Mit harten Sanktionen hat der Westen versucht, die russische Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Bis heute nur mit mäßigem Erfolg.
Krieg gegen die UkraineBaerbock enttäuscht von Wirkung der Russland-Sanktionen
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich enttäuscht von der Wirkung der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine gezeigt. „Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen. Das ist aber nicht so. Weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen“, sagte die Grünen-Politikerin in einem Interview des Journalisten Stephan Lamby für dessen Buch „Ernstfall. Regieren in Zeiten des Krieges“, das an diesem Donnerstag erschienen ist. „Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist.“
Russische Wirtschaft wächst trotz Sanktionen weiter
Lamby hat das Interview nach eigenen Angaben am 10. Juli dieses Jahres geführt. Der Buchautor und Dokumentarfilmer hat die Protagonisten der Ampel-Regierung seit dem Tag vor ihrer Vereidigung im Bundestag am 8. Dezember 2021 mit einem Kamerateam begleitet. Der Film wird am 11. September in der ARD ausgestrahlt.
Die westlichen Verbündeten hatten Russland nach dem Angriff auf die Ukraine mit massiven wirtschaftlichen Strafmaßnahmen belegt. Trotzdem wächst die russische Wirtschaft, während die deutsche zu Jahresbeginn in eine Rezession gerutscht ist. Allerdings betonen westliche Ökonomen, dass Russland das Wachstum vor allem seiner Kriegswirtschaft und der massiv hochgefahrenen Produktion von Waffen und Munition zu verdanken habe. Nachhaltiges Wachstum sei das nicht.
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Baerbock kritisiert anfängliche Zurückhaltung der Bundesregierung
Trotz der enttäuschenden Wirkung verteidigte Baerbock die Strafmaßnahmen gegen Russland am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Berlin auf Nachfrage eines Journalisten. Mit einem Land, das einen brutalen Angriffskrieg führe, könne man keine Geschäfte machen, sagte sie. „Damit diese Sanktionen greifen, ist eben wichtig, dass sie unterstützt werden von all denjenigen Ländern, die wie wir für die internationalen Regeln einstehen.“ Es sei wichtig, dass die Sanktionen nicht umgangen werden von europäischen Firmen - etwa durch Exporte über Drittländer.
Baerbock äußert sich in dem Buch von Lamby auch kritisch über die anfängliche Zurückhaltung der Bundesregierung, was Reisen nach Kiew angeht. Auf die Frage, ob sie irgendetwas in ihrer Amtszeit bereue, antwortet sie: „Vielleicht hätten wir frühzeitig mit mehreren Leuten in die Ukraine fahren sollen, als Teil dieser Regierung.“
Habeck wirft Bundesnachrichtendienst Fehleinschätzungen vor
Baerbock war am 10. Mai 2022 - zweieinhalb Monate nach dem russischen Einmarsch - als erstes Regierungsmitglied ins Kriegsgebiet gereist. Zu diesem Zeitpunkt waren schon zahlreiche Staats- und Regierungschefs europäischer Verbündeter zu einem Solidaritätsbesuch dort, außerdem Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) folgte erst im Juni.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wirft dem Bundesnachrichtendienst in Lambys Buch Fehleinschätzungen zum russischen Angriff auf die Ukraine vor. Die Nachrichtendienste Großbritanniens und der USA hätten schon während des russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine sehr stark vor einem Krieg gewarnt. „Andere Dienste haben gesagt: das ist eine Übung, es wird nicht zum Schlimmsten kommen. Aber es ist ja zum Schlimmsten gekommen.“ Auf die Frage, ob er die deutschen Dienste meine, antwortete Habeck laut Lamby: „Ja.“ Der Bundesnachrichtendienst ist der deutsche Geheimdienst, der für die Beschaffung von Informationen im Ausland zuständig ist.
Das Interview mit Habeck wurde laut Lamby am 23. Juni dieses Jahres geführt. Bereits im April 2022 habe der Wirtschaftsminister ihm gesagt, dass sich der BND unmittelbar nach dem Einmarsch geirrt habe. „Die Dienste haben vorhergesagt, dass Putin nach 24, 48 Stunden die ganze Ukraine besetzt.“ Dazu kam es nicht. Daraufhin entschied sich die Bundesregierung zwei Tage nach dem Angriff, mit den Waffenlieferungen in die Ukraine zu beginnen. (dpa)