Die Direktorin des Secret Service, Kimberly Cheatle, konnte viele Fragen im Aufsichtsausschuss nicht beantworten. Rücktrittsforderungen wies sie zurück.
„Wir haben versagt“Secret-Service-Chefin lässt bei Anhörung zu Trump-Attentat viele Fragen offen
Die Chefin des Secret Service, Kimberly Cheatle, hat ein Versagen ihrer Behörde bei der Verhinderung des Attentats auf Ex-US-Präsident Donald Trump eingestanden. „Wir haben versagt“, sagte Cheatle am Montag bei einer Anhörung vor einem für die Kontrolle der Bundesbehörden zuständigen Ausschuss im US-Kongress. Der für den Schutz amtierender und ehemaliger Präsidenten zuständige Secret Service steht seit dem Attentat auf Trump vom 13. Juli massiv unter Druck.
Dennoch ließ die Secret-Service-Chefin viele Fragen unbeantwortet. In der stundenlangen Anhörung im US-Kongress verwies sie häufig auf laufende Ermittlungen. Rücktrittsforderungen wies Cheatle zurück.
Wie konnte der Schütze ungehindert von einem Dach auf Trump schießen?
Während der Anhörung sollen sowohl Republikaner als auch Demokraten Frustration gegenüber den Aussagen von Cheatle gezeigt haben, berichtet die „New York Times“. Es gab eine Vielzahl an Fragen, die sie offenbar nicht beantworten konnte – oder wollte. So antwortete Kimberly Cheatle mehrmals, dass sie noch auf abschließende Berichte warte, um Antworten geben zu können.
Vor allem blieb weiterhin unklar, wie es passieren konnte, dass ein Dach mit direkter Sicht zur Bühne bei Trumps Wahlkampfevent unbesetzt blieb und der 20-jährige Attentäter von dort mehrere Schüsse abgeben konnte.
Er wurde danach von einem Scharfschützen des Secret Service getötet. Eine seiner Kugeln traf Trump am Ohr, ein Teilnehmer der Kundgebung wurde getötet und zwei weitere verletzt. Sie habe sich persönlich bei Trump entschuldigt, sagte Cheatle.
Schützen-Position lag außerhalb der Sperrzone des Secret Service
Das Gebäude, von dem die Schüsse fielen, war rund 183 Meter von Trumps Bühne entfernt, wie Cheatle sagte. Es lag außerhalb der vom Secret Service geschützten Sperrzone.
Stattdessen seien im Inneren des flachen Firmengebäudes Beamte der örtlichen Sicherheitsbehörden postiert worden, sagte Cheatle. Außerdem sollte es von oben beobachtet werden – auf welche Weise genau, ließ sie offen. „Es gab Pläne, das Haus von oben zu beobachten. Wir untersuchen die Zuständigkeiten noch“, sagte sie laut „New York Times“ vor dem Ausschuss. Auch auf einem Wasserturm in der Nähe seien keine Mitarbeiter des Secret Service gewesen, räumte sie ein.
Zuvor hatte Cheatle in einem Interview gesagt, das Schrägdach des Firmengebäudes sei als zu steil eingestuft worden, um Beamte darauf zu positionieren. Abgeordnete verwiesen darauf, dass das Dach hinter Trumps Bühne, auf dem Secret-Service-Scharfschützen saßen, noch steiler gewesen sei.
Secret Service: Attentäter nur wenige Sekunden vor den Schüssen als Bedrohung eingestuft
Die Secret-Service-Chefin räumte auch ein, dass es „zwei bis fünf“ Hinweise auf den späteren Schützen gegeben habe, der unter anderem mit einem Entfernungsmesser aufgefallen sei.
Sie betonte jedoch, dass der Dienst zwischen verdächtig wirkenden Personen und klaren Bedrohungen unterscheide. Ein Rucksack oder ein Entfernungsmesser machten jemanden nicht automatisch zur Gefahr. Der Attentäter sei erst wenige Sekunden vor den Schüssen als Bedrohung eingestuft worden, sagte sie. Im Bereich außerhalb der Sicherheitssperrzone war wie vielerorts in den USA das offene Tragen von Waffen erlaubt.
Der Secret Service ist in den USA für den Schutz ranghoher Politiker zuständig, darunter amtierende und frühere Präsidenten. Aktuell werden 36 Personen von der Behörde bewacht – sie ist auch bei Besuchen von Amtsträgern aktiv.
Republikener im Aufsichtsausschuss vermuten Verschwörung
Trump, der für die Republikaner im November wieder ins Weiße Haus einziehen will, war am 13. Juli bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Pennsylvania verletzt worden. Er sagte später, er habe kurz vor dem ersten Schuss den Kopf gedreht. Die Kugel streifte sein rechtes Ohr. Danach warfen sich Leibwächter des Secret Service auf ihn.
Einige Abgeordneten der Republikaner versuchten sich bei der Anhörung im Aufsichtsausschusses im Repräsentantenhaus am Montag in Verschwörungserzählungen. „Was vertuschen sie?“, fragte etwa Lisa McLain aus Michigan Cheatle. „Gab es eine Verschwörung, Präsident Trump zu töten?“, wollte die rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene von ihr wissen. „Absolut nicht“, antwortete die Secret-Service-Chefin.
Zugleich ließ Cheatle unter anderem Fragen dazu unbeantwortet, wie der Schütze aufs Dach kam – und wie viele Patronenhülsen dort gefunden wurden.
Ausschussmitglieder fordern Rücktritt von Kimberley Cheatle
In dem oft entlang der politischen Trennlinien gespaltenen Ausschuss waren sich viele Republikaner und Demokraten diesmal einig, dass Cheatle nach dem Attentat zurücktreten müsse. Sie konterte, dass sie aus ihrer Sicht aktuell die beste Person sei, um den Dienst zu führen. Es werde eine gründliche Untersuchung und Konsequenzen geben. Die Ermittlungen dürften allerdings um die zwei Monate dauern.
Abgeordnete beider Parteien zeigten sich ungemein frustriert von Cheatles Antworten. „Sie sollten sofort gefeuert werden und wieder Doritos bewachen“, rief ihr der republikanische Abgeordnete Pat Fallon. Die Erwähnung der Chips-Marke war eine Anspielung auf Cheatles zwischenzeitlichen Job als Sicherheitschefin beim Getränke- und Snackriesen PepsicCo.
Sie war nach 27 Jahren beim Secret Service in die Wirtschaft gewechselt, bevor sie im September 2022 zur Chefin der Behörde berufen wurde. Die Republikanerin Anna Paulina Luna warf Cheatle vor, bei der Anhörung unter Eid nicht die Wahrheit gesagt zu haben.
Kimberley Cheatle: „Schwerstes operatives Versagen seit Jahrzehnten“
Cheatle bezeichnete die Attacke als schwerstes operatives Versagen des Secret Service seit Jahrzehnten. Der Vorsitzende des Aufsichtsausschusses im Repräsentantenhaus, der Republikaner James Comer, sagte, dass der Angriff zu verhindern gewesen sei. Sein demokratischer Vize Jamie Raskin verwies unterdessen darauf, dass Schusswaffen-Angriffe in Amerika zu häufig passierten. Man habe nur geglaubt, dass wenigstens die vom Secret Service Beschützten vor Waffengewalt sicher seien, während das die Alltagsrealität für gewöhnliche Amerikaner sei.
Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Pennsylvania war auf Trump geschossen worden. Dabei hatte sich der mutmaßliche Täter mit seinem halbautomatischen Gewehr nur etwa 150 Meter entfernt vom Rednerpult positionieren können. Der inzwischen zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner ernannte Trump überlebte den Anschlag nur knapp, eine Kugel traf ihn am rechten Ohr. Der mutmaßliche Täter sowie ein Mann im Publikum wurden getötet. (at mit dpa/afp)