Die Studie belegt einen Rechtsruck und mehr psychische Probleme bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ihnen fehlt eine motivierende Zukunftsperspektive.
Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“Die junge Generation ist so pessimistisch wie noch nie
Der Befund der neuen Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“ ist wenig ermutigend: Junge Menschen sind pessimistisch wie nie. „Die Lebensqualität wird nur noch halb so positiv erlebt wie vor zwei Jahren“, fasst Jugendforscher Simon Schnetzer die Ergebnisse zusammen. Im Vergleich zu den Studien der vergangenen Jahre scheint die Stimmung unter den jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren zu kippen. Besonders die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen, der wirtschaftlichen Entwicklung und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt hat im Vergleich zu den Erhebungen von 2022 und 2023 stark abgenommen.
Zunahme von Flüchtlingsströmen besorgen junge Menschen nun deutlich stärker
Diese Generation sieht kein Ende des Krisenmodus. Die Corona-Pandemie ist weitgehend in Vergessenheit geraten. An ihre Stelle sind andere massive Sorgen wie Inflation (65 Prozent), Krieg in Europa und Nahost (60 Prozent), teurer/knapper Wohnraum (54 Prozent), Spaltung der Gesellschaft und Klimawandel (je 49 Prozent) getreten.
Besonders stark zugenommen hat die Sorge vor einer Zunahme von Flüchtlingsströmen. Hier kam es in den vergangenen beiden Jahren zu einer knappen Verdopplung des Wertes von 22 auf 41 Prozent. Insgesamt zeigt die Studie im Vergleich zu den letzten Jahren eine deutliche Verstärkung der Sorgen bei Themen, die mit der Finanzierung des täglichen Lebens und der zukünftigen Existenz zu tun haben.
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Soziologe Klaus Hurrelmann: „Rechtsruck in der jungen Bevölkerung“
Die Unzufriedenheit steht für die Studien-Macher in direktem Zusammenhang zu dem Potenzial für rechtspopulistische Einstellungen. „Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen“, konstatierte der Soziologe Klaus Hurrelmann. Während die Ampelparteien in der Gunst immer weiter absinken, verzeichnet besonders die AfD mehr Zulauf: Sie steht in der Studie mit 22 Prozent an der Spitze der Wählergunst bei den unter 30-Jährigen.
Es sei ihr gelungen, sich als Protestpartei für die Ampel und Problemlöser für die aktuellen Sorgen anzubieten, so die Autoren. Etwas abgeschwächt gelte das auch für die CDU mit 20 Prozent. In der Vorjahresstudie waren noch Grüne und FDP besonders beliebt bei der jungen Generation. Doch sie sackten in der Gunst stark auf 18 beziehungsweise 8 Prozent ab. „Der Eindruck der jungen Leute ist, der Staat kümmert sich nicht um uns“, so Hurrelmann. Und dieser Frust wird auf die Regierungsparteien abgelagert.
Mentale Gesundheit
Trotz des Abflauens der Corona-Pandemie steigt die psychische Belastung bei Jugendlichen weiter an. Insgesamt 51 Prozent gaben an, dass sie unter Stress, Einsamkeit oder Ängsten leiden, 36 Prozent unter Erschöpfung. Acht Prozent gaben Suizidgedanken an. Elf Prozent sind nach eigenen Angabe wegen psychischer Störungen in Behandlung „Unsere Studie dokumentiert eine tiefsitzende mentale Verunsicherung mit Verlust des Vertrauens in die Beeinflussbarkeit der persönlichen und gesellschaftlichen Bedingungen“, bilanziert Simon Schnetzer.
Psychische Belastung durch Medienkonsum und Smartphones
Die Studienergebnisse belegen auch, dass digitaler Überkonsum die Psyche maßgeblich beeinflusst. Jugendliche mit einer hohen täglichen Bildschirmzeit am Smartphone haben nach eigenen Angaben deutlich stärker mit psychischen Belastungen zu kämpfen. Die Ergebnisse deuteten auf eine klare Beziehung von Bildschirmzeit und psychischer Belastung, so Soziologe Schnetzer. Dies gebe Anlass zur Sorge und müsse wissenschaftlich untersucht werden. Dabei sind die Jugendlichen selbstkritisch bezüglich ihres Medienkonsums: 53 Prozent gaben an, dass sie das Smartphone mehr nutzen, als ihnen lieb ist. 34 Prozent bezeichneten ihr Nutzungsverhalten als Sucht. Knapp ein Drittel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass das Vergleichen über Social Media ihr Selbstbild verschlechtert hat.
Forderungen an Schule und Bildung
Um die Situation zu verbessern, muss nach Ansicht der jungen Generation auch Schule ihren Beitrag leisten. „Wir brauchen dringend mehr Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter“, forderte die Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, Louisa Basner, bei der Vorstellung der Studie. Mentale Gesundheit und das Erleben von Selbstwirksamkeit bräuchten einen höheren Stellenwert. Außerdem müsse kontinuierlich Medienkompetenz vermittelt werden, um mit Fake News und Social Media mündig umgehen zu lernen.
Klimawandel verliert an Aufmerksamkeit
Das Thema Klimawandel ist bei der jungen Generation mehr in den Hintergrund getreten. Mit 45 Prozent sind nur knapp die Hälfte der Befragten der Meinung, dass in Deutschland nicht genug zum Schutz der Umwelt getan wird. Auch diejenigen, die bereit sind, für Nachhaltigkeit Verzicht zu üben, sind in der Unterzahl: Dauerhaft kein Fleisch zu essen ist für 49 Prozent keine Option. Die Zahl der Befragten, die sich vegetarisch ernähren, ging um vier Prozent auf zehn Prozent zurück. Vier Prozent leben vegan.
Statt den Fokus auf individuellen Verzicht zu legen, erwartet die Mehrheit der jungen Generation von Politik und Wirtschaft kollektive Ansätze und strukturelle Veränderungen. „Insgesamt sehen wir eine junge Generation, die sich einerseits der Dringlichkeit des Klimawandels bewusst ist, andererseits allerdings auch in ihren Handlungen sehr zögerlich agiert und auf strukturelle Unterstützung hofft“, so Schnetzer.
Arbeitswelt: Studie sieht Generation Z nicht als faul
Der Vorwurf, dass die so genannte Generation Z faul und respektlos ist, trifft laut der Studie nicht zu. 70 Prozent machen ihre Arbeit gerne, 68 Prozent wollen gleich viel oder mehr arbeiten. Die junge Generation ist laut der Studie bereit, ihren Beitrag zu leisten, allerdings nicht mehr zu den Konditionen der älteren Generation. „Angesichts der ungewisseren Zukunft wissen sie nicht, was in zehn Jahren passiert. Deshalb wollen sie Work-Life-Balance jetzt“, fasst Hurrelmann die Stimmung zusammen.
Neben einem angemessenen Gehalt stehen bezahlte Überstunden (54 Prozent) und Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten (42 Prozent) hoch im Kurs. Wer für 30 Stunden eingestellt sei, der leiste diese engagiert, sei aber nicht bereit unbezahlt Mehrarbeit zu leisten.
Bilanz: eine verunsicherte junge Generation
Die junge Generation ist durch die wirtschaftliche und politische Krise stark verunsichert und scheine diese schlechter wegzustecken als die ältere Generation, so die Studienmacher. In der Pandemie haben sie sich zu wenig gehört gefühlt und hatten nach ihrem Eindruck keinen Einfluss auf die krisenhaften Lebensbedingungen, die sie heute vorfinden.
Die Chance, Einfluss auf den politischen Kurs zu nehmen, wird als gering eingeschätzt. Die junge Generation will sich beteiligen, hat aber nicht den Eindruck, dass ihre Stimme zählt, so die Diagnose. Gleichzeitig sehen sie, dass viele Entscheidungen, die die Älteren getroffen haben, ihre Zukunft beeinträchtigt und teilweise blockiert. Die Studie macht deutlich, dass es jugendlichen und jungen Erwachsenen an einer motivierenden Zukunftsperspektive fehlt: „Die große Frage für alle Akteure in der Gesellschaft wird sein, wie sie junge Menschen für eine positive Vision im Land begeistern und sie an Veränderungsprozessen beteiligen können“, resümiert Schnetzer.
Für die repräsentative Studie „Jugend in Deutschland 2024“ wurden 2.042 Personen zwischen 14 und 29 Jahren im Zeitraum zwischen 8. Januar und 12. Februar 2024 befragt. Die Stichprobe wurde vom Institut für Demoskopie Allensbach so zusammengestellt, dass sie soziodemografisch repräsentativ ist. Sie wurde von dem Jugendforscher Simon Schnetzer geleitet und von den Soziologen Klaus Hurrelmann und Kilian Hampel begleitet. Es ist bereits die siebte Trendstudie der Serie „Jugend in Deutschland“, die jährlich durchgeführt wird.