Vor vier Jahren schockierte Donald Trump mit dem von ihm unterstützten Kapitolsturm die USA. Trotzdem steht er nun vor der Rückkehr ins Weiße Haus. Ein Kommentar.
„Nächsten vier Jahre werden brutal anders werden“Ein Rückblick auf den Sturm des Kapitols in den USA
Der Washingtoner Kapitolshügel glich am Montagmorgen einem friedvollen Postkartenidyll. Über Nacht war der erste Schnee des Winters gefallen und hatte das eindrucksvolle Kongressgebäude, seinen Vorplatz und die anschließende Mall mit einer weißen Decke umhüllt. Nur ein massives Polizeiaufgebot und hohe Absperrgitter erinnerten an diesem 6. Januar an die schicksalhaften Ereignisse vor vier Jahren.
Was für ein Kontrast: Damals herrschte Krieg rund um das Parlament. Aufgehetzt vom Ex-Präsidenten Donald Trump, der seine Niederlage nicht eingestehen wollte, stürmten hunderte Randalierer mit Baseballschlägern, Bärenspray und anderen Waffen das Gebäude, um die offizielle Bestätigung des Wahlergebnisses zu verhindern.
Sturm auf das Kapitol 2021: Fünf Menschen verloren ihr Leben
Sie verletzten 140 Polizisten, bedrohten Parlamentarier und verwüsteten die Räumlichkeiten. Fünf Menschen verloren bei dem gescheiterten Putschversuch ihr Leben.
Die amerikanische Nation war geschockt, die politische Reaktion vermeintlich eindeutig: Führende Republikaner brachen reihenweise öffentlich mit Trump, die Demokraten strebten eine Suspendierung des Präsidenten noch für die verbleibenden 14 Amtstage an, der Kurznachrichtendienst Twitter schloss seinen Account.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss arbeitete die Vorgänge minutiös auf. Dutzende engste Mitarbeiter von Trump belasteten den Ex-Präsidenten schwer und warnten, der Mann dürfe nie wieder in die Nähe des Weißen Hauses kommen.
Doch genauso wird es in zwei Wochen kommen, wenn der 78-Jährige zum zweiten Mal den Amtseid ablegt. Eine Mehrheit der Amerikaner will es so. Kein Aufruf zum Widerstand vom scheidenden Amtsinhaber, kein randalierender Pöbel stört die geordnete Amtsübergabe.
Die größte Gefahr für eine Verzögerung der Bestätigung des Wahlergebnisses drohte am Montag durch einen möglichen Schneesturm, der die Abgeordneten am Erscheinen hindern könnte. Der scheidene Präsident Joe Biden hält sich auch bei der Amtsübergabe an demokratische Regeln - eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Bis heute.
Die nächsten vier Jahr werden brutal anders werden. Das lässt sich schon an der dystopischen Verwandlung des 6. Januar ablesen, der in Trumps Welt von einem Tag der Schande zum Tag der Befreiung mutiert ist: Gleich nach Amtsantritt wird der neue Präsident die rechten Randalierer des Kapitolsturms, die künftig „politische Gefangene“ und „Helden“ heißen, begnadigen.
Im Gegenzug will er die aufrechten Mitglieder des Untersuchungsausschusses mit seiner politischen Justiz hinter Gittern bringen. Kein Republikaner widersetzt sich. Und auch sonst mag niemand die Orwell'sche Verdrehung der Realität stoppen: Trumps Twitter-Konto ist längst wiederhergestellt. Aber er braucht es gar nicht: Die Verbreitung seiner Propaganda übernimmt inzwischen der X-Chef persönlich.