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Kreml-Insider schildern Moskaus Pläne„Wladimir Putin wird immer mehr auf den Atomknopf schauen“

Lesezeit 4 Minuten
Laut kremlnahen Quellen hat Wladimir Putin die Idee einer Verhandlungslösung „praktisch aufgegeben“. (Archivbild)

Laut kremlnahen Quellen hat Wladimir Putin die Idee einer Verhandlungslösung „praktisch aufgegeben“. (Archivbild)

Gegenüber russischen Medien berichten kremlnahe Quellen über die Überlegungen des Kremlchefs. Die Zeichen stehen wohl auf Krieg.

Russlands Präsident Wladimir Putin und seine Regierung haben die Idee von Friedensgesprächen mit der Ukraine nach dem ukrainischen Einmarsch in die russische Grenzregion Kursk „praktisch aufgegeben“, das berichtet die „Moscow Times“. Die Zeitung beruft sich bei ihrem Bericht auf Angaben von „kremlnahen Quellen“ und Insidern, die sich zuvor gegenüber dem Nachrichtenportal „Poyasnitelnaya Zapiska“ geäußert hatten.

Moskau habe den Einmarsch in Kursk demnach als „demütigenden Schlag“ empfunden. „Der Kreml ist zu dem Schluss gekommen, dass er die ukrainische Staatlichkeit zerstören wird“, sagte eine kremlnahe Quelle demnach. „Es sieht so aus, als würde die Situation in einem Krieg ohne Regeln enden, und beide Seiten überlegen, wie sie es der anderen Seite schwerer machen können“, zitierte das Blatt den Insider weiter.

Kreml-Insider über Putins Pläne: „Krieg ohne Regeln“

Putin sei nicht bereit, die von der Ukraine eroberten Gebiete in Kursk am Verhandlungstisch gegen Gebiete in der Ostukraine einzutauschen, versicherte die Quelle zudem. Der Kremlchef vermute, dass Kiew im Sommer nur Gespräche über ein Deeskalationsabkommen, bei dem Angriffe auf Energieinfrastruktur unterbunden werden sollte, geführt habe, um Moskau über die wahren Absichten in Kursk zu täuschen, berichteten die Quellen weiter.

„Es wäre eine Win-win-Situation gewesen“, sagte eine den Verhandlungsführern nahestehende Quelle. „Zwischen 15 und 20 Prozent der russischen Raffinerie-Kapazitäten waren ausgefallen, und der Winter stand beiden Seiten bevor.“ Mit dem ukrainischen Einmarsch in Kursk am 6. August seien dann jedoch alle Gespräche geplatzt. Befürworter von Friedensgesprächen seien in der russischen Machtelite mittlerweile die absolute Minderheit, hieß es weiter.

„Nichts wird aufhören, bis die Ukraine zusammenbricht“

Sollte der Westen der Ukraine erlauben, westliche Raketen für Angriffe tief in Russland einzusetzen, wie Kiew es fordert, sei die Aussicht auf Friedensgespräche auf absehbare Zeit „völlig vom Tisch“, zitierte die „Moscow Times“ einen Kreml-Beamten, der den Angaben zufolge regelmäßig an Sitzungen mit Putin teilnimmt.

Auch in der russischen Wirtschaft rechnet man offenbar nicht mit einem schnellen Ende von Putins Kriegskurs. „Ich glaube nicht, dass es irgendeine Art von Friedensprozess geben wird“, sagte der Chef eines großen russischen Staatsunternehmens dem Bericht zufolge. „Nichts wird aufhören, bis die Ukraine zusammenbricht.“

Wird Wladimir Putin „immer mehr auf den Atomknopf schauen“?

Den Einsatz von Atomwaffen werde Putin jedoch nur riskieren, wenn Russland in einen „totalen Krieg“ mit dem Westen eintreten sollte. Da Putin die gute Beziehung zu seinen wenigen internationalen Unterstützern innerhalb des BRICS-Bündnisses dringend brauche, sehe er von einer Eskalation mit Atomwaffen ab.

Insbesondere China hat seit Kriegsbeginn bereits öffentlich gemahnt, dass der Einsatz von Atomwaffen nicht zu rechtfertigen sei. Seine wichtigen Partner wolle der Kremlchef mit einem Atomschlag keinesfalls verärgern, erläuterten die Quellen. Putin werde jedoch „immer mehr auf den Atomknopf schauen“, sollten seine Drohungen nicht ernst genommen werden.

Moskau fordert Einhaltung von roter Linie – mal wieder

Tatsächlich hatte Russland zuletzt mehrfach bemängelt, dass die vom Kreml aufgestellten „roten Linien“ vom Westen nicht beachtet würden. Allerdings hat Moskau seit Kriegsbeginn immer wieder „rote Linien“ aufgestellt – und dann ohne die angedrohten Konsequenzen zugelassen, dass sie übertreten wurden. So galt auch die Lieferung von Kampfpanzern und Kampfjets einst als „rote Linie“ für den Kreml. Mittlerweile sind Leopard-2-Panzer und F-16-Kampfjets in der Ukraine im Einsatz.

Dennoch stünden die Zeichen im Kreml eindeutig auf Krieg, erklärten die kremlnahen Quellen den russischen Medien nun. „Die Kräfte der Ukraine sind erschöpft“, erklärte einer der Kreml-Insider demnach. „Der Kreml kann den Krieg noch jahrzehntelang so weiterführen, wie er im Moment geführt wird.“

Russlands Krieg: Kremlchef will nicht mit Bundeskanzler telefonieren

Unabhängig überprüfbar sind die Aussagen der Kreml-Insider nicht. Sie passen jedoch zu den jüngsten Verlautbarungen aus Moskau. So erteilte der Kreml den Überlegungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über ein Telefonat mit Putin prompt eine Absage. „Auf den ersten Blick gibt es keine gemeinsamen Themen, unsere Beziehungen wurden faktisch auf den Nullpunkt geführt und nicht auf unsere Initiative hin“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber über russischen Nachrichtenagenturen zu der Idee aus Berlin.

Scholz hatte zuletzt im Dezember 2022 mit Putin telefoniert. Dabei hatte er eine diplomatische Lösung und den Rückzug russischer Truppen aus der Ukraine gefordert. Putin wiederum kritisierte damals die westliche Militärhilfe für Kiew. Sie sei nach Ansicht des Kremls Schuld daran, dass es keine Verhandlungen gebe.

Russland fordert für eine Beendigung seines Angriffskriegs von der Ukraine unter anderem die Aufgabe weiterer Gebiete, den Verzicht auf einen Nato-Beitritt und eine sogenannte Entnazifizierung. Darunter versteht die russische Führung wohl die Einsetzung einer moskauhörigen Regierung in Kiew. Die Forderungen kommen insgesamt einer ukrainischen Kapitulation gleich.