In zahlreichen Städten der USA demonstrieren Zehntausende am Presidents Day gegen Donald Trumps autokratische Regierungspolitik.
„Entsorgt Trump“Protest gegen „Staatsstreich“ des Präsidenten – Lebenszeichen des liberalen Amerika

Demonstranten wenden sich in Washington am Montag (17. Februar) gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump
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In der rechten Hand trägt sie das Modell einer Fackel. Mit der linken hält Renee Alexander ein Plakat hoch. „We the People. Not I the King“ (Wir, das Volk. Nicht ich, der König) steht darauf – ein unmissverständlicher Hinweis auf die republikanischen Wurzeln der USA wie auch das Outfit, das die ehemalige Französischlehrerin gewählt hat: Mit einem türkisfarbenen Umhang und einer markanten Krone verkörpert sie Miss Liberty.
„Die Statue kommt aus Frankreich. Sie steht für Freiheit und ein Land, das fremde Menschen freundlich begrüßt“, begründet Alexander ihre Kostümwahl. Das alles sieht die Frau aus Virginia Beach, die gerade Großmutter geworden ist, unter der Trump-Regierung nun in Gefahr: „Ich mache mir große Sorgen.“ Deswegen ist sie an diesem Montag dreieinhalb Stunden nach Washington gefahren, um vor dem Kapitol gegen den Präsidenten und seine autokratische Willkür zu protestieren.
Protest gegen Trump: „Meine Eltern sind Staatsdiener, keine Parasiten“
Der Wind bläst eisig an diesem Mittag. Es gibt keine Bühne, keine Redner, keine Lautsprecher. Trotzdem haben sich vor den Reflecting Pools ein paar Tausend Menschen eingefunden. Sie halten Plakate mit Aufschriften wie „Dump Trump“ (Entsorgt Trump), „Stop the Coup“ (Stoppt den Staatsstreich), „Make America Think Again“ (Bringt Amerika wieder zum Denken) oder „My parents are public servants not parasites“ (Meine Eltern sind Staatsdiener, keine Parasiten).
Sie skandieren „Fuck you, Elon!“ mit unfreundlichen Grüßen an den Milliardär Elon Musk und fordern den Kongress auf, endlich gegen den brachialen Kahlschlag der Verwaltung einzuschreiten: „Congress, do your job!“ Manche laufen in der Kälte auf und ab, andere stehen in Gruppen zusammen und singen „We shall overcome“ – die trotzige Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung.
Keine große Partei oder Gewerkschaft hat die Demonstranten vor den Sitz des Parlaments gebracht, sondern eine Graswurzelorganisation mit dem ominösen Namen „50501″ – was für 50 Proteste in 50 Bundesstaaten von einer Bewegung steht. Über Internetplattformen sind Zeit und Orte der Versammlungen bekanntgegeben worden.
Und so gehen an diesem Montag, der in den USA offiziell als „Presidents Day“ begangen wird, in vielen Städten der USA von Seattle bis Boston tatsächlich Menschen „gegen die antidemokratischen und illegalen Aktionen der Trump-Regierung“ auf die Straße. Es sind keine Millionen, aber nach vier merkwürdig ruhigen Wochen ist es ein erstes Lebenszeichen der amerikanischen Zivilgesellschaft.
Proteste gegen Musk und Trump: „Wir können uns keine Apathie erlauben“
„Der 20. Januar hat uns alle umgehauen“, sagt Linda Vogan, die mit ihrem Bruder Bob Schnabel und dessen Frau Stephanie Stullich aus einem Vorort in Maryland zur Demo gekommen ist: „Aber jetzt müssen wir aufstehen. Wir befinden uns im Kampf unseres Lebens. Da kann man sich keine Apathie erlauben.“ Der Protest am Presidents Day, den die Veranstalter in „No Kings Day“ umbenannt haben, sei „ein Anfang“.
Das sieht ihre Schwägerin genauso. Bis vor drei Jahren hat Stullich im Washingtoner Bildungsministerium gearbeitet und dort die wissenschaftliche Evaluierung von Unterrichtsmethoden betreut. „Vor einer Woche ist Elon Musk in mein altes Büro marschiert und hat alle Verträge mit externen Forschungspartnern gekündigt“, berichtet die Pädagogin. Nach der Zerstörung der Entwicklungshilfebehörde USAID steht das Bildungsministerium ganz oben auf der Liquidationsliste von Trumps entfesseltem Kostenkiller.
„Ich bin besorgt um meine Kollegen“, sagt Stullich: „Aber mehr noch sorge ich mich um das ganze Land.“ Amerika, klagt die Pensionärin, scheine in eine „Ära der kompletten Empathielosigkeit“ abzudriften: „Die Menschen kümmern sich nur noch um sich selbst.“
„Eine Kultur der Angst und Einschüchterung“ unter Trump
Wie sich das für die Betroffenen anfühlt, die gerade zu Zehntausenden ihre Jobs verlieren, weiß David Black, der mit seiner Frau Oliya Zamaray ein paar Schritte weiter steht. Das Paar ist von Trumps Politik doppelt betroffen: Black vertritt als Anwalt Firmen, die von Aufträgen der Regierung abhängen und nun Beschäftigte auf die Straße setzen müssen. Seine aus der Ukraine stammende Frau hat Vettern und Cousinen in Kiew und sorgt sich um deren Zukunft.
„Das ist für viele Menschen eine furchtbar stressige Zeit“, berichtet Black. Im Staatsapparat habe „eine Kultur der Angst und Einschüchterung“ Einzug gehalten. Seine Klienten, die von dem plötzlichen Ausgabenstopp betroffen seien, wüssten nicht, was sie machen sollen: „Es herrscht das totale Chaos.“ Freunde des Ehepaars haben freiwillig ihre Beamtenjobs aufgegeben und müssen nun eine neue Existenz beginnen: „Sie wollen nicht zu Komplizen dieser Regierung werden.“
Aber wie soll es weitergehen mit dem Land, das nach Einschätzung vieler hier am Rande einer Diktatur steht? „Zu viele Menschen interessieren sich nicht für Politik“, sagt die Französischlehrerin Alexander: „Wenn nun so viele ihren Job verlieren, könnte sich das ändern“, hofft sie. Ex-Pädagogikforscherin Stullich argumentiert, viele Amerikaner hätten Trump gewählt, weil sie auf einen Rückgang der Inflation hofften. Tatsächlich werde er mit seinen Zöllen die Preise nach oben treiben: „Hoffentlich werden dann einige wach, die sich bislang nur um ihr Portemonnaie kümmern.“
Das sind vage Hoffnungen. Bislang ist der Widerstand gegen Trumps Entmachtung der demokratischen Institutionen eher zaghaft. „Die Menschen heben ihre Energie auf“, glaubt Anwalt Black: „Sie gehen auf die Straße, um für ihre Werte zu demonstrieren. Aber den Wechsel müssen wir bei den Zwischenwahlen 2026 schaffen.“ Stullichs Ehemann Bob Schnabel sieht die Zukunft finsterer: „Ich glaube nicht, dass das gut endet“, sagt der Ex-Soldat: „Irgendwann wird es Gewalt geben.“