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„Ein Weltreich zettelt immer Krieg an“Wie Moskaus radikale Propaganda Putins „wahres Gesicht“ entlarvt

Lesezeit 4 Minuten
Wladimir Putin beim Gedenken an die Schlacht von Kursk im Zweiten Weltkrieg am 23. August 2023. Auch in der Gegenwart ist die russische Region wieder ein Thema für den Kremlchef. (Archivbild)

Wladimir Putin beim Gedenken an die Schlacht von Kursk im Zweiten Weltkrieg am 23. August 2023. Auch in der Gegenwart ist die russische Region wieder ein Thema für den Kremlchef. (Archivbild)

Ob der „gefährlichste Philosoph der Welt“, TV-Moderatoren oder Putin selbst: Moskau versteckt seine Ziele nicht – und spricht über Deutschland.

Es waren deutliche Worte, die Dmitri Poljanski vor ein paar Tagen angesichts der ukrainischen Offensive in Kursk gewählt hat. „Dieses Verbrechen hat unsere Gesellschaft nur geeint und das wahre Gesicht unseres Feindes gezeigt, der nichts als eine völlige Niederlage und bedingungslose Kapitulation verdient“, sagte Russlands ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen. Und bekräftigte damit eindrucksvoll: Moskau will keine Verhandlungen – und keine Ukraine.

Russlands imperialistische Kriegsziele manifestieren sich seit Beginn der für Kremlchef Wladimir Putin peinlichen ukrainischen Offensive überdeutlich. Sowohl bei Äußerungen wie jener Poljanskis, als auch bei jenen in den TV-Studios der Propagandamedien oder den faschistischen Worten des rechtsradikalen russischen Philosophen Alexander Dugin bleibt daran kein Zweifel.

Alexander Dugin: Moskaus prominentester Faschist hofft auf die Vernichtung der Ukraine

Dugin gilt als einer der Vordenker Putins – und als Russlands populärster Neofaschist. Sein tatsächlicher Einfluss auf den Kreml ist jedoch umstritten. Die „Neue Zürcher Zeitung“ bezeichnete ihn dennoch einst als „gefährlichsten Philosophen der Welt“. Warum, zeigt sich schnell, wenn man liest, was Dugin in diesen Tagen so von sich gibt.

Philosoph, Neofaschist und einer der Vordenker Putins: Alexander Dugin.

Philosoph, Neofaschist und einer der Vordenker Putins: Alexander Dugin.

„Putin hat wie ein geopolitischer Spartakus eine Rebellion angeführt, um Russland aus der Nichtexistenz zu holen“, schreibt der rechtsradikale Vordenker in einem Aufsatz, dem er den Namen „Sieg als Existenz“ verpasst und ihn engagiert in sozialen Netzwerken verbreitet hat. „Aber Russland wird nur dann wirklich existieren, wenn es siegt“, heißt es dort weiter von Dugin, der sich auch zu Deutschland äußert.

Sieg nicht genug: Dugin will Ukraine aus Geschichtsschreibung tilgen

Existenz und Sieg, das seien bloß Synonyme, führt der Philosoph aus. Und weil das so sei, brauche man sich auch nicht über das „moderne Deutschland“ empören. Durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg seien die Deutschen „heute Sklaven des Westens; praktisch existieren sie nicht mehr“, schreibt Dugin, dessen Tochter bei einem für ihn gedachten Autobombenanschlag getötet wurde.

Russland hingegen befreie sich mit dem von Putin entfesselten Krieg nun aus der Sklavenrolle, die es nach dem Kalten Krieg ebenfalls innegehabt habe. Dank „Verrätern“ wie „Gorbatschow, Jelzin und den liberalen Reformern“, erklärt Moskaus faschistischer Vordenker, der die ukrainische Identität offenbar in jeder Hinsicht auslöschen will.

Putins Propaganda: Auslöschungsträume und Imperialismus

Der Krieg werde beantworten, ob die Ukraine „weiter existieren“ werde, schreibt Dugin und schiebt ein „hoffentlich nicht“ hinterher. Und da, so behauptet es der Neofaschist aus Moskau, über die Geschichte schließlich nur die Sieger bestimmen, stelle sich dann auch die Frage, „ob die Ukraine jemals wirklich existiert hat“.

Die Auslöschungswünsche, der imperialistische Blick auf die Ukraine und die faschistische Ausdrucksweise sind derweil, brachialer formuliert, auch im russischen TV dieselben – und offenbaren auch dort, dass es dem Kreml bei seinem Krieg nie vordergründig um einen möglichen Nato-Eintritt Kiews ging.

Krieg als Normalität: „Ein Weltreich zettelt immer irgendwo einen an“

„Ein Weltreich zettelt immer irgendwo einen Krieg an“, erklärte Sergey Mardan, einer der führenden Moskauer TV-Propagandisten, kürzlich seinem Publikum. Mardan ließ damit bereits durchblicken, dass es Putin und dem Kreml vielmehr um Großmachtträume als um vorgeschobene Kriegsgründe wie die gerne herangezogene Nato-Osterweiterung oder das vom Kreml frei erfundene „Neonazi-Regime“ in Kiew geht.

„Irgendwo am Rande unseres Reichs besiegen unsere heldenhaften Legionen die Barbaren“, so klang das bei Mardan dann. „Für ein Weltreich ist das eine völlige normale Art zu existieren“, fügte Putins Propagandist an. Der Angriff auf Kursk zeige, dass „die Barbaren ihren Verstand verloren haben“, behauptete Mardan. „Aus diesem Grund sollten sie ohne Gnade und mit aller Rücksichtslosigkeit zerstört werden.“

Moskau macht kein Geheimnis aus seinen Zielen

Neu ist das alles nicht, nur derzeit besonders unverhohlen. „Im Prinzip“ seien das die gleichen Drohungen und formulierten Kriegsziele, „die wir bereits seit 900 Tagen hören“, schrieb der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski bei X angesichts Poljanskis Ankündigung der „vollständigen Niederlage“ der Ukraine.

Bereits zu Kriegsbeginn habe der Kremlchef die Regierung in Kiew als „drogensüchtige Neonazis“ beschimpft und die ukrainische Staatlichkeit infrage gestellt, erinnerte Wehowski daran, dass Putin und der Kreml nie ein großes Geheimnis aus ihrer Gesinnung gemacht haben. Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat sogar kürzlich noch extra ein geschichtsklitterndes Essay veröffentlicht, um den russischen Vernichtungskrieg zu begründen.

Wladimir Putin erklärt Verhandlungen mit Kiew für sinnlos

Dass der Kreml aber auch angesichts ukrainischer Soldaten auf russischem Boden nicht bereit ist, von seinen maximalen Kriegszielen abzurücken, unterstreicht nicht nur die Propaganda, sondern auch Putin in diesen Tagen besonders eindrücklich. Es sei sinnlos, mit der Regierung in Kiew zu verhandeln, erklärte er angesichts der Offensive in Kursk.

„Über welche Art von Verhandlungen können wir überhaupt mit Leuten sprechen, die wahllos Zivilisten oder zivile Infrastruktur angreifen“, erklärte ausgerechnet Putin. Seit dem ersten Tag des Krieges greifen die Truppen des Kremlchefs nachweislich zivile Ziele in der Ukraine an und ermorden, vergewaltigen und foltern Menschen in den besetzten Gebieten.

Aus Kursk sind abseits offensichtlicher russischer Propaganda bisher keine Berichte über Angriffe auf Zivilisten bekannt geworden. Kiew verspricht allen Gefangenen eine humane Behandlung. Aber Belege für seine Anschuldigung gegen Kiew legte der russische Präsident ohnehin nicht vor. Auch das ist nicht neu. Putin hält sein „wahres Gesicht“ nicht versteckt. Man muss nur hinschauen.