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden. Er sei erleichtert, dass die SPD diese Positionen jetzt durchsetzen könne. „Alles andere hätte ich nicht vermitteln können.“
Martin Börschel verweist auf Nachbesserungen
Martin Börschel, Landtagsabgeordneter und Fraktionschef im Kölner Stadtrat sieht es als Erfolg an, dass die SPD Nachbesserungen bei drei Punkten, bei den befristeten Arbeitsverhältnissen, beim Familiennachzug von Flüchtlingen und der Überwindung der Zwei-Klassen-Medizin verbindlich festgeschrieben habe. „Dazu gibt es eine klare Aussage von Martin Schulz.“ Er habe klargestellt, dass diese Positionen für eine Regierungsbeteiligung durchgesetzt werden müssen.
„Es war eine anstrengende aber faire Diskussion“, sagte der Bundesabgeordnete Rolf Mützenich. „Es steht uns gut zu Gesicht, das auch der Öffentlichkeit gezeigt zu haben. Jetzt müssen wir das Beste draus machen.“ Er gehe davon aus, dass die Koalitionsverhandlungen bis Karneval abgeschlossen seien, so der Außenpolitik-Experte, der den außen- und sicherheitspolitischen Teil des Papiers mit sondiert hatte. Die neue Bundesregierung müsse vor den Osterferien stehen. „Wir brauchen ja auch Zeit für die Befragung unserer Mitglieder.“
Kölns Parteichef Jochen Ott sprach von einer „lebhaften und spannenden Debatte“. Das Ergebnis habe gezeigt, „wie schwer die Partei mit sich ringt“. Martin Schulz habe für die Verhandlungen mit der Union hohe Hürden aufgestellt. „Wir haben aus NRW gesagt, dass die drei Punkte ziemlich wichtig sind.“ Jetzt gehe es darum, „den Ball wieder in die andere Richtung zu spiele.“ Die Union müsse sich erklären, wie sie dazu stehen, dass beispielsweise Berufsanfänger „immer wieder nur befristete Verträge kriegen“.