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„Unberechenbarer Partner im Weißen Haus“So reagieren internationale Medien auf die US-Wahl

Lesezeit 5 Minuten
Präsidentschaftskandidat Donald Trump freut sich während einer Wahlparty über die Entwicklungen der US-Wahl.

Präsidentschaftskandidat Donald Trump freut sich während einer Wahlparty über die Entwicklungen der US-Wahl.

Trump hat sich zum Sieger der Wahl erklärt. Auch aus Europa zeichnen sich dazu erste Meinungen innerhalb der Presse ab.

Die Wahlen in den USA sind nahezu entschieden. Trump hat sich bereits zum Sieger erklärt. In der internationalen Presse sorgt das heute Morgen für erste Reaktionen.

Die Zeitung „Wall Street Journal“ aus New York stellt sich die Frage, wie Trump seine zweite Chance als Präsident bestmöglich nutzen kann: „Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Erwartung, Trump möge Selbstbeherrschung und politischen Anstand zeigen, mehr Hoffnung als Realität ist“.

Sie urteilt deshalb: „Wenn Trump sich vorrangig an seinen Gegnern rächen will, wird er politisches Kapital vergeuden und schnell das Wohlwollen verlieren, das ihm sein Sieg eingebracht hat. Das Gleiche gilt, wenn er sich darauf konzentriert, jedem Kritiker zu antworten, der ihn beleidigt.“ Trump müsse sich stattdessen „klar auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren“. Das sei die wichtigste politische Botschaft aus den Nachwahlbefragungen.

US-Wahl: Glaube an Begeisterung von Frauen für Harris scheinbar Fehl am Platz

Wie es zu der Niederlage der Demokraten kommen konnte, versucht man bei der Londoner „Times“ zu erklären. „Die Demokraten hatten immer damit zu kämpfen, dass die Wähler mit dem Status quo unzufrieden waren. Sie konnten keine Wahlkampagne nach dem Motto ‚Das Land ist auf dem richtigen Weg‘ führen. Also versuchten sie es mit ‚Besser den Teufel, den man kennt‘. Wie es aussieht, hat sich dieser als schwächer erwiesen als die Botschaft, dass Veränderungen nötig sind.“

Die Zuversicht der Demokraten kurz vor der Wahl habe sich insbesondere aus dem Gefühl ergeben, „dass sich die weiblichen Wähler gegen Gesetze zur Einschränkung der Abtreibung auflehnen und auch das ‚Macho‘-Gehabe von Trump nicht mögen würden“. Dieser Glaube an die Begeisterung der Frauen für Harris sei scheinbar fehl am Platz gewesen. „Etwas Ähnliches hatte es 2016 mit Hillary Clinton gegeben.“

Überraschend scheint Trumps Erfolg für die niederländische Zeitung „De Telegraaf“ gekommen zu sein: „Nach dem 6. Januar 2021 dürfte es kaum noch viele Menschen gegeben haben, die auch nur einen Cent auf eine politische Zukunft von Donald Trump gesetzt haben. Schließlich hatte sich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur geweigert, seine Wahlniederlage gegen Joe Biden anzuerkennen, sondern auch einen regelrechten Volksaufstand inszeniert, um zu verhindern, dass sein Vizepräsident Mike Pence diese Niederlage offiziell macht.“

EU muss nach Trump-Sieg zusammenhalten

Was bedeutet der Wahlausgang für die EU? Bei der belgischen Zeitung „De Tijd“ scheint man sich sicher zu sein: „Die Europäer müssen sich nun auf einen unberechenbaren Partner im Weißen Haus einstellen, für den der alte Kontinent von untergeordneter Bedeutung ist.“ Er habe bereits gezeigt, dass er nicht sonderlich an internationaler Zusammenarbeit in Sachen Klima, Sicherheit oder Diplomatie interessiert sei.

„Trumps Rückkehr sollte den europäischen Politikern klarmachen, dass sie an einem Strang ziehen müssen. In Erwartung von Trump II sollten sie Maßnahmen ergreifen, um ihre Leitplanken zu verstärken, falls die Konfrontation mit Washington außer Kontrolle gerät“, fordert die Zeitung.

Die Uneinigkeit unter den EU-Staaten sei dabei alles andere als hilfreich. „Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban – dessen Land noch bis Ende dieses Jahres den EU-Vorsitz innehat – hatte vor den US-Wahlen angekündigt, dass er im Falle eines Sieges von Trump mehrere Flaschen Champagner entkorken werde.“

Weiter heißt es: „Trumps Sieg offenbart nun schonungslos die Versäumnisse der deutschen Regierung. Die Amtszeit Joe Bidens hätte diese nutzen müssen, um sich unabhängiger von den USA zu machen. Stattdessen hat sie die vergangenen vier Jahre verschlafen.“

Sorge vor weniger Unterstützung der Nato durch Trump nach US-Wahl

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Trump nach ihrer Rückkehr von einer Ukraine-Reise vor der Presse gratuliert. Die „Neue Zürcher Zeitung“ schreibt zur zukünftigen Beziehung zwischen Deutschland und den USA: „Die deutsche Regierung hatte alles auf einen Sieg von Harris gesetzt. Einen Plan B hatte sie anscheinend nicht. Das war ein Fehler.“

Deutschland habe sich zu sehr auf die Schutzmacht der USA verlassen. „Doch Trump hält nicht viel von der Nato. Für die Ukraine hat er nur vage Pläne. Ob er ihr Waffen liefern wird oder sie finanziell unterstützen will, sagt er nicht“, heißt es.

Sollten die USA ihre Hilfen für die Ukraine reduzieren, wäre Kanzler Olaf Scholz „Europas wichtigster Mann in Sachen Verteidigung – und müsste diese Führungsrolle auch ausfüllen. Bisher verhält er sich jedoch nicht so. Bei seinen Abwägungen geht es immer wieder auch darum, Putin nicht zu provozieren. Einen Zauderer an der Spitze kann sich Europa in Zeiten des Krieges jedoch nicht leisten“.

Elon Musk will nach Sieg von Trump bei US-Wahl den Staat schrumpfen

Den Einfluss des Tech-Milliardärs Elon Musk auf den Wahlausgang betonte die Wirtschaftszeitung „Hospodarske noviny“ aus Tschechien. Ein Sieg von Donald Trump sei „zu einem nicht geringen Teil der Verdienst“ von Musk. „Dieser unterstützt Trump offen – und als reichster Mensch der Welt und Herr über das soziale Netzwerk X kann er auch die entsprechenden Hebel in Bewegung setzen.“

Ihm winke zudem eine Belohnung: „Musk soll Chef einer Kommission für Regierungseffizienz werden.“ Diese solle „kein zahnloser Debattenzirkel werden, sondern eine Kreissäge, welche unter dem Taktstock des Milliardärs die föderalen Strukturen bis auf die Knochen zersägt“. Musk träume von „drastischen Einschnitten“, die „die Funktionsfähigkeit des Staates beeinträchtigen würden“. Bei Trump-Wählern könne das in Zukunft „große Enttäuschung“ hervorrufen.

Warnung vor Desinformation nach US-Wahl aus Deutschland

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat internationale Korrespondentinnen und Korrespondenten in den USA davor gewarnt, Desinformation und Lügen des vor der Wiederwahl zum US-Präsidenten stehenden Donald Trump auf den Leim zu gehen. Sowohl Trumps Präsidentschaft von 2017 bis 2021 als auch der zurückliegende Wahlkampf hätten gezeigt, dass Lügen, Verzerrungen und Diffamierungen zur rhetorischen Grundausstattung des Politikers gehörten, erklärte der Verband am Mittwoch in Berlin.

„Wir Journalistinnen und Journalisten stehen bei einer zweiten Präsidentschaft von Trump in der besonderen Verantwortung, jeden Satz, jedes Wort von ihm auf den Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Nichts deute darauf hin, dass sich Donald Trump nach Amtsantritt ändere. (lig mit dpa/afp)