AboAbonnieren

„Wow, was für eine Explosion!“Massiver Drohnenangriff trifft Moskau – Putins Gefolge jammert im Staats-TV

Lesezeit 4 Minuten
TV-Moderator Wladimir Solowjow gehört zu den prominentesten kremltreuen Propagandisten in Moskau. (Archivbild)

TV-Moderator Wladimir Solowjow gehört zu den prominentesten kremltreuen Propagandisten in Moskau. (Archivbild)

Die Ukraine überzieht Russland mit dem größten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn. Auch in Moskau brennen danach Industrieanlagen.

Massive ukrainische Drohnenangriffe haben nach russischen Angaben auch eine Raffinerie in Moskau und zwei Kraftwerke getroffen. In der Raffinerie Kapotnja im Südosten der Hauptstadt brach ein Brand aus, den die Feuerwehr nach einiger Zeit aber eindämmen konnte, wie die staatliche Nachrichtenagentur Tass meldete.

Offiziell bestätigt wurden Angriffe auch auf ein Kraftwerk am südlichen Stadtrand von Moskau sowie auf ein Kraftwerk im Gebiet Twer etwa 100 Kilometer nordöstlich der Metropole. Russische Internetmedien veröffentlichten unbestätigte Videos, die nahelegten, dass es auch in diesen Anlagen brennt. Trümmer von Drohnen fielen im Umland von Moskau nieder, wie Bürgermeister Sergej Sobjanin auf Telegram berichtete.

Massiver ukrainischer Angriff: Höchste gemeldete Zahl an Drohnen

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, nachts seien 158 ukrainische Drohnen über 15 verschiedenen russischen Regionen abgefangen worden. Die Zahl ist nicht unabhängig überprüfbar, es ist aber die höchste bislang gemeldete Zahl für einen ukrainischen Drohnenangriff. Das amerikanische Institut für Kriegsstudien berichtete von der bisher „größten Serie von Drohnenangriffen“ auf Ziele in Russland.

Das russische Oppositionsportal Astra berichtete zudem, dass es in der Region Twer auch im Gasverteilungsnetz entlang der Hauptgasleitung „KGMO-Konakowo“ zu einem Brand gekommen sei. Laut der russischen Investigativplattform iStories kam es zudem zu Wärmeanomalien, die auf Brände in weiteren Industrie- und Militäranlagen in Russland hindeuteten.

Ukraine muss auf Drohnenangriffe statt auf westliche Raketen setzen

Russische Truppen sind vor zweieinhalb Jahren auf Befehl von Präsident Wladimir Putin in die Ukraine einmarschiert. Mit seinen weitreichenden Waffen hat Russland außerdem ukrainische Kraftwerke weitgehend zerstört. Die Ukraine hat zwar weitreichende Waffen vom Westen geliefert bekommen, darf diese aber nicht gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen. Sie wehrt sich aber mit Drohnen in hoher Anzahl, die russische Industrieanlagen angreifen.

In den letzten Wochen gingen vermehrt russische Öl-Depots in Flammen auf, manche der Brände gelten nach wie vor als nicht gelöscht. Gleichzeitig setzt die Ukraine ihre Gegenoffensive in der russischen Region Kursk fort. Am Wochenende wurden von dort jedoch keine nennenswerten Fortschritte gemeldet.

„Der terroristische Staat muss spüren, wie es ist, Krieg zu führen“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die jüngsten Drohnenangriffe seines Militärs gegen Ziele in Russland derweil als Notwendigkeit bezeichnet. „Der terroristische Staat muss spüren, wie es ist, Krieg zu führen“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Sonntag.

Ein Löschhubschrauber tankt Wasser, um Brände in Moskau nach einem ukrainischen Drohnenangriff zu löschen.

Ein Löschhubschrauber tankt Wasser, um Brände in Moskau nach einem ukrainischen Drohnenangriff zu löschen.

Dieser Plan scheint durchaus aufzugehen. So kursierten am Sonntag Videos in den sozialen Netzwerken, die ukrainische Drohnenangriffe auf Moskau zeigten. In einer der Aufnahmen sind wüste Flüche des filmenden Russen hörbar.

„Schießt die Luftabwehr mit Maschinengewehren, oder was?“

„Scheiße, schießt es ab!“, kommentiert die Stimme zunächst. „Schießt die Luftabwehr mit Maschinengewehren, oder was?“, wundert sich der Mann schließlich über die geringe Gegenwehr in der russischen Hauptstadt. Im Moment des Einschlags der Drohne folgt schließlich nur noch ein erstauntes: „Wow, was für eine Explosion!“

Das britische Wirtschaftsmagazin „Forbes“ hat die ukrainischen Drohnenattacken gegen Ziele in Russland unterdessen zuletzt als Weg bezeichnet, den Russen ihre eigene Medizin zu verpassen. Angesichts des schlechten Zustands und der veralteten Technik der russischen Stromversorgung könnten die ukrainischen Angriffe der russischen Bevölkerung in diesem Winter größere Probleme bereiten, als sie die Bewohner der Ukraine bisher erlebt hätten.

Putins Propagandisten jammern: „Ist China nun unser Vaterland?“

Dieses Szenario scheint mittlerweile auch die Propagandisten in der russischen Hauptstadt zu besorgen. So beklagte TV-Moderator Wladimir Solowjow in seiner Talksendung im russischen Staatsfernsehen zuletzt, Russland sei nicht ausreichend auf derartige Drohnenangriffe vorbereitet – und forderte die Zerstörung der „industriellen Kapazitäten“ der Ukraine. „Wir sollen uns keinen Illusionen hingeben“, erklärte Solowjow. „Es wird mehr Angriffe auf Öl- und Gasanlagen geben.“

Solowjow, einer der prominentesten kremltreuen Propagandisten in Russland, jammert zudem über die schlechte Ausrüstung der russischen Truppen – und schilderte seine Eindrücke von der Front. „Plötzlich hatte der Fahrer den Schalthebel in der Hand“, echauffierte sich Solowjow. „Und das bei einem brandneuen Fahrzeug“. Die Soldaten würden sich außerdem beklagen, sie hätten zwar Drohnen, aber keine, die „tatsächlich Angriffe durchführen“ könnten.

Russland sei zu abhängig von China, befand die Talkrunde schließlich. „Ist China nun unser Vaterland? Wann kommen endliche alle zu Sinnen?“, jammerte Solowjow weiter. China verkaufe seine Drohnenbauteile auch an die USA, führte der TV-Moderator aus. „Was machen wir, wenn Peking sagt: Sorry, wir halten uns jetzt an die Sanktionen? Sind wir für dieses Szenario vorbereitet?“