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Steuern, Rente, AtomkraftNeues Grundsatzprogramm – Das will die CDU durchsetzen

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Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, und Serap Güler, stellvertretende Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission der Partei, auf dem Weg zu einer Pressekonferenz.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, und Serap Güler, stellvertretende Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission der Partei.

Im neuen Grundsatzprogramm schildert die CDU ihre Vorstellungen für Deutschland. Es soll „Orientierung“ geben, doch einige Botschaften sind recht versteckt.

Eine Zahl möchte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann noch ausrechnen. Die Zahl, wie viele Tassen Kaffee bei der Ausarbeitung des neuen Grundsatzprogramms getrunken wurden, scherzt er am Montag im Adenauerhaus.

Was bereits feststeht: Nach 22 Monaten Arbeit hat sich eine eigens eingesetzte Kommission aus führenden CDU-Politikerinnen und -politikern auf einen etwa 70 Seiten langen Entwurf geeinigt. Linnemann zufolge soll das Papier „Aufbruch und Zuversicht“ vermitteln. Das christliche Menschenbild sei die Richtschnur. „Die CDU Deutschlands ist wieder regierungsfähig, sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen“, betont der CDU-Politiker.

Den Parteigremien wurde das Papier mit dem Titel „In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen“ am Montag vorgestellt. Damit hat das vierte Grundsatzprogramm, das etwa zehn Jahre Bestand haben soll, die nächste Hürde genommen. Auf dem Parteitag im Mai 2024 soll es endgültig beschlossen werden und maßgeblich in das Wahlprogramm für die nächste Bundestagswahl fließen.

Steuern und Finanzen

Die CDU will die „arbeitende Mitte“ entlasten, wie es in dem Papier heißt. Geplant ist eine spürbare Abflachung des Einkommensteuertarifs. Derzeit greift der Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem Jahreseinkommen von 62.810 Euro. Diese Grenze will die Partei „deutlich erhöhen“. Im unteren Einkommensbereich sind dem Papier zufolge Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen vorgesehen. Wie das finanziert werden soll, bleibt unklar.

Die CDU schreibt, dass „starke Schultern“ weiterhin mehr tragen müssten. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Christdemokraten durch eine Mehrbelastung von Einkommen am oberen Ende der Skala finanziellen Spielraum schaffen wollen.

Mit Blick auf den Haushalt der Bundesrepublik bekennt sich die CDU zur Schuldenbremse. Sie sichere die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Schattenhaushalte lehne die Partei grundsätzlich ab, heißt es. Dabei hatten die CDU-geführten Bundesregierungen auch auf dieses Mittel zurückgegriffen, ebenso unionsgeführte Länder.

Sozialstaat und Arbeitsmarkt

Den Satz „Leistung muss sich lohnen“ wiederholt die CDU in dem Entwurf. So sollen wie bereits von Generalsekretär Linnemann gefordert, Überstunden bei Vollzeitbeschäftigung steuerfrei gestellt werden. Arbeit nennt die Partei „eine solidarische Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft“. Wer arbeitsfähig sei und sich angebotener Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung verweigere, müsse finanziell spürbar schlechter stehen als jemand, der sich aktiv um Arbeit bemühe.

Die Forderung ist ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die CDU eine Reform des Bürgergeldes anstrebt und dabei auch über eine Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme sowie entsprechender Sanktionierung nachdenkt.

Mit Blick auf die Rente will die CDU das Eintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln. „Wenn wir unsere Rente stabil und finanzierbar halten wollen, spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird“, heißt es. Zudem drängt die Partei auf eine „verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge“, bei der Menschen mit geringen Einkommen durch staatliche Zuschüsse unterstützt werden sollen.

Migration und Religion

In der Debatte um die Migration bemüht die CDU erneut den Zweiklang von „Humanität und Ordnung“. Die Partei fordert einen Stopp „unkontrollierter Migration“ und eine Begrenzung der „humanitären Migration“. Konkret plädieren die Christdemokraten für eine Drittstaatenlösung und „humanitäre Kontingente“. „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen“, heißt es. „Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren.“

Deutschland soll Flüchtlinge dann im Rahmen einer sogenannten Koalition der Willingen innerhalb der EU aufnehmen. Demnach soll jährlich eine gewisse Zahl an schutzbedürftigen Menschen aus dem Ausland aufgenommen werden. Gleichwohl hält die Partei am Individualrecht auf Asyl fest.

In dem Programmentwurf bekennt sich die CDU zur Religionsfreiheit und betont: „Deutschland ist ein christlich geprägtes Land.“ Die Partei wendet sich gegen den politischen Islam, sagt aber gleichwohl: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Der vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff geprägte und später von Angela Merkel widerholte Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ findet sich nicht in dem Entwurf.

Klima- und Energiepolitik

Die Christdemokraten halten an den Pariser Klimazielen fest. Sie ergänzen aber, dass Klimaschutz nur im globalen Kontext gelingen könne. Der Emissionshandel sei als marktwirtschaftliches Instrument der Weg der CDU, um das Klima effizient zu schützen. Die Einnahmen aus den CO2-Aufschlägen sollen zur Entlastung von Haushalten mit kleineren und mittleren Einkommen genutzt werden. „Die Energiepreise dürfen keine soziale Frage werden“, betont die CDU. Die Vorstellungen erinnern an ein „Klimageld“, dessen Einführung einst die Ampel versprochen aber bis heute nicht umgesetzt hat.

Die Christdemokraten drängen ferner auf eine Rückkehr zur Atomkraft und brechen damit auch mit der Energiepolitik von Angela Merkel. „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten“, heißt es in dem Entwurf. Die Partei setze auf Technologieoffenheit und benennt unter anderem Kernkraftwerke der „vierten und fünften Generation“.