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„Dammbruch“ in ThüringenHistoriker erinnern an entscheidenden Schritt zur Macht für Hitler

Lesezeit 3 Minuten
Wilhelm Frick (untere Reihe, Mitte) wurde nach Kriegsende bei den Nürnberger Prozessen 1946 zum Tode verurteilt. 1930 war Frick in Thüringen als erster NSDAP-Politiker Minister in einer Landesregierung geworden. (Archivbild)

Wilhelm Frick (untere Reihe, Mitte) wurde nach Kriegsende bei den Nürnberger Prozessen 1946 zum Tode verurteilt. 1930 war Frick in Thüringen als erster NSDAP-Politiker Minister in einer Landesregierung geworden. (Archivbild)

In Thüringen hat mit der AfD eine rechtsextreme Partei die Wahl gewonnen. Historiker erinnern an die Rolle des Landes in den 1930ern.

32,8 Prozent stehen für die AfD in Thüringen nach der Landtagswahl zu Buche. Und damit auch für Spitzenkandidat Björn Höcke, der nun grundsätzlich den Auftrag hätte, eine Regierung in Thüringen zu bilden. Das dürfte daran scheitern, dass niemand mit dem Vorsitzenden des laut Verfassungsschutz rechtsextremen Thüringer AfD-Landesverband zusammenarbeiten will. Dennoch ist das Ergebnis für Höcke ein Triumph, der durch ein erneut verpasstes Direktmandat auch nicht so recht geschmälert werden kann.

Der Erfolg des ebenfalls als rechtsextrem eingestuften Höcke, der bereits für die Verwendung alter NS-Parolen verurteilt worden ist, weckte am Wahlabend dennoch schnell düstere Erinnerungen. Denn Thüringen und der Aufstieg des Rechtsextremismus, das hat eine Geschichte. Das Bundesland spielte eine gewichtige Rolle beim Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland.

NSDAP machte in Thüringen entscheidenden Schritt zur Macht

„Den größten Erfolg erzielten wir in Thüringen. Dort sind wir heute wirklich die ausschlaggebende Partei. Die Parteien in Thüringen, die bisher die Regierung bildeten, vermögen ohne unsere Mitwirkung keine Majorität aufzubringen“ – so lautet eine Passage, die Adolf Hitler am 2. Februar 1930 in einem Brief an einen Unterstützer notierte. Drei Jahre später folgte die Machtergreifung der Nazis.

Zuvor hatte die NSDAP jedoch in Thüringen einen entscheidenden Schritt in Richtung Macht getan. Nach der Wahl im Dezember 1929 war die Hitler-Partei erstmals an einer deutschen Landesregierung beteiligt.

Hitlers Helfer als Minister: „Historischer Dammbruch in Thüringen“

Für die Koalitionsverhandlungen sei Hitler damals persönlich nach Thüringen gereist, erklärt der Historiker Alexander Gallus von der TU Chemnitz gegenüber dem österreichischen „Standard“. Hitler sorgte schließlich dafür, dass mit Wilhelm Frick einer seiner frühsten Förderer als Innen- und Volksbildungsminister eingesetzt wurde.

Auch der Historiker Matthäus Wehowski erinnerte kürzlich an den „historischen Dammbruch in Thüringen“. Der NSDAP sei es 1930 gelungen, sich erfolgreich als Partei „bürgerlicher Moral“ zu verkaufen, erklärt Wehowski bei X. „Als politische Bewegung, die gemeinsam mit Konservativen und Liberalen die Gefahren des Marxismus bekämpfen würde.“ Hitler habe tatsächlich jedoch nie anderes als „die Machtergreifung, die Zerstörung des Parlamentarismus, der Weimarer Verfassung und der liberalen Demokratie“ im Sinn gehabt.

„Frick drängte bei der Polizei die Sozialdemokraten aus den Ämtern“

In Thüringen wurden die Folgen der NSDAP-Beteiligung unterdessen damals schnell spürbar. „Frick drängte bei der Polizei die Sozialdemokraten aus den Ämtern und besetzte sie mit Leuten aus der NSDAP nach“, schildert Gallus die Maßnahmen von Hitlers Mann in Thüringen.

Frick habe zudem einen „Kulturkampf“ geführt. Auf Wunsch Hitlers sei der „Rasseforscher“ Hans Friedrich Karl Günther bei der Universität Jena eingesetzt worden. Aus Museen wurden Werke von unter anderem Paul Klee oder Emil Nolde entfernt. „Im Westen nichts Neues“ wurde aus dem Schulunterricht verbannt. „Thüringen war ein sichtbarer Dammbruch für die Demokratie, das war kein unauffälliges Regieren“, sagt Gallus.

Historiker: Keine direkten Paralellen, aber eine Mahnung

Die Historiker, sowohl Wehowski als auch Gallus, betonen jedoch, dass direkte Parallelen von der NSDAP 1930 zur AfD 2024 in Thüringen nicht gezogen werden sollten. „Natürlich ist Sonneberg von heute nicht das Thüringen von damals“, schreibt Wehowski. „Die Dreißigerjahre waren doch andere Zeiten“, erklärt auch Gallus.

Doch beide betonen auch, dass der „Dammbruch“ von Thüringen in den 1930er Jahren eine Mahnung sein sollte. „Die Verharmlosung oder gar Legitimierung des Rechtsextremismus bleibt gefährlich“, so Wehowski. Auch Gallus rät zu Wachsamkeit. Der Blick in die Geschichte könne dabei helfen. Gedenkstätten die Mittel zu kürzen oder die NS-Zeit im Schulunterricht nur noch zu streifen, wäre „fatal“, sagt der Historiker.

Frick, Hitlers Vertreter im Thüringen der frühen 1930er Jahre, wurde später von 1933 bis 1934 Reichsminister des Inneren in Berlin. Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher nach Kriegsende gehörte Frick zu den 24 Angeklagten und wurde in drei von vier Anklagepunkten schuldig gesprochen. Am 16. Oktober 1946 wurde Wilhelm Frick, einer der frühesten Helfer Hitlers, hingerichtet.