Vergewaltigungen im KrankenhausSPD fordert Justizministerium zu Stellungnahme auf
Düsseldorf – Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag fordert das Justizministerium auf, beim nächsten Rechtsausschuss einen Bericht zu dem Ermittlungsstand um die Taten des Serienvergewaltigers Philipp G. vorzulegen. Das Justizministerium habe im Ausschuss angegeben, die Opfer des Vergewaltigers seien über die Taten informiert, schreibt die SPD in einer Pressemitteilung.
Zahlreiche mutmaßliche Betroffene wurden jedoch nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und des ARD-Politmagazins „Kontraste“ offenbar bis heute nicht von den Behörden kontaktiert.
SPD spricht von „Fehlerserie bei den Ermittlungen“
„Augenscheinlich geht die Fehlerserie bei den Ermittlungen weiter“, sagt Sonja Bongers, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag. „Die betroffenen Frauen dürfen nicht erneut zu Opfern werden.“
Der Assistenzarzt Philipp G. hatte Dutzende Frauen betäubt, gefilmt und vergewaltigt. 29 seiner Opfer waren zum Tatzeitpunkt Patientinnen im Bielefelder Klinikum Bethel. Nach seiner Verhaftung im September 2020 beging er Suizid. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin gegen die Vorgesetzten von Philipp G., stellte das Verfahren jedoch ein, ohne alle im Klinikum vergewaltigten Frauen zu informieren.
Ermittlungen nach Duisburg übertragen
Daraufhin entzog das Justizministerium Bielefeld den Fall und übertrug die Ermittlungen nach Duisburg. Die dortige Staatsanwaltschaft schickte im Januar 2022 Polizisten zu den Häusern von allen im Klinikum Bethel vergewaltigten Frauen. Wie sich bei der Obduktion herausstellte, hatte Philipp G. Geschlechtskrankheiten.
Nach einer gemeinsamen Recherche des „Kölner Stadt-Anzeigers“ und des ARD-Politmagazins „Kontraste“ missbrauchte Philipp G. auch Frauen außerhalb des Klinikums. Er erstellte Videos von der Vergewaltigung bewusstloser Frauen, die den Ermittlungsbehörden vorliegen. 29 davon sind Opfer aus Bethel. Zudem führte G. eine Liste mit 80 Frauennamen.
Notizen neben dieser Liste lassen darauf schließen, dass G. all diese Frauen nötigte oder vergewaltigte. Es liegt nahe, dass immer noch nicht alle Frauen wissen, was ihnen widerfahren ist. Die Staatsanwaltschaft schrieb: „Die Prüfung, ob es auch außerhalb des Klinikums zu Straftaten des Verstorbenen gekommen ist, dauert noch an.“
„Dass wir jetzt durch die Medien neue Informationen erhalten, ist inakzeptabel“
Im Landtag beschäftigt sich der Rechtsausschuss seit Bekanntwerden von Philipp G.s Verbrechen mit dem Fall. Zuletzt war Philipp G. am 14. September Thema im Ausschuss. Von weiteren Opfern sei da laut der SPD-Fraktion keine Rede gewesen. „Die Unterrichtung sei bei allen Verletzten zu dem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen, als er (ein Vertreter des Justizministeriums) am 30. März 2022 im Rechtsausschuss vorgetragen habe“, steht laut SPD im Ausschussprotokoll.
Die SPD-Fraktion hat als Reaktion auf die Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeigers“ und „Kontraste“ einen schriftlichen Bericht des Justizministeriums für die Sitzung des Rechtsausschusses am 26. Oktober beantragt. Darin soll das Ministerium Stellung zu der Berichterstattung beziehen und offenlegen, wie viele Opfer inzwischen informiert wurden. Es sei „irritierend“, dass der Justizminister in der letzten Ausschusssitzung nicht über die neuen Erkenntnisse zum Ermittlungsstand berichtet hat, so Sonja Bongers. „Dass wir jetzt durch die Medien neue Informationen erhalten, ist inakzeptabel. Es handelt sich hier offensichtlich um einen Fall, der in der Geschichte des Landes seinesgleichen sucht.“
Justizministerium wehrt sich gegen Vorwürfe
Das Justizministerium wehrt sich gegen die Vorwürfe: Die Mitglieder des Rechtsausschusses seien im März darüber informiert worden, „dass die identifizierten Opfer“ unter Beteiligung der Opferschutzbeauftragten NRWs informiert wurden. Im Rechtsausschuss am 14. September habe ein Beamter des Ministeriums zudem darauf hingewiesen, dass große Mengen an sichergestellten Daten noch ausgewertet werden.
„Er hat im Rechtsausschuss weiter ausdrücklich erklärt, dass sich im Anschluss an die Auswertung der horrenden Fülle an Daten weitere Anschlussfragen und Ermittlungsschritte ergeben könnten“, so das Justizministerium. Vor der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses werde die leitende Oberstaatsanwältin in Duisburg dem Justizministerium darüber berichten, ob weitere Opfer identifiziert und unterrichtet wurden.
Staatsanwaltschaft bestätigt, dass G. Frauen außerhalb des Klinikums missbrauchte
In einer Pressemitteilung bestätigt die Staatsanwaltschaft nun, dass sich auf der bei Philipp G. gefundenen Liste 80 Frauennamen befinden. Zudem liegen der Behörde Videos von 16 Frauen vor, die nicht im Klinikum Bethel entstanden sind. Darunter seien jedoch auch Videos, die einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zeigen. Die Staatsanwaltschaft geht zudem davon aus, dass ein Großteil der auf der Liste vermerkten Frauen nicht Opfer einer Straftat wurden. Gleichwohl bestätigte die Staatsanwaltschaft: Die Videos zeigen, dass Philipp G. auch außerhalb des Klinikums Sexualverbrechen beging.
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Die Staatsanwaltschaft Duisburg betont, alle identifizierbaren Sexualkontakte von Philipp G. zu kontaktieren und dabei auch über seine Geschlechtskrankheiten zu informieren. „Die Identifizierung der Sexualpartnerinnen im privaten Bereich stellt sich indes ungleich schwieriger dar, als die Ermittlung der Patientinnen des Klinikums Bethel“, schreibt die Staatsanwaltschaft. „In vielen Fällen wird diese voraussichtlich auch gar nicht möglich sein.“ Die Namensliste sei „lediglich rudimentär“ geführt, G. verwendete oft Spitznamen, Berufsbezeichnungen oder kompromittierende Bezeichnungen.
Zudem sind manche Videos nur kurz und von schlechter Qualität. „Während im Hinblick auf die im Klinikum erfolgten Taten zumindest ein Abgleich mit Patientendaten durchgeführt werden konnte, stehen solche objektiven Quellen im privaten Bereich nicht zur Verfügung“, so die Staatsanwaltschaft. Deshalb könne die Staatsanwaltschaft bis heute nicht sagen, wie viele Frauen G. im privaten Bereich missbrauchte. Die Identifizierung und Informierung der Frauen dauere deshalb noch an.