Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied. Aber sie will es einmal werden, und schon jetzt berät sie sich mit dem westlichen Verteidigungsbündnis.
Besuch im BaltikumSelenskyj bittet um mehr Flugabwehr für die Ukraine
Die Ukraine sucht wegen der andauernden schweren russischen Luftangriffe die Nähe zu ihren Partnern im Baltikum und bei der Nato. Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte bei seinem ersten Auslandsbesuch in diesem Jahr in Litauen mehr Waffenhilfe zur Abwehr der Bombardements. „Flugabwehrsysteme stehen an erster Stelle unter den Dingen, die uns fehlen“, sagte er am Mittwoch in Vilnius nach einem Treffen mit seinem Kollegen Gitanas Nauseda. In Brüssel trat wegen der besonders massiven russischen Luftangriffe der 2023 gegründete Nato-Ukraine-Rat zusammen.
Nach Angaben Selenskyjs feuerte Russland über den Jahreswechsel mindestens 500 Raketen, Marschflugkörper und Drohnen auf die Ukraine ab. 70 Prozent davon seien abgefangen worden, sagte er. Trotzdem gab es in der Ukraine Dutzende Tote und Verletzte sowie große Schäden.
Selenskyj: Putin wird nicht aufhören
Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine russische Invasion ab und ist bei der Ausrüstung weitgehend von westlicher Unterstützung abhängig. In vielen Ländern gibt es derzeit aber Diskussionen über Ausmaß und Ziel der Hilfe. In den USA, dem wichtigsten Unterstützer, stecken neue Hilfen derzeit im Kongress im politischen Streit fest.
Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj
- Kinder unter den Toten Russland attackiert massiv Großstadt in der Ukraine – viele Opfer
- „Raketen werden für sich sprechen“ USA erlauben Ukraine wohl Einsatz von US-Waffen gegen Ziele in Russland
- Schäden an Elektrizitätswerken Putin greift Energienetz massiv an – Ukraine schränkt landesweit Versorgung ein
- Kremlchef bleibt hart, Kritik aus Kiew Scholz telefoniert erstmals seit zwei Jahren mit Putin
- EU-Gipfel Selenskyj stellt seinen Siegesplan vor – „Frieden durch Drohungen“
- Geheiminformationen für Scholz Fünf Schritte gegen Putin – Selenskyj veröffentlicht Siegesplan
- Selenskyj bei Scholz Müssen Putin „zum Frieden zwingen“ – weitere Waffenlieferung an die Ukraine
Selenskyj sagte in Vilnius, dass er keinen Druck der Verbündeten spüre, den Krieg an der jetzt bestehenden Front einzufrieren. Man müsse die Rhetorik des russischen Präsidenten Wladimir Putin ernst nehmen; dieser wolle die Ukraine ganz besetzen. Und wenn sein Land nicht standhalte, seien als nächstes Litauen, Lettland, Estland oder Moldau gefährdet. Selenskyj rief zu gemeinsamer Gegenwehr gegen Putin auf: „Er wird nicht aufhören, solange wir ihn nicht erledigen.“
Das kleine Litauen hilft
Nauseda sicherte der Ukraine weitere Unterstützung aus Litauen zu. „Wir werden im Januar erneut Munition, Generatoren und Sprengsysteme in die Ukraine senden“, kündigte er an. „Im Februar werden wir gepanzerte M577-Personentransporter liefern, ukrainische Soldaten ausbilden und die Kooperation mit der Verteidigungsindustrie stärken.“
Seinen Angaben nach hat Vilnius einen langfristigen Plan für Militärhilfe im Wert von rund 200 Millionen Euro genehmigt. Nach dem unangekündigten Besuch in Litauen will Selenskyj in den kommenden Tagen auch die baltischen Nachbarn Lettland und Estland reisen.
Ukraine berät sich mit der Nato
Vertreter der 31 Nato-Staaten und der Ukraine berieten in Brüssel über die jüngsten Entwicklungen im Kriegsgebiet. Um das Treffen hatte die Regierung in Kiew gebeten wegen der russischen Raketenangriffe über Neujahr. Nach Angaben von Diplomaten sollte es um weiteren Hilfsbedarf der Ukraine bei der Flugabwehr gehen. Erwartet wurde auch ein Austausch über die mutmaßliche Lieferung nordkoreanischer Raketen an Russland und deren Einsatz gegen die Ukraine. Ankündigungen oder Beschlüsse der Nato wurden nach den Beratungen nicht erwartet.
Ebenfalls in Brüssel treibt die EU ungeachtet des Widerstands aus Ungarn Vorbereitungen für neue Milliardenhilfen für die Ukraine voran. Vertreter der Mitgliedstaaten beschlossen mehrheitlich, dazu Verhandlungen mit dem Europaparlament aufzunehmen, wie Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur sagten. Ziel ist es, das Hilfsprogramm nach einem möglichen Einlenken des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban schnell umsetzen zu können. Dabei muss das Europaparlament zustimmen. Eigentlich hatten die Mitgliedstaaten schon beim EU-Gipfel im vergangenen Dezember Hilfen über 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre beschließen wollen. Ungarn sperrte sich aber.
Charkiw baut unterirdische Schule
In der ostukrainischen Großstadt Charkiw soll wegen der ständigen russischen Angriffe im März die erste unterirdische Schule in Betrieb gehen. Der Bau verlaufe nach Plan, ungeachtet des feindlichen Beschusses und des Frosts, teilte Bürgermeister Ihor Terechow bei Telegram mit.
Zuvor waren bereits mehrere Klassenzimmer in der U-Bahn der Großstadt eingerichtet worden. Abwechselnd lernen derzeit über 1000 jüngere Schulkinder in rund 65 Klassen unter der Erde. Nur etwa 40 Prozent der mehr als 110.000 Schüler sollen sich Behördenangaben nach in Charkiw selbst befinden. Von den übrigen ist ein großer Teil ins Ausland geflüchtet und lernt online an den alten Schulen. (dpa)