Die Fans in NRW freuen sich auf das Turnier. Für die Polizei ist es ein Großeinsatz, auf den sie sich bereits jetzt akribisch vorbereitet.
Neues Lagezentrum in NeussHier übt die Polizei ihre Reaktion auf einen Terroranschlag bei der Fußball-EM
Die Schaltzentrale ist 400 Quadratmeter groß – und erinnert ein bisschen an das Bodenkontrollzentrum einer Nasa-Weltraummission. Vor einer riesigen Videowand gibt es 129 Arbeitsplätze, Experten in Uniform blicken konzentriert auf ihre Monitore. Sie arbeiten im „International Police Cooperation Center“ (IPCC), das jetzt extra für die Fußball-Europameisterschaft auf dem Gelände der Polizeischule in Neuss aufgebaut wurde. An diesem Morgen findet eine Übung statt. „In Dortmund ist ein Attentäter mit einem Fahrzeug in eine Menschenmenge gefahren“, berichtet Klaus Trautmann, Leitender Polizeidirektor aus Baden-Württemberg. „Es gibt 30 Tote und viele Verletzte.“
Fußball-EM: Angespannte internationale Lage nährt die Sorge der Behörden
Ein Terroranschlag auf die Fußball-EM – das ist ein Horror-Szenario, das hoffentlich nicht eintreten wird. Zum Auftrag der Polizei gehört es aber, sich auf alle denkbaren Situationen bestmöglich vorzubereiten. „Großveranstaltungen wie die Europameisterschaft können schnell in den Fokus von Extremisten und Terroristen rücken“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Die Gefahr sei „abstrakt“ hoch. „Aber wir nehmen das sehr ernst – damit aus ,abstrakt‘ nicht ,konkret‘ wird“, so der CDU-Politiker.
Knapp 50 Tage vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ist der Innenminister zur Polizeischule in Neuss gekommen, um sich einen Eindruck von der Arbeit des IPCC zu verschaffen. Dort sollen während des Turniers alle wichtigen polizeilichen Informationen zu den Spielen gesammelt, bewertet und gesteuert werden. „Das IPCC ist das Herzstück der Sicherheit zur Euro 2024“, sagt Reul. Dort werden derzeit unterschiedliche Szenarien simuliert und die Zusammenarbeit ausprobiert. „Übung macht nicht nur den Meister, sondern zeigt auch, wo noch Sand im Getriebe ist und wir nachschärfen müssen“, so Reul.
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Die angespannte internationale Lage nährt die Sorge der Sicherheitsbehörden, dass das Turnier in den Fokus von Extremisten geraten könnte. Die bedrückenden Bilder vom Anschlag auf die Olympischen Spiele 1972 in München sind vielen Menschen noch in unguter Erinnerung. Damals drangen Mitglieder einer palästinensischen Terrorgruppe in das Quartier der israelischen Mannschaft ein und töteten elf der 14 Olympiateilnehmer. Die Polizei war völlig unvorbereitet – und versagte beim Versuch, die Geiseln zu befreien, kläglich.
Ein Terroranschlag auf die EM ist nicht auszuschließen – viel wahrscheinlicher ist es allerdings, dass es zu gewalttätigen Fan-Krawallen kommt. Ein weiteres Übungs-Szenario spielt am Rande von Köln. „Dort haben sich Serben und Kroaten zu einer Schlägerei verabredet“, erläutert Übungs-Coach Trautmann. Die Busse mit den Krawallmachern waren allerdings schon auf dem Weg dorthin aufgefallen. „Wir versuchen, mit unseren Informationen vor die Lage zu kommen“, sagt der Leitende Polizeidirektor. „So können wir Ausschreitungen im Vorfeld verhindern.“
Bei der Fußball-EM werden 20 der 51 Spiele an den vier Standorten in NRW ausgetragen. Im Gegensatz zu den Fußball-Turnieren in Russland und in Katar sind die Stadien für Fans aus ganz Europa problemlos durch einen Tagestrip zu erreichen. Deshalb sind im IPCC auch Polizisten aus ganz Europa versammelt, die auf die Fußball-Szene spezialisiert sind. Die sogenannten Spotter sollen Problemfans identifizieren und so dabei mithelfen, dass diese aus dem Verkehr gezogen werden können.
Auch Cyber-Angriffe sind denkbar
Neben der Terrorgefahr und dem Umgang mit Fan-Gewalt gehören auch Cyber-Angriffe zu den Bedrohungsszenarien, die in Neuss derzeit auf der Übungsliste stehen. „In einem Fall gibt es einen Hacker-Angriff auf das Verkehrsleitsystem in München“, sagt Trainings-Spezialist Klaus Trautmann. Es sei nicht auszuschließen, dass Länder wie Russland den Ablauf des Turniers stören wollten. In der Neusser Schaltzentrale sitzen daher auch Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst mit im Saal.
Während der EM sollen im IPCC mehr als 600 Beamte arbeiten, darunter rund 200 internationale Kräfte. Die Verantwortung für die Einsätze bleibt bei den Polizeibehörden in den Spielorten. „Wir sorgen dafür, dass alle Informationen vorliegen, die die Einsatzkräfte vor Ort benötigen“, sagt Oliver Strudthoff, der das Lagezentrum leitet. „Damit wollen wir einen bestmöglichen Austausch schaffen, um in jeder Lage agieren zu können.“