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Kreml-Presse prophezeit schon Krieg„Putin will Trump als Verbündeten“ – Moskau nimmt jetzt Europa ins Visier

Lesezeit 6 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)

Trump teile Putins „Vision“, lobt der Kreml – und schießt gegen Europa. Krieg sei denkbar, raunen Moskaus Experten, und nennen ein Datum.

Seit dem Eklat im Weißen Haus zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj könnten die Signale aus Moskau kaum deutlicher sein: Nach Jahren der feindseligen Worte gegenüber Washington änderte sich der Tonfall zuletzt spürbar – und mit Europa rückt nun ein neues, zentrales Feindbild in den Fokus.

Bereits wenige Minuten nach der Eskalation im Oval Office bejubelte Ex-Präsident Dmitri Medwedew hämisch Trumps „Abfuhr“ für Selenskyj. Auch in Moskaus Propagandamedien herrschte am Wochenende einhellige Freude über Trumps „geplanten Hinterhalt“, so die Interpretation vieler russischer TV-Propagandisten.

Moskau übernimmt Trumps Vorwürfe an Selenskyj

Die haltlosen Vorwürfe, die Trump und seine Gefolgschaft nach dem Eklat gegen Selenskyj vorgebracht haben, übernahm am Samstag schließlich auch das russische Außenministerium. „Unerhört rüpelhaft“, habe Selenskyj sich verhalten, erklärte Sprecherin Maria Sacharowa, und machte sich damit die Anschuldigung von US-Vizepräsident J.D. Vance zu eigen, der Selenskyj Undankbarkeit und Respektlosigkeit vorgeworfen hatte.

Dmitri Peskow im Gespräch mit Reportern. Donald Trumps Vorgehen entspreche Moskaus „Vision“, sagte der Kremlsprecher am Sonntag. (Archivbild)

Dmitri Peskow im Gespräch mit Reportern. Donald Trumps Vorgehen entspreche Moskaus „Vision“, sagte der Kremlsprecher am Sonntag. (Archivbild)

Trumps Vorwurf, dass Selenskyj (und nicht etwa Kremlchef Wladimir Putin) bei der Verteidigung der Ukraine den Dritten Weltkrieg riskieren würde, griff Moskau ebenfalls auf: Ein „verantwortungsloser Kriegstreiber“ und die „gefährlichste Bedrohung für die Weltgemeinschaft“ sei der ukrainische Präsident, erklärte Sacharowa. Auch dass Russland an all seinen Kriegszielen festhalten werde, stellte sie bei der Gelegenheit noch einmal klar.

Kreml lobt Trumps Kurs: „Entspricht unserer Vision“

Am Sonntag kam dann von höchster Stelle Lob für Trump: „Die neue Regierung verändert rasch alle außenpolitischen Konfigurationen“, kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow den „Kurswechsel“ Washingtons im russischen TV. „Dies entspricht weitgehend unserer Vision“, fügte Putins Sprecher sichtbar gut gelaunt hinzu.

Die Bedeutung von Peskows Worten brachte ein amerikanischer Russland-Kenner auf den Punkt: „Wow!“, kommentierte Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Moskau, das Statement aus dem Kreml. Peskow wähle seine Worte üblicherweise „sorgfältig“, erklärte McFaul auf der Plattform X.

Russland-Experte: „Ein vollständiger Sieg für Putin“

Diesmal habe der Kremlsprecher nicht bloß von einer „Verbesserung der Beziehungen auf einer Win-Win-Basis“ gesprochen oder ähnliche Floskeln verwendet, erklärte der ehemalige US-Diplomat.

Stattdessen habe Peskow klargemacht, „dass Trump sich Putins Ansichten zu eigen“ gemacht habe, führte McFaul aus. Das sei „ein vollständiger Sieg für Putin“ und eine „völlige Kapitulation für Amerika“, so das Fazit des Ex-Botschafters.

Moskau setzte das Wechselspiel aus anerkennenden Worten für Trump und Hassbotschaften für Selenskyj schließlich auch in einem Interview mit Außenminister Sergej Lawrow, das von seinem Ministerium am Sonntag veröffentlicht wurde, unbeirrt fort.

Lawrow beleidigt Selenskyj: „Nazi“ und „Verräter“

Lawrow zeigte dabei noch weniger Zurückhaltung als seine Sprecherin Sacharowa zuvor: Ein „waschechter Nazi“ und ein „Verräter am jüdischen Volk“ sei Selenskyj, polterte der Außenminister Lawrow gegen den ukrainischen Präsidenten, der Jude ist. Seit Kriegsbeginn bezeichnet der Kreml die Regierung in Kiew immer wieder als „Nazi-Regime“, eine Grundlage gibt es dafür nicht.

Für Trump fand Lawrow unterdessen deutlich nettere Worte: Mit dem neuen US-Präsidenten sei es „interessant“ geworden, erklärte Lawrow. Trump sei ein „Pragmatiker“ und verleihe der Politik einen „lebendigen, menschlichen Charakter“, erklärte der dienstälteste Minister im Kabinett von Kremlchef Putin.

Moskau schwärmt von Trumps „Menschenverstand“

Donald Trump sei vom „gesunden Menschenverstand geleitet“, führte Lawrow aus. Für Washington bedeute das deshalb nun einen „Übergang zu einer anderen Art, Dinge zu tun“, erklärte der langjährige Weggefährte Putins. Hinsichtlich der Ukraine, so Lawrow, könne man nun sehen: „Der gesunde Menschenverstand Washingtons gebietet: ‚Tritt zur Seite!‘“

Moskau, so warnt der Außenminister, dürfe sich von Trump aber nicht täuschen lassen: „Make America Great Again“ sei weiterhin Trumps Ziel. Der Republikaner wolle derzeit aber vor allem beweisen, dass er „all seine Versprechen“ umsetzen könne, erklärte Lawrow. Also auch das Kriegsende.

Moskau und Elon Musk raunen schon vom Ende der Nato

Putins Propagandisten denken derweil schon weiter: Ein russischer Sieg in der Ukraine könne zum „Zusammenbruch der Nato führen“, schrieb die staatliche und in der EU verbotene Nachrichtenagentur Sputnik. Dieser propagandistische Blick in die Glaskugel könnte Moskaus nächstes Ziel für eine möglichst goldene russische Zukunft offengelegt haben.

Auch dabei könnte Trump behilflich sein: Am Sonntag stimmte Elon Musk, Tech-Milliardär und „besonderer Regierungsmitarbeiter“ des US-Präsidenten, auf seiner Plattform X der Forderung zu, dass die USA sowohl Nato als auch Vereinte Nationen verlassen sollten.

Kuschelkurs mit Trump: Moskau hat ein neues Feindbild

So verwundert es nicht, dass mit Wladimir Solowjow auch einer der populärsten TV-Propagandisten Moskaus schließlich mit in die russische Lobeshymne auf Trump mit ein- und dem Kreml zustimmte: Trumps Ansichten deckten sich „völlig mit der Sichtweise Moskaus“ – das sei durch das „Debakel“ im Oval Office nur noch deutlicher geworden, freute sich Solowjow im russischen Staatsfernsehen.

Während Moskau also mit ausgiebigen „Liebesgrüßen“ auf Trumps Kuschelkurs der letzten Wochen reagiert, kristallisiert sich das neue zentrale Feindbild des Kremls immer deutlicher heraus: „Ich möchte nicht antieuropäisch sein“, erklärte Lawrow am Sonntag in einem seiner langen Monologe in seinem Interview.

„Alle Tragödien der Welt hatten ihren Ursprung in Europa“

Die „aktuelle Situation“ bestätige jedoch die Ansicht vieler Historiker, erklärte der Außenminister. „Alle Tragödien der Welt hatten ihren Ursprung in Europa oder sind europäischer Politik zu verdanken“, führte Lawrow aus und gab somit Einblicke in Moskaus Pläne – den Westen zu spalten, Europa zu schwächen und Trump auf Putins Seite zu ziehen.

„Kolonisation, Kriege, Kreuzfahrer, Krimkrieg, Napoleon, Erster Weltkrieg, Adolf Hitler – ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass die Amerikaner weder eine anstiftende noch eine aufrührerische Rolle spielten“, erklärte Lawrow – und Trump sei dafür ein Beleg.

Kampf gegen den Westen: „Putin will Trump als Verbündeten“

Während der Amerikaner „alle Kriege beenden und Frieden“ wolle, fordere Europa eine „Fortsetzung des Festmahls in Form eines Krieges“, behauptete Lawrow dem Fakt zum Trotz, dass Russland mit dem Rückzug seiner Truppen und der Beendigung des Angriffskrieges jederzeit sofort für ein Ende der Kampfhandlungen sorgen könnte.

Die jüngsten Worte aus Moskau seien ein „interessantes Beispiel“ dafür, wie russische Propaganda funktioniere, erklärte am Sonntag der Historiker Matthäus Wehowski: „Nachdem der Kreml immer behauptet hat, dass die USA hinter allen Konflikten, Krisen und Terrorismus auf der ganzen Welt stehen würden, ist es nun Europa“, schrieb Wehowski auf der Plattform X und fügte an. „Putin will Trump als Verbündeten im Kampf gegen den Westen.“

Russischer Experte: Ab 2027 Krieg denkbar

Dieser Kampf gegen Europa könne, so heißt es in Moskauer Gazetten bereits, durchaus auch in einem „direkten Konflikt“ enden. Die Wahrscheinlichkeit für eine militärische Auseinandersetzung zwischen Europa und Russland sei bereits jetzt „sehr hoch“, erklärte etwa der russische Militärexperte Stanislav Krapivnik am Sonntag gegenüber der kremltreuen Zeitung „Moskowski Komsomolez“.

Durch den „Rückzug“ der USA sei das Risiko für einen Atomkrieg zwar gesunken, erklärte Krapivnik, aber „die Chancen eines konventionellen Krieges zwischen Russland und Europa steigen“, führte der Experte aus. Auch einen Zeitpunkt für die zukünftige Eskalation prophezeit man in Moskau bereits: Ab 2027 könne es so weit sein, erklärte Krapivnik, dann könne „jeden Moment Krieg ausbrechen“.

Eklat im Oval Office stützt Nato-Zweifel von Friedrich Merz

Auf welcher Seite Donald Trump in diesem Fall stehen würde, scheint mittlerweile noch zweifelhafter als noch vor rund einer Woche, als Friedrich Merz nach seinem Wahlsieg darauf drängte, dass Europa schnell „Unabhängigkeit von den USA“ erreichen müsse.

Mittlerweile sei klar, dass „dieser amerikanischen Regierung das Schicksal Europas weitgehend gleichgültig ist“, hatte der womöglich nächste deutsche Bundeskanzler bei „Berlin Direkt“ bereits Tage vor dem politischen Erdbeben bei Selenskyjs Besuch im Oval Office ernüchtert festgestellt.