Unser Kolumnist Klaus Larres hat gewichtige Argumente für seine Prognose zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Und er hofft, nicht falsch zu liegen.
US-WahlprognoseWarum Kamala Harris die nächste Präsidentin wird
Es ist so weit. In wenigen Tagen, vielleicht schon am Morgen des 6. November, werden wir wissen, wer in den Vereinigten Staaten für die nächsten vier Jahre regieren wird. Alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und 34 der 100 Sitze im Senat werden neu gewählt. Und dann geht es natürlich darum, wer denn nun nächster US-Präsident werden wird – die derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris von der Demokratischen Partei oder der vormalige Präsident Donald Trump, der Spitzenkandidat der konservativen Republikanischen Partei.
Für die Verwirklichung oder Blockierung umfangreicher neuer Gesetzgebungsvorhaben in den nächsten vier Jahren und für den zukünftigen Bundeshaushalt der USA ist die Sitzverteilung im Repräsentantenhaus und im Senat von allergrößter Bedeutung.
Es ist durchaus möglich, dass die Republikaner ihre derzeitige leichte Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen können. Die Demokraten werden es auch schwer haben, ihre äußerst knappe Mehrheit im Senat zu behaupten. Die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses könnte also an die Republikaner fallen.
Nächster US-Kongress muss Schuldenlast in den Griff bekommen
Der nächste Kongress muss nicht zuletzt die immer bedrohlicher ansteigende Schuldenlast der USA in den Griff bekommen. Ungeachtet von nur 4,5 Billionen Dollar Steuereinnahmen liegt der US-Bundeshaushalt derzeit bei etwa 6,2 Billionen Dollar, wovon das Pentagon knapp eine Billion für das Militär der USA erhält, etwa zwölf Prozent des gesamten Haushalts. Hinzu kommen noch mal fünf Prozent für das Veteranenministerium.
Bereits 17 Prozent des Etats werden für Zinszahlungen auf die Schulden der USA ausgegeben. Satte 48 Prozent werden allerdings derzeit für das Gesundheitswesen und die vielfältigen Sozialausgaben aufgewendet. Die Programme beider großer Parteien deuten darauf hin, dass die Ausgabefreudigkeit der USA ungebremst bleibt. Die Schuldenlast wird womöglich weiter stark steigen. Trump will drastisch Steuern senken und damit die Einnahmen des Staats kürzen, Harris will mehr für Soziales und längst überfällige Infrastrukturmaßnahmen ausgeben.
Seitdem Harris Ende Juli Präsident Joe Biden als Spitzenkandidat der Demokraten abgelöst hat, hat sich mehr und mehr eine Pattsituation zwischen den beiden großen Parteien in den USA und ihren Kandidaten eingestellt. Das gilt vor allem auch für die entscheidenden sieben „Swing states“. Es handelt sich um ein selten enges Kopf-an-Kopf Rennen. Die meisten Kommentatoren halten sich daher bedeckt und lassen sich kaum darauf ein, den Gewinner der Wahl vorherzusagen.
Dennoch. Es ist Zeit Farbe zu bekennen, selbst wenn ich mich damit der Gefahr aussetze, völlig danebenzuliegen. Meines Erachtens wird Kamala Harris die Wahl gewinnen und nächste Präsidentin der USA werden. Einige wenige, aber superwichtige Faktoren veranlassen mich zu dieser Einschätzung.
Die Wirtschaftslage
1. Die Wirtschaftslage in den USA ist sehr gut. Die Teuerungsrate hat sich deutlich auf 2,4 Prozent verringert, die Arbeitslosenquote liegt bei 4,1 Prozent, und der für den amerikanischen Verbraucher so wichtige Benzinpreis hat sich im Vergleich zum letzten Jahr um zwölf Prozent verringert. Er liegt jetzt bei durchschnittlich 3,22 Dollar für die Gallone (das sind etwa 1,2 Dollar pro Liter). Statt wie noch letztes Jahr acht Minuten und Mitte 2022 etwa elf Minuten für eine Gallone Benzin arbeiten zu müssen, reichen dafür jetzt durchschnittlich sechs Minuten.
Die Abtreibungsfrage
2. Die immer restriktiveren Abtreibungsregeln, die von den meisten republikanisch regierten Staaten eingeführt worden sind, kommen bei der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler überhaupt nicht gut an. Im Juni 2022 kippte die von Trump ernannte konservative Mehrheit des Obersten Gerichtshofs das seit 1973 in der Verfassung verankerte Recht auf Abtreibung. Selbst republikanische Frauen waren empört über diese Entscheidung. Harris setzt sich deutlich für das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper ein, während Trump sich nur vage und unklar äußert und es den einzelnen Staaten überlassen will, wie sie mit der Abtreibungsfrage umgehen.
Die Einwanderungsdebatte
3. Die im Wahlkampf immer wieder hochgespielte illegale Einwanderung in die USA, nicht zuletzt über die Südgrenze zu Mexiko, bewegt in der Tat viele Menschen. Doch letztlich betrifft das Thema nur die Wähler direkt, die in Grenznähe leben, also in Texas, New Mexico, Arizona und Kalifornien. Von ihnen ist nur Arizona ein Swing State. Während Kalifornien und – wenn auch knapper - New Mexico demokratische Staaten sind, geht die Mehrheit in Texas immer an die Republikaner. Meines Erachtens wird sich die Einwanderungsfrage daher letztlich weniger auf das Wahlverhalten der US-Bürger auswirken, als oft angenommen wird.
Der Sinn für Werte und Tugenden
4. Daneben bin ich auch davon überzeugt, dass die Mehrheit der Amerikaner allmählich die Nase voll hat von Donald Trump. Selbst Wählern, die normalerweise für die Republikaner entscheiden, gehen Trumps vulgäre, nationalistische Rhetorik und seine dramatisch-ungehemmten Angriffe auf jeden Kritiker mittlerweile auf die Nerven. Auch seine Vorliebe für ein autokratisches Regierungssystem, wie er es immer wieder selbst betont, und sein Paktieren mit den Diktatoren dieser Welt, allen voran mit Wladimir Putin, stößt viele ab.
Demokratische Werte und Tugenden sind in den USA tiefer verankert, als das in den vergangenen Monaten rübergekommen ist. Ungeachtet ihrer vielen Schwächen als Kandidatin, erscheint Harris hier doch als die bessere, wenn auch bei weitem nicht ideale Kandidatin für das Präsidentenamt. Alles in allem gehe ich daher davon aus, dass Kamala Harris am 20. Januar 2025 ins Weiße Haus einziehen wird. Und ganz ehrlich: Selten habe ich mir mehr gewünscht, nicht falsch zu liegen.