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EU-ParlamentViktor Orban muss nach seiner Rede scharfe Kritik einstecken – und reagiert mit Lachen

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Der ungarische Ministerpräsident und EU-Ratspräsident Viktor Orban hält am Mittwoch (9. Oktober) eine Rede im Plenarsaal des Europäischen Parlaments.

Der ungarische Ministerpräsident und EU-Ratspräsident Viktor Orban hält am Mittwoch (9. Oktober) eine Rede im Plenarsaal des Europäischen Parlaments.

Der Rechtspopulist habe in seinem Land eine Hintertür für China geöffnet und bereichere sich auf Kosten der Steuerzahler, so die Abgeordneten

Viktor Orban lachte bei jeder Rede im EU-Parlament, in der ihm seine katastrophale Regierungsführung in allen Details vor Augen geführt wurde. Er lachte an diesem Mittwochmorgen viel und lange, dabei ist die Situation bitterernst. Der Rechtspopulist war ins Parlament nach Straßburg gekommen, um seine Ambitionen für die sechsmonatige Ratspräsidentschaft vorzulegen. „Die EU muss sich verändern“, rief Orban den Abgeordneten im Plenarsaal zu. Das sei das Wichtigste.

Der 61-Jährige gab in seiner Rede den großen Staatsmann. Er warb für weniger Regulierungen und mehr billige Energie, für weniger Handelsstreit mit China und mehr Abweisungen an den EU-Außengrenzen. Orban sagte, er wolle als Katalysator die Probleme ansprechen und Vorschläge machen, zum Beispiel für Frieden in der Ukraine. Mit eigenmächtigen „Friedensgesprächen“ in Moskau, Kiew und Peking hatte er für Empörung in der EU gesorgt. „Ihre Reise war niemals eine Friedensmission. Es war eine große Propagandashow für Autokraten“, stellte EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) am Mittwoch klar. Er warf Orban vor, in seiner Ratspräsidentschaft nichts zustande zubringen. „Sie sind heute isoliert, Sie sind auf dem Abstellgleis.“

Orban kündigte vor halbleeren Rängen an, einen neuen europäischen Deal für Wettbewerbsfähigkeit beim informellen EU-Gipfel in Budapest verabschieden zu wollen. Bei digitaler Technologie hänge man den USA hinterher. Die EU-Unternehmen gäben für Forschung und Innovation nur halb so viel aus wie US-Konzerne. Europa müsse wieder wettbewerbsfähig werden.

Von der Leyen teilt gegen Orban aus

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die selbst die Wettbewerbsfähigekeit zu einem ihrer Ziele für die nächsten Jahre ausgerufen hat, ließ dem Rechtspopulisten das nicht durchgehen. Orbans Regierung habe den entgegengesetzten Kurs der EU eingeschlagen, sagte sie und warf dem 61-Jährigen vor, für das wirtschaftliche Desaster in seinem Land selbst verantwortlich zu sein.

„Wie kann eine Regierung mehr europäische Investitionen anziehen, wenn sie gleichzeitig europäische Unternehmen diskriminiert, indem sie sie stärker besteuert als andere? Oder über Nacht Exportbeschränkungen verhängt?“, fragte von der Leyen. „Wie sollen europäische Unternehmen Vertrauen haben, wenn eine Regierung sie willkürlich kontrolliert oder ihre Genehmigungen blockiert und wenn öffentliche Aufträge meistens an eine kleine Gruppe von Begünstigten gehen?“

Mit scharfen Worten kritisierte von der Leyen, dass Orban billige Energie forderte und entgegen den Bemühungen aller anderen EU-Staaten seine Abhängigkeit von russischem Öl und Gas erhöht. „Anstatt nach alternativen Energiequellen zu suchen, suchte insbesondere ein Mitgliedstaat nur nach alternativen Wegen, um fossile Brennstoffe aus Russland zu kaufen“, kritisierte sie. Und wie könnte es sein, dass die ungarische Regierung der chinesischen Polizei erlaubt, in Ungarn tätig zu sein? „Das ist eine Hintertür für ausländische Einmischung“, warnte die EU-Chefin.

Orban bezeichnete von der Leyen daraufhin als politische Waffe, die gegen Patrioten eingesetzt werde. Er lehne voll und ganz ab, was von der Leyen gesagt habe.

„Ein echter Patriot bereichert sich nicht auf Kosten des Vaterlandes“

Laute Buhrufe erntete Orban, als er im Parlament über Geflüchtete herzog. Die Migranten seien schuld, dass es mehr Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und Homophobie gebe, behauptete der Rechtspopulist. Er forderte erneut „Migrantenhotspots“ in Drittstaaten, wo Asylanträge geprüft und Migranten abgewiesen werden. Der Applaus der rechten und rechtsextremen Abgeordneten nach seiner Rede ging in anhaltenden Protestchören unter.

Wie könne Orban von Homophobie und Gewalt gegen Frauen sprechen, wenn er die Rechte zu deren Schutz in Ungarn selbst massiv beschneide, erwiderte die Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez, in ihrer Brandrede. Wisse er, was er mit seinem Hass gegen Minderheiten anrichte? Welche Werte vertrete er denn, wenn er sich mit einem Tyrannen wie Putin trifft, gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen der Deportation tausender ukrainischer Kinder vorliegt? Orban sei ein „falscher Patriot“, sagte sie angesichts der grassierenden Korruption in Ungarn. „Ein echter Patriot bereichert sich nicht auf Kosten des Vaterlandes.“

Auch Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan warf Orban vor, sein Land sei unter seiner Regierung zum korruptesten Land in der EU geworden. „Um diese Korruption zu verschleiern, werden Minderheiten und Geflüchtete zu Sündenböcken gemacht und Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt.“ Grünen-Politiker Daniel Freund bezeichnete Orban als „Diktator“. Er und seine Freunde hätten Milliarden EU-Geldern gestohlen, mit denen in Ungarn Straßen repariert und Schulen gebaut werden sollten. Er forderte einen europäischen Haftbefehl gegen Orban.