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Attentat auf Wladlen TatarskiPutin verleiht posthum Orden an Militärblogger – Kreml führt Tatverdächtige im TV vor

Lesezeit 4 Minuten
Die 26-jährige Daria Trepowa wurde als Tatverdächtige nach der Explosion in St. Petersburg festgenommen – und im russischen TV vorgeführt.

Die 26-jährige Daria Trepowa wurde als Tatverdächtige nach der Explosion in St. Petersburg festgenommen – und im russischen TV vorgeführt.

Nach dem Anschlag auf Wladlen Tatarski kann man sich im Kreml nicht entscheiden, wer schuld sein soll. Eine Tatverdächtige schweigt.

In Moskau kann man sich nicht so recht entscheiden: Nach dem tödlichen Sprengstoffanschlag auf den unter dem Pseudonym Wladlen Tatarski bekannten Militärblogger Maxim Fomin am Sonntag in St. Petersburg heißt es von Behörden einerseits, die Explosion sei ein „Terrorakt“ der Ukraine gewesen. Andererseits soll aber auch die liberale Opposition um den inhaftierten Kremlkritiker Alexej Nawalny hinter der Explosion stecken.

Präsident Wladimir Putin zeichnete den Militärblogger, einen treuen Unterstützer des Kremlchefs, unterdessen posthum mit dem russischen Tapferkeitsorden aus. „Für Mut und Kühnheit, die er bei der Erfüllung seiner beruflichen Pflichten demonstriert hat“, sei Tatarski der Orden verliehen worden, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Dekret des Präsidenten.

Unterstützer von Wladimir Putin: Wladlen Tatarski wollte „totale Vernichtung der Ukraine“

Der ultrarechte Blogger war am Sonntag bei der Explosion eines Sprengsatzes in einem Café im Stadtzentrum von St. Petersburg ums Leben gekommen, zudem wurden mehr als 30 Menschen verletzt. In dem Café wollte Fomin, der selbst die „totale Vernichtung der Ukraine“ gefordert hatte, über seine Erfahrungen als Kriegsreporter im Kampfgebiet im Osten der Ukraine sprechen.

„Wir sind zuversichtlich, dass die Hintermänner bestraft werden“, erklärte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa laut der staatlichen Agentur Tass am Montagabend. „Die Beteiligung des Kiewer Regimes an dieser blutigen Aktion wird eine weitere Bestätigung für die Anwendung terroristischer Methoden sein“, behauptete sie. Auch Putin-Sprecher Dmitri Peskow sieht die Verantwortlichen für das Bombenattentat in Kiew.

Russische Ermittler sichern Spuren im St. Petersburger „Street Bar“-Café. In dem Lokal, das Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gehören soll, war am Sonntag eine Bombe explodiert.

Russische Ermittler sichern Spuren im St. Petersburger „Street Bar“-Café. In dem Lokal, das Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gehören soll, war am Sonntag eine Bombe explodiert.

Das russische Nationalkomitee zur Bekämpfung von Terrorismus sieht derweil in Kremlkritiker Nawalny und dem von ihm gegründeten „Antikorruptionsfond“ die Hinterleute für den Anschlag auf Tatarski, der wiederum mit Kiew zusammengearbeitet haben soll. Gestützt werden soll diese Behauptung durch eine von russischen Medien behauptete Nähe einer festgenommenen Tatverdächtigen und ihres Ehemannes zur Bewegung Nawalnys.

Lager von Alexej Nawalny verdächtigt russischen Geheimdienst nach Bombenexplosion in St. Petersburg

Sowohl die ukrainische Führung als auch das ebenfalls beschuldigte Lager des inhaftierten Kremlkritikers wiesen die Vorwürfe zurück und sprachen von einer False-Flag-Aktion, bei der die Täter absichtlich falsche Spuren gelegt hätten. Verantwortlich für die Ermordung des Propagandisten seien vielmehr Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB, teilten die im Exil im Ausland lebenden Oppositionellen Iwan Schdanow und Leonid Wolkow, die zum Nawalny-Lager gerechnet werden, am Montag mit.

Die russischen Behörden haben die festgenommene Tatverdächtige unterdessen am Montag öffentlich vorgeführt. Die 26-jährige Daria Trepowa sei russischen Medienberichten zufolge von St. Petersburg nach Moskau gebraucht worden. Das Innenministerium veröffentlichte schließlich ein Video, in dem die Tatverdächtige zugibt, in dem Café gewesen zu sein.

Sie habe Tatarski die Büste übergeben, die dann später explodierte, erklärt die Frau in der Videoaufnahme. Zuvor waren Videos in russischen Medien aufgetaucht, die Trepowa zeigen sollen, wie sie das Café in St. Petersburg zunächst betritt und dann ein Geschenk an Tatarski überreicht. Auf die Frage, wer ihr diese Büste gegeben habe, meinte sie, dass sie das später sage. Am Dienstag will man in Moskau nun entscheiden, wie mit der Verdächtigen weiter verfahren werden soll.

Daria Trepowa: Kreml führt Tatverdächtige mit Video in der Öffentlichkeit vor

Laut den Analysten des US-Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) sei es dem Kreml nicht gelungen, eine „einheitliche Darstellung“ zum Tod des Militärbloggers herzustellen. Das habe „unzusammenhängende Reaktionen“ selbst bei prominenten russischen Kriegsbefürwortern provoziert.

„Während russische Beamte versuchen, ein offizielles Narrativ rund um die Ermittlungen des Anti-Terrorismus-Komitees zu entwickeln“, sei zu erwarten, dass durch die widersprüchlichen Botschaften selbst bei Kriegsbefürworten immer mehr Zweifel an den Ermittlungsergebnissen aufkommen werden, prognostizieren die Analysten.

Unterschiedliche Narrative sorgen für Misstrauen in Russland

Für die Informationspolitik des Kremls könne das zu einem „neuralgischen Punkt“ werden. Bereits am Montag meldeten sich prominente russische Militärberichterstatter mit Zweifeln an der offiziellen Darstellung zu Wort.

Bereits bei einem Autobombenattentat auf die Tochter des russischen rechtsradikalen Vordenkers Alexander Dugin im Jahr 2022 konnte man sich in Moskau nicht überzeugend auf ein Narrativ einigen. Auch damals sollten sowohl die Ukraine als auch die russische Opposition um Nawalny für den Anschlag verantwortlich gewesen sein. Dugina starb am zweiten Jahrestag des Giftanschlags auf den russischen Oppositionsführer.