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Militärblogger Wladlen TatarskiPutin-Unterstützer bei Explosion getötet – Prigoschin widerspricht Kreml

Lesezeit 5 Minuten
St. Petersburg: Russische Ermittler und Polizisten stehen am Tatort nach einer Explosion in einem Cafe. Ein russischer Militärblogger ist am Sonntag bei einer Explosion in einem Cafe im Zentrum der russischen Ostseemetropole Sankt Petersburg ums Leben gekommen.

Russische Ermittler und Polizisten stehen am Tatort nach einer Explosion in einem Cafe. Ein russischer Militärblogger ist am Sonntag bei einer Explosion in einem Cafe im Zentrum der russischen Ostseemetropole Sankt Petersburg ums Leben gekommen.

Der Kreml macht die Ukraine für die Explosion verantwortlich – Wagner-Chef Prigoschin sieht das anders.

Einer der bekanntesten russischen Militärblogger in der Ukraine ist am Sonntag nach Behördenangaben bei einer Explosion in einem Café in St. Petersburg getötet worden. Bei dem Opfer handele es sich um den Blogger Wladlen Tatarski, teilte das russische Innenministerium mit.

Der Befürworter des russischen Kriegs gegen die Ukraine sei für Kiew „gefährlich“ gewesen und „in Erfüllung seiner Pflicht“ gestorben, erklärte das russische Außenministerium. Der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, geht allerdings von anderen Verantwortlichen aus. Eine Frau wurde unterdessen am Montag festgenommen.

Unterstützer Wladimir Putins: Militärblogger Wladlen Tatarski bei Explosion in St. Petersburg getötet

Laut dem russischen Innenministerium erhielt die Polizei im Stadtteil Wasileostrowski um 18.13 Uhr Informationen, dass in einem Café am Uniwersitetskaja-Ufer ein Sprengsatz explodiert sei. Der BBC-Journalist Francis Scarr veröffentlichte auf Twitter ein Video, das die Explosion zeigen soll.

Am Montagmorgen gab das russische Gesundheitsministerium eine Zahl von 32 Verletzten an, zehn davon sollen sich demnach in einem kritischen Zustand befinden. Das für schwere Verbrechen zuständige Ermittlungskomitee teilte mit, es seien Mordermittlungen eingeleitet worden. Es würden „alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die beteiligten Personen zu identifizieren“.

St. Petersburg: 32 Verletzte nach Explosion in Lokal, das Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin gehören soll

Die Straße vor dem Gebäude wurde nach der Explosion abgeriegelt, laut russischen Medien war das auch am Montagmorgen noch der Fall. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP sah etwa 20 Polizeiautos, sechs Krankenwagen und mehrere Feuerwehrautos.

Der Putin-Unterstützer und Militärblogger Wladlen Tatarski bei einer Rede kurz bevor er bei einer Explosion in einem Lokal in St. Petersburg getötet wurde.

Der Putin-Unterstützer und Militärblogger Wladlen Tatarski bei einer Rede kurz bevor er bei einer Explosion in einem Lokal in St. Petersburg getötet wurde.

Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte eine Quelle aus den Strafverfolgungsbehörden, nach deren Angaben die Explosion durch einen selbstgebauten Sprengsatz ausgelöst wurde. Dieser habe sich in einer Figur befunden, die dem Militärblogger als Geschenk überreicht worden sei.

Tod von Militärblogger in Russland: Unterschiedliche Angaben zu Momenten vor der Explosion

Ein Video, das die Übergabe des Geschenks an Tatarski zeigen soll, wurde Medienberichten von russischen TV-Sendern am Sonntag ausgestrahlt. Der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Geraschtschenko, veröffentlichte einen entsprechenden Mitschnitt auf Twitter.

Die Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete unterdessen mit Berufung auf eine Quelle, „ein Mädchen“ habe den Sprengsatz „wahrscheinlich“ mitgebracht. Laut einer anderen Quelle soll die Überbringerin dem Blogger bekannt gewesen sein. Weitere Details nannte der Medienbericht nicht.

Kreml bezeichnet Wladlen Tatarski als „Verteidiger der Wahrheit“ und beschuldigt Ukraine

„Sie hat es ihm gegeben“, und später „gab es plötzlich eine Explosion“, sagte Augenzeugin Alissa Smotrowa der AFP. Es habe „Blut und Glasscherben“ gegeben. Die genauen Abläufe vor der Explosion bleiben zunächst unklar. Die am Montag festgenommene Frau soll dem 40-jährigen kremltreuen Propagandisten die Büste überreicht haben, die wenig später explodierte.

Blogger wie Tatarski seien „Verteidiger der Wahrheit“, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nach der tödlichen Explosion im Onlinedienst Telegram. Tatarski sei für die Ukraine „gefährlich“ gewesen und „in Erfüllung seiner Pflicht“ gestorben.

Russische Journalisten fühlten sich „ständig von Repressalien des Kiewer Regimes bedroht“. Es sei den „russischen Kriegsberichterstattern zu verdanken, dass die Welt wahre, operative Bilder“ sehe und erfahre, „was in der Ukraine geschieht“, sagte Sacharowa.

Russland: Gouverneur von Leningrad kündigt Vergeltung nach Explosion in St. Petersburg an

Russische Medien stimmten in das Kreml-Narrativ mit ein. So veröffentlichte die staatsnahe Nachrichtenagentur einen Beitrag, in dem die Verantwortung für die Explosion in Kiew gesucht wird. Es sei „das Werk ukrainischer Terroristen“, heißt es in dem Propaganda-Artikel, der nicht als Meinungsstück gekennzeichnet ist.

Der Gouverneur von Leningrad, Alexander Drozdenko, kündigte unterdessen Vergeltung für den Tod Tatarskis an. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses abscheuliche Verbrechen nicht ungestraft bleiben wird“, schrieb er bei Telegram.

Wladlen Tatarski war Unterstützer von Wladimir Putin: „Wir werden jeden erobern“

Der 40-jährige Blogger Wladlen Tatarski, mit bürgerlichem Namen Maxim Fomin, stammte aus der Region Donezk in der Ostukraine, die von Russland völkerrechtswidrig besetzt wird. Mehr als eine halbe Million Menschen haben seinen Kanal bei Telegram abonniert. Er befürwortete den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausdrücklich.

Seine Anhängerschaft auf Telegram baute er seit Beginn des russischen Überfalls laut Tass insbesondere durch Videos mit Lage-Einschätzungen vor Ort und Ratschlägen für die Soldaten aus. 2014 kämpfte er laut dem örtlichen Nachrichtenmedium Fontanka mehrere Monate lang an der Seite prorussischer Separatisten in der Ostukraine.

Bei einer Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin im September 2022 sei Tatarski Berichten zufolge zudem in Moskau anwesend gewesen – und habe sich nach den Worten des Kremlchefs selbst per Video zu Wort gemeldet. Bereits damals hatte Matthew Luxmoore, Journalist des „Wall Street Journal“ Tatarski zitiert.

Wladlen Tatarski bei Veranstaltung der Gruppe „Cyber Front Z“ getötet

„Wir werden jeden erobern, wir werden jeden töten, wir werden plündern, wen auch immer wir wollen, und alles wird so sein, wie es uns gefällt“, sagte Tatarski demnach über den Krieg gegen die Ukraine. Der Berater des Innenministeriums der Ukraine, Anton Geraschtschenko, veröffentlichte Teile von Tatarskis Aussagen auf Twitter.

Eine Gruppe namens „Cyber Front Z“, die sich selbst in den Onlinenetzwerken als „Russlands Informationssoldaten“ bezeichnet, erklärte derweil, das Lokal im Stadtzentrum für den Abend gemietet zu haben. „Es gab einen Terroranschlag. Wir haben bestimmte Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, aber es waren nicht genug“, erklärte die Gruppe im Onlinedienst Telegram. „Unser Beileid an alle, die den exzellenten Kriegsberichterstatter und unseren Freund Wladlen Tatarski kannten.“

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin: „Kiewer Regime nicht verantwortlich“

Der Gründer der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, bestätigte die Angaben. „Tatsächlich habe ich das Café der patriotischen Bewegung Cyber Front Z gegeben, und sie haben dort verschiedene Seminare abgehalten“, erklärte Prigoschin via Telegram. Prigoschin soll Medienberichten zufolge Eigentümer des Lokals sein.

Der Wagner-Chef widersprach allerdings indirekt Außenamtssprecherin Sacharowa – und somit auch der Kreml-Propaganda. „Ich würde das Kiewer Regime nicht für diese Aktionen verantwortlich machen“, erklärte Prigoschin. „Ich denke, dass es eine Gruppe von Radikalen gibt, die wahrscheinlich nicht mit der Regierung verwandt ist“, beim Attentat auf Daria Dugina sei „das alles ähnlich“ gewesen, erklärte Prigoschin. Die Tochter des rechtsradikalen russischen Vordenkers Alexander Dugin war im August 2022 bei einer Autobombenexplosion getötet worden.

„Die Spinnen fressen sich in einem Glas gegenseitig auf“, kommentierte der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak auf Twitter die Explosion in einer ersten Reaktion. Es sei „eine Frage der Zeit“, wann „der inländische Terrorismus ein Instrument des innenpolitischen Kampfes“ werde. „Unumkehrbare Prozesse“ würden Russland nun erwarten, schieb Podoljak. „Wir werden das beobachten.“ (mit afp)