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Abschiebungen inszeniert wie ThrillerTrump darf Migranten weiter in Gefängnis-Gulag deportieren

Lesezeit 4 Minuten
Gefangene schauen aus ihrer Zelle, während Heimatschutzministerin Kristi Noem das Terroristengefängnis in Tecoluca, El Salvador, besichtigt.

Gefangene schauen aus ihrer Zelle, während Heimatschutzministerin Kristi Noem das Terroristengefängnis in Tecoluca, El Salvador, besichtigt.

Der Supreme Court der USA hebt mit knapper rechter Mehrheit zwei Richter-Sprüche aus formalen Gründen auf. Der Präsident triumphiert. 

Der Präsident inszenierte die Abschiebung wie einen Thriller. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte Donald Trump am 14. März zunächst ein Kriegsgesetz von 1798 wieder in Kraft gesetzt, das die Ausweisung von Ausländern aus „feindlichen Nationen“ ohne Gerichtsverfahren erlaubt. Am nächsten Tag ließ er mehr als 200 angeblich schwerkriminelle venezolanische Migranten in drei Flugzeuge verfrachten. Mit Handschellen gefesselt wurden sie in ein berüchtigtes Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador gebracht, wo man ihnen vor laufenden Kameras die Haare abrasierte.

Die Bilder gingen um die Welt. Trump, der mit seiner harten Haltung zur Einwanderungsfrage den Wahlkampf gewonnen hat, war zufrieden. Andere waren schockiert. Noch während der Aktion ordnete ein Richter in Washington die Rückkehr der Flugzeuge an. Inzwischen ist klar, dass zumindest ein Abgeschobener nicht – wie von der Regierung pauschal behauptet – Mitglied des Verbrecherkartells Tren de Aragua ist und „irrtümlich“ deportiert wurde. Doch es passiert: nichts.

In zwei Entscheidungen hat der Supreme Court am Montag mit knapper Mehrheit anderslautende Urteile untergeordneter Bundesgerichte kassiert und Trump zumindest vorläufig den Rücken gestärkt.

Das liberale Amerika ist entsetzt

Zwar beziehen sich beide Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auf prozedurale Fragen. Doch sie entziehen dem Washingtoner Richter James Boasberg, der weitere derartige Abschiebungen untersagt hatte, die Zuständigkeit. Der Jurist war von der Trump-Regierung und ihrem Gehilfen Elon Musk persönlich attackiert worden und braucht seither Personenschutz.

Außerdem wird die Anordnung der in Maryland ansässigen Bundesrichterin Paula Xinis für die sofortige Rückführung des versehentlich ausgeflogenen Migranten Kilmar Albrego Garcia aufgehoben. Im ersten Fall argumentiert der Supreme Court, die Klage sei am falschen Ort abgegeben worden, weil die Abschiebung aus Texas erfolgte. Im zweiten Fall strichen die Verfassungsrichter die Frist, um sich ausführlicher mit dem Fall beschäftigen zu können.

Das liberale Amerika ist entsetzt. „Das Gericht sollte nicht die Bemühungen der Regierung belohnen, die Herrschaft des Rechts zu untergraben“, kritisierte die den Demokraten nahestehende Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor die Entscheidung ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sotomayor gehörte zu den vier Richtern, die gegen die Beschlüsse stimmten.

Doch fünf der sechs rechten Richter am Supreme Court verhalfen der Trump-Regierung zu einer Mehrheit. Entsprechend jubelte der Präsident auf seiner Propagandaplattform „Truth Social“ in Großbuchstaben:  „Das ist ein großer Tag für die Gerechtigkeit in Amerika!“

Abgeschobene wurden fast vier Wochen in Gulag festgehalten

Juristisch ist die Sache allerdings nicht so eindeutig. So bezieht sich der erste Spruch im Wesentlichen auf den Ort des Verfahrens. Alle neun Verfassungsrichter seien sich einig gewesen, dass die Migranten vor ihrer Abschiebung über das Ziel der Deportation informiert und die Gelegenheit zur gerichtlichen Anfechtung hätten erhalten müssen, erklärte Richter Brett Kavanaugh. Beides war nicht passiert. Die Betroffenen können nun ihren Fall in Texas erneut zur Verhandlung bringen.

Für die zu Unrecht Abgeschobenen unter den angeblichen Schwerkriminellen, die seit fast vier Wochen in dem lateinamerikanischen Gefängnis-Gulag festgehalten werden, ist das ein schwacher Trost. Besonders krass ist der Fall des Salvadorianers Abrego Garcia, der am 12. März in Maryland von der Ausländerpolizei ICE verhaftet wurde, als er seinen Sohn bei den Großeltern abholte. Er wurde nach Louisiana und dann nach Texas gebracht. Drei Tage später saß er in einem der Abschiebeflugzeuge.

US-Regierung räumt „administrativen Fehler“ bei Abschiebung ein

Dabei besaß der Geselle in einem metallverarbeitenden Betrieb einen Abschiebeschutz. Er war 2012 als Jugendlicher ohne Papiere in die USA eingereist. Der Asylantrag wurde 2019 abgelehnt, doch dem mit einer Amerikanerin verheirateten Salvadorianer wurde wegen drohender Verfolgung eine Duldung aus humanitären Gründen gewährt. In seiner Heimat wird der familiäre Tortilla-Betrieb nach US-Medienberichten von einer kriminellen Bande schikaniert, deren Mitglieder nun in demselben Hochsicherheitsgefängnis wie Garcia sitzen.

Die amerikanische Regierung hat einen „administrativen Fehler“ bei der Abschiebung eingeräumt. Trotzdem weigert sie sich, den Mann aus dem Gefängnis zu holen. Angeblich fehlen ihr dazu die Befugnisse. „Warum können die Vereinigten Staaten ihn nicht zurückholen?“, hatte Richterin Xinis bei einer Anhörung gefragt. „Ich bin auch frustriert und habe keine Antwort auf diese Fragen“, hatte der Anwalt der Trump-Regierung ehrlich geantwortet. Kurz darauf wurde er beurlaubt.

Nun behauptet das amerikanische Justizministerium, Garcia gehöre zwar nicht zur Terrororganisation Tren de Aragua, wohl aber zu der Bande MS-13. „Ganz gleich, ob in El Salvador oder in den USA - er wird weggesperrt“, erklärte Staatssekretärin Tricia McLaughlin. Belege für ihren Vorwurf hat die Regierung nicht präsentiert. „Das ist meiner Meinung nach nur Geschwätz“, erklärte Richterin Xinis.