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Kommentar

Flüchtlingspolitik
Der Merz-Vorstoß zur AfD bringt die Grünen endgültig an Grenzen

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Lesezeit 2 Minuten
25.01.2025, Baden-Württemberg, Stuttgart: Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, spricht bei einer Wahlkampftveranstaltung in der Carl Benz Arena zu Gästen und Parteimitgliedern. Foto: Christoph Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, spricht am Samstag (25. Januar) bei einer Wahlkampfveranstaltung in Stuttgart.

Eine inhaltliche Debatte über eine schwarz-grüne Koalition ist bei den Grünen eigentlich tabu. Doch die Hinwendung von Merz zur AfD ist ein Problem.

Das strategische Dilemma der Grünen wurde am Freitag vollends offenbar. Da sagte der kluge Vizechef der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, die jüngsten Vorschläge des Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz zur Flüchtlingspolitik seien „weder verfassungs- noch europarechtskonform“, und fügte hinzu: „Merz wandelt offenkundig auf den Spuren von Donald Trump.“

Das Dilemma besteht darin, dass der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck fest entschlossen ist, diesen Merz zum Kanzler zu wählen, wenn sich keine andere Machtperspektive bietet. Beides passt nicht zusammen.

Habeck hat völlig recht mit seiner Kritik am politischen Showgeschäft, wo Konflikte besonders vor Wahlen geschürt werden und Demokraten nach Wahlen immer häufiger feststellen, dass sie auch über Lagergrenzen hinweg kooperieren müssen, um die Demokratie am Leben zu erhalten.

Klimaschutz ist nur noch Bückware

Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die grüne Kampagne schon jetzt nicht besonders grün ist. Die Ökopartei hat sich zur reinen Wirtschaftsförderungspartei geschrumpft. Das können andere besser. Selbst der Klimaschutz ist zur Bückware unterhalb der Ladentheke herabgestuft.

Dabei geht Habecks Konfliktvermeidung gegenüber der Union zulasten des eigenen Profils. Bei seinen Kundgebungen stellt er dem Publikum Großes in Aussicht. Doch die Substanz bleibt hinter der Rhetorik weit zurück. Denn wenn man die Unionsäußerungen zum Nennwert nimmt, dann besteht das Große am Ende darin, dass Schwarz-Grün den Klimaschutz rückabwickeln und in der Sozialpolitik Einschnitte vornehmen würde, die grünen Prinzipien zuwiderlaufen.

In der Gesellschaftspolitik haben beide Parteien ohnehin keine Berührungspunkte. Es gibt bloß ein starkes grünes Argument für eine solche Option: das gemeinsame Plädoyer für einen starken Westen, für EU und Nato. Es wäre auch kein anderer Stil zu erwarten. Mit dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder könnte es vielmehr noch schlimmer kommen als in der Ampel.

Grüne äußern sich kaum noch zur Flüchtlingspolitik

Auf Einwände warnen Grüne vor „Ausschließeritis“ und sagen: „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen.“ Sie fürchten jede Formulierung eines inhaltlichen Mindestanspruchs wie der Teufel das Weihwasser. Merz‘ neue Bereitschaft, bei der Flüchtlingspolitik auf AfD-Stimmen zu bauen, lässt die Kluft unüberbrückbar werden. Zwar haben sich die Grünen auf dem Themenfeld längst selbst stummgeschaltet. Doch mit Merz eine AfD-light-Agenda abarbeiten – das dürften sogar die Grünen nicht wollen.

Habeck hofft noch. „Man darf sich nicht von seinen Emotionen wegreißen lassen“, sagte er jetzt mit Blick auf Merz. Als wisse der nicht, was er tue. Nur: Eine Partei, die unterwegs ist zu so ganz anderen Ufern, wird auch der grüne Kanzlerkandidat bei allem Machtwillen nicht aufhalten können, ohne die Würde der eigenen Partei zu beschädigen.