Die Unionsfraktion will Anträge zur Migrationspolitik in den Bundestag einbringen. Ob die AfD zustimmt, ist Kanzlerkandidat Friedrich Merz egal.
„Das ist politischer Selbstmord“Union nimmt bei neuen Migrationsanträgen AfD-Stimmen in Kauf
Die Unionsfraktion im Bundestag will nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mehrere Anträge zur Migrationspolitik in den Bundestag einbringen, mit dem Ziel, die Grenzen für Flüchtlinge zu schließen – und dabei in Kauf nehmen, dass es Mehrheiten mit der AfD geben könnte.
Bei dem Angriff eines eigentlich ausreisepflichtigen afghanischen Asylbewerbers auf eine Kindergartengruppe mit einem Küchenmesser wurden ein Kleinkind und ein zur Hilfe eilender Mann getötet und weitere Menschen teils schwer verletzt.
Friedrich Merz: „Werden Anträge einbringen, unabhängig davon, wer zustimmt“
„Wir werden nächste Woche in den Deutschen Bundestag Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen“, sagte der Unionsfraktionsvorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Er fügte hinzu: „Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt.“
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Merz betonte, dass CDU und CSU „keinem einzigen AfD-Antrag“ zustimmen würden. „Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen.“ Dies bedeute erstens: „Wir gehen mit denen nicht zusammen in eine Regierung. Zweitens: Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge.“ Dies gelte auch für das BSW von Sahra Wagenknecht. „Punkt. Da wird sich gar nichts ändern.“
Linnemann: „Das Nazi-Bashing gegen die und das Brandmauergerede müssen aufhören“
Nur wolle er auch keine Rücksicht mehr darauf nehmen, welche anderen Fraktionen eventuell Anträgen der Union zustimmen würden, so Merz weiter. Union, FDP, AfD und BSW kämen im Bundestag auf 372 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 367 Stimmen. Freilich ist unklar, ob es überhaupt noch zu einer Abstimmung kommen wird.
Merz – der zuletzt ebenfalls erklärt hatte, im Fernsehen lieber mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel als mit Kanzler Olaf Scholz debattieren zu wollen – hatte am Donnerstag für den Fall seiner Wahl zum Kanzler deutlich mehr Abschiebungen und ein „faktisches Einreiseverbot“ versprochen. Dies soll auch für Asylbewerber mit Schutzanspruch gelten. Er verdeutlichte, dass es sich dabei um Bedingungen für mögliche Koalitionspartner handelt, und formulierte: „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht.“
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte bei einem Auftritt im Landkreis Paderborn zur AfD: „Das Nazi-Bashing gegen die und das Brandmauergerede müssen aufhören. Diese Partei steht auf dem Wahlzettel. Ja, da sind auch Rassisten dabei, aber sie werden durch Nazi-Vergleiche und Brandmauergerede nur noch bedeutender.“
Kontantin von Notz: „Merz wandelt auf den Spuren von Donald Trump“
Grünen-Chef Felix Banaszak verlangte eine Klarstellung von Merz und verwies auf die Reaktion von Weidel, die in einem offenen Brief an Merz appelliert hatte, in der Migrationspolitik zusammenzuarbeiten. Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz erklärte, Merz’ Vorschläge seien größtenteils „weder verfassungs- noch europarechtskonform. Merz wandelt offenkundig auf den Spuren von Donald Trump.“
Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, reagierte in einem Video auf X und erinnerte an das Wort, das Friedrich Merz gegeben habe. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es unter dessen Führung mit der CDU nicht geben, habe Merz betont, so Habeck. „Ich nehme Friedrich Merz beim Wort. Und dieses Wort darf nicht gebrochen werden.“ Habeck fürchte allerdings, dass Merz kurz davor sei, genau das zu tun.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese erwartet nach eigenen Worten „eine glasklare Distanzierung von CDU und CSU zu einer irgendwie gearteten Zusammenarbeit mit der AfD hier im Deutschen Bundestag. Alles andere wäre das Ende der Brandmauer.“
AfD: Tino Chrupalla reagiert skeptisch auf Merz’ Vorstoß
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht begrüßte den Vorstoß der CDU hingegen. Sie sagte dem RND: „Wenn die Union sinnvolle Anträge in den Deutschen Bundestag einbringt, um die unkontrollierte Migration zu beenden und Ausreisepflichtige in ihre Heimatländer zurückzuführen, dann stimmen wir ihnen selbstverständlich zu. Die Union soll liefern, das Land braucht jetzt eine 180-Grad-Migrationswende und mehr innere Sicherheit.“
Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, erklärte: „Wir stehen für einen Kurswechsel. Wenn die Union eine entschlossene Migrationspolitik im Bundestag vorantreibt, werden wir uns das genau ansehen und unterstützen, wenn es in die richtige Richtung geht.“
AfD-Chef Tino Chrupalla reagierte wiederum skeptisch. „CDU und CSU haben unsere Anträge auf effektiven Grenzschutz und Abschiebungen gefährlicher Zuwanderer immer abgelehnt“, sagte er dem RND. „Stattdessen hat Merz die Politik der offenen Grenzen fortgeführt. Eine gute Migrationspolitik gibt es nur unter Federführung der Alternative für Deutschland.“
Mitglied des CDU-Bundesvorstands: „Das ist politscher Selbstmord“
Auch in der CDU gibt es kritische Stimmen. Befürchtet wird eine Stärkung der anderen Parteien. „Das ist politscher Selbstmord“, sagte ein Bundesvorstandsmitglied. „Das wird die CDU noch vor der Wahl komplett zerreißen. Wir kriegen die Brandmauer-Debatte bis zur Wahl nicht mehr weg. Ohne Not hat das Konrad-Adenauer-Haus die Frontstellung im Wahlkampf verändert: Nun heißt es: Alle gegen die CDU.“
Scharfe Kritik kam von der Linken: „Friedrich Merz hat offensichtlich den Kopf verloren und spielt mit dem Feuer“, sagte Parteichef und Spitzenkandidat Jan van Aken dem RND. „Wenn der schwarze Merz in Kauf nimmt, sich Mehrheiten auch mit den Braunen zu holen, dann ist nicht nur die Brandmauer Geschichte, sondern wird das eine andere Republik. Das ist ein Tabubruch. Ich erwarte, dass der Kanzlerkandidat klarstellt, dass es keine Mehrheiten mit der AfD geben wird.“
Derweil wurde bekannt, dass der Verdächtige von Aschaffenburg Ende Dezember für mehr als einen Monat ins Gefängnis hätte kommen sollen, diese Ersatzfreiheitsstrafe aber laut Staatsanwaltschaft Schweinfurt nie antrat. Grund dafür sei die gesetzliche Regel, dass ein Gericht bei zwei verschiedenen Verurteilungen eine sogenannte Gesamtstrafe bilden muss.
Erst dann sei klar, wie lang der Verurteilte tatsächlich in Haft muss – oder wie viel Geld er zu zahlen hat. Der Verdächtige von Aschaffenburg war an zwei verschiedenen Gerichten zu Geldstrafen verurteilt worden und blieb daher zunächst auf freiem Fuß. (rnd/red)