AboAbonnieren

Anführer Kapustin lebte in KölnRussische Anti-Putin-Kämpfer zeigen Kriegsgefangene – Kreml offenbar ohne Strategie

Lesezeit 3 Minuten
Kämpfer des „Russischen Freiwilligenkorps“ posieren in einem Video mit einem mutmaßlichen russischen Kriegsgefangenen. Der Anführer der Gruppe, schwarz gekleidet, ist der Neonazi Denis Kapustin, der mehrere Jahre in Köln gelebt hat.

Kämpfer des „Russischen Freiwilligenkorps“ posieren in einem Video mit einem mutmaßlichen russischen Kriegsgefangenen. Der Anführer der Gruppe, schwarz gekleidet, ist der Neonazi Denis Kapustin, der mehrere Jahre in Köln gelebt hat.

Die Gefechte in Belgorod dauern an. Die Freiwilligenverbände unter Führung des einstigen Kölner Neonazis Denis Kapustin äußern sich in Videos zur Lage.

In der russischen Grenzregion Belgorod sind offenbar erneut Kämpfe zwischen der Armee und an der Seite der Ukrainer kämpfenden Freiwilligenverbänden aufgeflammt. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow bestätigte am Sonntag Gefechte in der Ortschaft Nowaja Tawolschanka. Die Freiwilligenverbände präsentierten unterdessen mutmaßliche russische Kriegsgefangene in einem Video.

Ukrainische Freiwilligenverbände erneut aktiv: Russland will erneuten Angriff auf Belgorod verhindert haben

Russlands Verteidigungsministerium teilte am Montag mit, es sei gelungen, eine „Sabotage- und Aufklärungsgruppe ukrainischer Terroristen“ am Überqueren eines nahe gelegenen Flusses zu hindern. Zehn ukrainische Kämpfer seien getötet worden, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Im Gebiet Belgorod kommt es seit einiger Zeit immer wieder zu Kämpfen und Angriffen, für die Moskau stets Kiew verantwortlich macht. Tatsächlich aber scheint es sich bei den Eindringlingen auch dieses Mal wieder um Mitglieder des sogenannten „Russischen Freiwilligenkorps“ zu handeln.

Die Einheit kämpft zwar aufseiten der Ukrainer, besteht jedoch aus russischen Nationalisten – und wird von dem ehemals in Köln ansässigen Neonazi Denis Kapustin, der auch als Nikitin bekannt ist, angeführt.

„Russisches Freiwilligenkorps“ um Kölner Neonazi Denis Kapustin präsentiert Kriegsgefangene

Mehrere Mitglieder der paramilitärischen Organisation veröffentlichten am Sonntag auch ein Video, in dem sie behaupteten, mehrere Soldaten der russischen Armee gefangen genommen zu haben.

Als Bedingung für deren Freilassung forderten die Männer ein Treffen mit Gouverneur Gladkow. Dieser zeigte sich wenig später tatsächlich offen für ein Gespräch – laut den Rebellen kam es letztendlich aber nicht zustande.

Dem US-Thinktank „Institute for Study of War“ (ISW) zufolge lehnte der Gouverneur das Treffen ab, weil er davon ausgegangen sei, die russischen Kriegsgefangenen seien bereits getötet worden.

Die Freiwilligen-Einheit reagierte darauf mit einem weiteren Video, in dem zwölf mutmaßliche Kriegsgefangene lebendig zu sehen sind. Sie erklärten zudem, die Gefangenen nun der ukrainischen Seite zu übergeben zu wollen. Aus Kiew gab es zunächst keine Reaktion.

Russische Freiwilligenverbände im Dienst der Ukraine wollen Russland von Wladimir Putin „befreien“

Kapustin, der einige Jahre in der Kölner Hooligan-Szene verbracht hatte, ehe er Deutschland in Richtung der Ukraine verlassen hatte, posiert in dem Video als Anführer des „Russischen Freiwilligenkorps“. Neben der von Kapustin angeführten Einheit, ist auch die „Legion Freiheit Russlands“ in den letzten Wochen an Angriffen auf russische Grenzgebiete beteiligt gewesen.

In einem weiteren Video bekräftigte ein Vertreter des „Russischen Freiwilligenkorps“ die Zeile der Verbände. „Es hat sich nichts geändert, unsere Ziele bleiben dieselben“, erklärt darin ein Mann, der als Stabschef der Einheit bezeichnet wird.

Man habe keine Kämpfer verloren, versicherte der Mann zudem. Es gebe allerdings Verletzte, räumte er ein. Zuvor hatten die beiden Freiwilligenverbände als ihr Ziel stets die „Befreiung Russlands von Wladimir Putin“ ausgegeben.

Angriffe auf Belgorod: Experten sehen Unentschlossenheit bei Wladimir Putin und dem Kreml

Die ISW-Experten sehen unterdessen eine gewisse Unentschlossenheit beim russischen Präsidenten Wladimir Putin und der Kreml-Elite, wie man mit den wiederholten Angriffen auf russisches Gebiet umgehen solle. Vieles spreche dafür, dass Gouverneur Gladkow und der Kreml ihre Handlungen und Aussagen nicht miteinander koordinieren würden, schreiben die Wissenschaftler in ihrem aktuellen Lagebericht.

„Die russischen Reaktionen konzentrierten sich in erster Linie auf Informationseffekte“, heißt es dort. Es gebe „keinen Hinweis“ darauf, „dass die russische Führung eine umfassendere Politik zur Verhinderung weiterer begrenzter Angriffe auf russische Grenzgebiete festgelegt hat.“

Wladimir Putin schweigt weiterhin zu Angriffen auf russische Grenzregion

Kremlchef Wladimir Putin äußerte sich wie bereits in der Vorwoche nicht selbst zu den Angriffen. Insgesamt fällt die Berichterstattung über die Vorgänge im eigenen Grenzgebiet in Russland zurückhaltend aus.

Als das „Russische Freiwilligenkorps“ bereits im März einen ersten Angriff auf das russische Dorf Brjansk durchgeführt hatte, hatte es unterdessen eine deutliche Reaktion Putins gegeben. Der Kremlchef bezichtigte die russische Freiwilligeneinheit des „Terrors“.

Wenig später warf der Kreml zudem Anführer Kapustin vor, einen Anschlag auf einen Oligarchen, der zu den Vertrauten Putins zählen soll, geplant zu haben. (mit dpa)