In Kiew hat man einen eindeutigen Verdacht bezüglich Putins Besuch in Cherson. Auch Experten äußern Zweifel an der Darstellung des Kremls.
„Bunker-Opa“ mit Double?Falscher Ort, falsche Zeit: Ukraine sieht Putin-Doppelgänger hinter Frontbesuch
Nach Ansicht Kiews ist der russische Präsident Wladimir Putin bei seinem angeblichen Frontbesuch in den besetzten Gebieten der Ukraine von einem Doppelgänger vertreten worden. „Das war nicht der echte Putin“, behauptete am Mittwoch der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, Olexij Danilow, ohne Beweise im Fernsehen. „Um mit dem echten Putin sprechen zu können, muss man mindestens 10 bis 14 Tage in Quarantäne“, führte Danilow aus.
Damit könnte Danilow Bezug auf den Bericht eines ehemaligen Mitglieds der Präsidentengarde im Kreml nehmen. Der geflohene Kreml-Mitarbeiter Gleb Karakulow hatte Anfang April im Gespräch mit dem „Dossier Center“ berichtet, wer im selben Raum wie Putin arbeite, müsse zuvor eine zweiwöchige Quarantäne durchlaufen.
Wladimir Putin an der Front? Ukraine vermutet Doppelgänger hinter Besuch von Kreml-Chef in Cherson
Der in Cherson gesichtete Putin sei „ein gewöhnliches Double gewesen, von denen es bekanntlich mehrere gibt“, erklärte Danilow nun. Seiner Darstellung zufolge sei Putin „ein verängstigter Mann“, und die Vorstellung, dass er sich zu einem Besuch der Front entschlossen habe, schlicht unmöglich.
Nach Angaben des Kremls vom Dienstag hatte Putin sowohl die besetzten Gebiete der Region Cherson im Süden als auch Luhansk im Osten der Ukraine besucht und sich mit führenden Militärs getroffen. Der genaue Zeitpunkt des angeblichen Besuchs wurde vom Kreml nicht genannt. Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Um Putin gab es allerdings bereits in der Vergangenheit immer wieder Gerüchte um mögliche Doppelgänger.
Falscher Ort, falsches Datum: Wurden die Aufnahmen von Wladimir Putin in Cherson manipuliert?
Während derzeit also erneut Unklarheit darüber besteht, ob es sich tatsächlich um den echten Putin beim neuerlichen „Frontbesuch“ gehandelt hat, scheint es für andere Unstimmigkeiten der russischen Darstellung deutlichere Hinweise zu geben.
So berichtet der US-Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW), die vom Kreml in dieser Woche verbreiteten Aufnahmen, die Putin in den besetzten Gebieten Cherson und Luhansk zeigen sollen, seien nicht in dieser Woche entstanden. Zuvor hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow behauptet, Putins Besuch habe am 17. April stattgefunden.
Reagiert Russland mit Wladimir Putins „Frontbesuch“ auf Selenskyjs Reise nach Awdijiwka?
„Putin erklärte jedoch in einem der Videos, das orthodoxe Osterfest stehe ‚kurz bevor‘, was darauf hindeutet, dass sein Besuch vor dem 16. April stattfand“, heißt es in einer Analyse der US-Wissenschaftler. „Der Kreml hat das Video später bearbeitet, um Putins Aussage über das bevorstehende Osterfest herauszunehmen“, heißt es weiter.
Zudem sei das Video von Putin keineswegs in der Nähe der Front entstanden, sondern weit von den nächsten Gefechten entfernt. „Geolokalisiertes Filmmaterial zeigt, dass Putin die Landzunge Arabat im Südwesten der Region Cherson besuchte – mindestens 130 km von der nächsten Frontlinie entfernt“, heißt es im Bericht des ISW.
Russische Propagandisten hatten Putins angebliche Reise in die Ukraine in dieser Woche ausführlich medial ausgeschlachtet und probiert, den Besuch als „Stärkung der Moral der russischen Truppen“ zu verkaufen. Die aktuellen Behauptungen des Kremls könnten im Zusammenhang mit einem Frontbesuch Wolodymyr Selenskyjs stehen, berichtet das ISW weiter.
Kiew lästert über Kremlchef: „Das ist der Unterschied zum Bunker-Opa Putin“
Am Dienstag hatte der ukrainische Präsident die schwer umkämpfte Stadt Awdijiwka im Osten des Landes besucht. Es sei „möglich“, dass der Kreml daher „absichtlich Filmmaterial veröffentlichte“, um damit Selenskyjs Frontbesuch medial zu überschatten, heißt es bei den Analysten.
Selenskyj sei mit seinem Frontbesuch „das genaue Gegenteil“ zu Putin, betonte unterdessen Danilow, da er jederzeit an die Front gehe. „Das ist der Unterschied zum Bunker-Opa Putin, der bald vor sich selbst Angst hat.“
Wie bei anderen Diktatoren gibt es immer wieder Gerüchte um Doppelgänger des russischen Präsidenten. Auch der Besuch des russischen Präsidenten Ende März in Mariupol wurde von entsprechenden Mutmaßungen begleitet.
Wladimir Putin: Immer wieder Gerüchte um Doppelgänger
Damals hatten Experten Zweifel an der Authentizität von Putins Besuch in der eroberten Hafenstadt geäußert. „Putins ‚Besuch‘ in Sewastopol und Mariupol bekräftigt eher bisherige Indizien, dass Putin mit einem Double arbeitet“, schrieb Osteuropa-Experte Anders Aslund bei Twitter. „Saddam Hussein hat es genauso gemacht“.
Auch der ehemalige Putin-Unterstützer Igor Girkin sorgte anlässlich des angeblichen Mariupol-Besuchs Putins für Wirbel. „Der echte Wladimir Putin lässt niemand näher als 20 Meter an sich heran“, hatte Girkin in einem Video-Statement erklärt. „Wenn ich einen Putin in einer Menschenmenge sehe oder wie er andere Menschen umarmt, dann weiß ich sofort, dass es sich um ein Double handelt.“
Girkin ist im Zusammenhang mit dem Abschuss von Malaysia-Airlines-Flug MH17 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden und gilt als zentrale russische Figur bei der Annexsion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014. Zuletzt hat Girkin sich kritisch gegenüber dem Kreml positioniert.