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Putin nutzt Trumps Kurs brutal aus„Das passiert, wenn jemand Barbaren beschwichtigt“

Lesezeit 6 Minuten
Russlands Präsident Wladimir Putin während einer Besprechung im Kreml. (Archivbild)

Russlands Präsident Wladimir Putin während einer Besprechung im Kreml. (Archivbild)

Trump streicht Kiew die Militärhilfe – Putin reagiert mit heftigen Attacken. Im Westen herrscht Entsetzen, in Moskau pure Freude.

Russland hat die Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump gegen die Ukraine in den letzten Tagen genutzt, um die Angriffe an vielen Abschnitten der Front zu verstärken. Die russischen Attacken hätten sich in der letzten Woche „nahezu verdoppelt“, berichtete die ukrainische Plattform „DeepState“, die seit Kriegsbeginn über die Kampfhandlungen in der Ukraine informiert.

Gleichzeitig habe Moskau auch in Kursk eine neue Offensive gestartet, heißt es weiter im Telegram-Kanal von „DeepState“, demnach kommen im russischen Grenzgebiet, das die Ukraine seit Sommer des Vorjahres teilweise besetzt hat, erneut Kämpfer aus Nordkorea zum Einsatz.

Ukrainer melden erneut große Verluste bei Nordkoreanern

In den Reihen der von Diktator Kim Jong Un nach Russland entsandten Truppen gebe es erneut „die größten Verluste“, berichtete die Plattform weiter. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben derzeit nicht. Auch in anderen ukrainischen Medien war zuletzt jedoch von schweren Gefechten in Kursk die Rede.

Die Berichte zur Intensivierung der Kampfhandlungen entlang der Frontlinie decken sich zudem mit den heftigen Luftangriffen, die Moskau seit dem Ende der US-Militärhilfe für die Ukraine durchgeführt hat. Mindestens elf Zivilisten wurden demnach bei Raketenangriffen auf zivile Ziele in der Nacht auf Samstag getötet. Einigen Berichten zufolge soll dabei auch international geächtete Streumunition zum Einsatz gekommen sein.

Moskau nimmt Donald Trumps Drohung nicht ernst

Eine von Donald Trump am Freitag vorgebrachte Drohung, die US-Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, wird in Moskau unterdessen nicht ernstgenommen. Der US-Präsident hatte zunächst sowohl die US-Militärhilfe als auch die Unterstützung mit Geheimdienstdaten für die Ukraine gestrichen. Nachdem Russland darauf mit heftigen Angriffen reagiert hatte, drohte Trump Moskau kurzzeitig mit Konsequenzen.

Bereits wenige Stunden später signalisierte Trump dann jedoch erneut Verständnis für Kremlchef Wladimir Putin. „Ich denke, Putin macht, was jeder machen würde. Er attackiert sie härter als vorher. Das würde jeder in seiner Position tun“, erklärte der US-Präsident bei einer spontanen Pressekonferenz im Oval Office am Freitagabend und zeigte somit Verständnis dafür, dass Moskau die von ihm angeordnete Schwächung der ukrainischen Streitkräfte sofort für sich genutzt hat.

„Politische Rhetorik, wahrscheinlich für den internen Gebrauch“

Putin werde „großzügiger sein, als er müsste“, behauptete Trump außerdem. „Für mich ist es schwieriger, mit der Ukraine fertig zu werden als mit Russland.“ Die Ukraine habe „keine Karten auf der Hand“, führte der US-Präsident aus, nachdem er Kiews „Hand“ zuvor erneut geschwächt hatte. Wenige Stunden später folgten die schweren russischen Luftangriffe auf zivile Ziele nahe der Frontlinie.

HANDOUT - 08.03.2025, Ukraine, Dobropillja: Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellten Foto löschen Feuerwehrleute ein Feuer nach einem russischen Raketenangriff. Foto: Ukrainian Emergency Service/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Dobropillja: Auf diesem vom ukrainischen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellten Foto löschen Feuerwehrleute ein Feuer nach einem russischen Raketenangriff.

Dass Trumps zwischenzeitliche Drohung für Moskau bedeutungslos ist, hatte zuvor bereits die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa betont. Auch die bisherigen westlichen Sanktionen hätten Russland nicht davon abgehalten, „unsere Ziele zu verwirklichen“, erklärte Sacharowa laut dem US-Sender CNN.

„Trump macht den gleichen Fehler wie mit den Taliban“

Auch der Duma-Abgeordnete Anatoli Aksakow ließ daran keine Zweifel aufkommen: Trumps Worte seien „politische Rhetorik, wahrscheinlich für den internen Gebrauch“, der man „keine Beachtung“ schenke, sagte Aksakow der kremlnahen Zeitung „Moskowski Komsomlez“. Um Sanktionen schere sich Russland ohnehin nicht, fügte der Abgeordnete hinzu.

Im Westen wird die Kritik an Trumps Vorgehen unterdessen lauter. „Trump macht mit Putin den gleichen Fehler wie mit den Taliban: Er signalisiert seinem Gegenüber, dass er dringend – und zwar sofort – einen Abschluss braucht“, erklärte der Sicherheitsexperte Peter R. Neumann auf der Plattform X. Für erfolgreiche Verhandlungen müsse man jedoch den Eindruck vermitteln, „alle Zeit der Welt“ zu haben, führte Neumann aus – und diesen vermittele „aktuell Putin“.

Scharfe Kritik im Westen an Donald Trump

Noch deutlicher wurde derweil Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Moskau. „Trump vermittelt nicht bei einem Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland“, schrieb der ehemalige US-Diplomat bei X. „Stattdessen versucht er, die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen und Putin alles zu geben, was er will.“

Scharfe Kritik am Weißen Haus kam unterdessen auch aus Polen – auch wenn Premierminister Donald Tusk den US-Präsidenten dabei nicht namentlich adressierte. „Das passiert, wenn man Barbaren beschwichtigt“, schrieb Tusk mit Blick auf die jüngsten russischen Angriffe bei X. „Mehr Bomben, mehr Aggression, mehr Opfer.“

Putin: „Wir werden nicht aufgeben, was uns gehört“

„Wir werden nicht aufgeben, was uns gehört“, bekräftigte Putin unterdessen in dieser Woche. Der Kremlchef bezog sich dabei auf die von Russland zum eigenen Staatsgebiet erklärten ukrainischen Regionen, die Moskaus Armee bisher nicht vollständig erobern konnte. „Alles, was wir hier oder an der Front tun, muss einer einzigen Logik und einem Ziel untergeordnet sein – dem Sieg“, betonte der Kremlchef außerdem in martialischen Worten – Trump hin oder her.

Auch in Russlands Staatsmedien wird in diesen Tagen deutlich, dass Moskau keineswegs vorhat, die eigenen Kriegsziele in der Ukraine ausgerechnet dann aufzugeben, wenn Trump der ukrainischen Armee die Unterstützung entzieht.

Russische Staatsmedien preisen Donald Trump

So widmete sich die TV-Propagandistin Olga Skabejewa in ihrer Sendung zuletzt nicht nur den jüngst aufgekommenen KGB-Gerüchten um Trump, der in der Sendung in russischer Uniform gezeigt wurde. Sondern pries den US-Präsidenten auch für seinen aktuellen Kurs – und bekam dabei Unterstützung vom Duma-Abgeordneten Alexei Zhuravlev.

Die USA würden zwar auch in Zukunft Russlands Feind bleiben, betonte Zhuravlev, derzeit mache Trump aber „die richtigen Dinge“. Der Kurs des US-Präsidenten sei „exzellent“, freute sich der russische Politiker ausgiebig und zählte schließlich die jüngsten US-Maßnahmen gegen die Ukraine auf.

„Wir unterstützen alles, was Donald Trump gerade tut“

„Wir sollten diesem Weg folgen, der uns da angeboten wird“, betonte Zhuravlev weiter, wie aus der Übersetzung der US-Journalistin Julia Davis hervorgeht, die über die russischen Staatsmedien berichtet. Die USA würden unter Trump schließlich auch „spirituell“ eine Änderung vollziehen, lobte der Politiker demnach – und nannte den TV-Auftritt des US-Außenministers Marco Rubio mit Aschenkreuz auf der Stirn als Beispiel.

Rubio habe damit „traditionelle Werte“ unterstrichen, das sehe man in Moskau natürlich positiv, erklärte der Abgeordnete. „Wir unterstützen alles, was Donald Trump gerade tut“, fasste Moderatorin Skabeeva die Stimmungslage schließlich kurzerhand zusammen.

„Europa hat genug Geld, um das am Laufen zu halten“

Während Kreml-Politiker und TV-Propagandisten in Moskau frohlocken, gibt es in Russland jedoch auch Zweifel daran, wie groß die Vorteile durch Trumps Kurs auf dem Schlachtfeld wirklich sein werden. „Die Ukraine produziert ihre wichtigsten Angriffswaffen selbst“, hieß es in einem der Telegram-Kanäle russischer Kriegsblogger am Wochenende. „Europa hat genug Geld, um das am Laufen zu halten.“

Vielleicht würden die Europäer ihr Engagement sogar noch einmal deutlich „hochfahren“, warnte der sogenannte „Z-Blogger“ – die Ukraine befinde sich also keineswegs in einer „hoffnungslosen“ Lage. Dass der Krieg trotz Trumps Maßnahmen andauern werde, bis die „Eurokraten Trump überdauert haben“, sei nicht ausgeschlossen, so die Warnung des Russen an seine Landsleute.

Ukraine stellt sich nach Trump-Eklat hinter Selenskyj

Nur ein eklatanter Mangel an Waffen oder politisches Chaos in Kiew könnten für einen Zusammenbruch der Front in der Ukraine führen, hieß es weiter in dem russischen Telegram-Kanal. „Aber ich sehe dort keinen Zerfall – im Gegenteil, es scheint Einigkeit zu herrschen“, fügte der Blogger an.

Tatsächlich hat sich die Ukraine zuletzt hinter Präsident Wolodymyr Selenskyj versammelt. Nach dem Eklat im Weißen Haus stieg die Zustimmungsrate für den Präsidenten in der Ukraine laut jüngsten Umfragen von 57 auf 67 Prozent an.

Auch militärisch scheint Kiew den jüngsten russischen Angriffen durchaus Stand halten zu können. So sei etwa die Lage in Kursk zwar „schwierig, aber unter Kontrolle“, hieß es am Sonntag vom ukrainischen Generalstab, der den erneuten Einsatz nordkoreanischer Soldaten in der Grenzregion bestätigte. Die feindlichen Verluste seien „sehr hoch“, hieß es weiter.