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„Gigantischer“ Gegenschlag geplant?Putin in Kursk unter Druck – Kreml verlegt eilig Truppen, Kiew plant „nächsten Schritt“

Lesezeit 4 Minuten
Ein vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichtes Foto soll einen Drohnenangriff auf ukrainische Fahrzeuge in der Region Kursk zeigen. Die Offensive der Ukrainer dauert an.

Ein vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichtes Foto soll einen Drohnenangriff auf ukrainische Fahrzeuge in der Region Kursk zeigen. Die Offensive der Ukrainer dauert an.

Russland zieht offenbar Truppen von der Front und aus Kaliningrad ab. Aus Kursk kursieren derweil erneut für den Kreml peinliche Videos.

Die Ukraine hat ihre Offensive in der russischen Grenzregion Kursk am Dienstag fortgesetzt – und laut den Angaben aus Kiew dabei erneut Geländegewinne erzielt. Die ukrainische Armee habe inzwischen 74 Ortschaften im Gebiet Kursk eingenommen, hieß es aus Kiew. Das wären doppelt so viele, wie von russischer Seite behauptet. Überprüfbar sind beide Angaben nicht. Das ukrainische Projekt DeepState geht von etwa 44 russischen Ortschaften unter Kontrolle Kiews aus.

Der ukrainische Oberkommandierende Olexander Syrskyj berichtete im Gespräch mit Selenskyj, die eigenen Truppen seien in einigen Richtungen zwischen einem und drei Kilometern vorangekommen. Demnach eroberten die ukrainischen Streitkräfte zusätzliche 40 Quadratkilometer Fläche im Gebiet Kursk.

Ukraine meldet weitere Geländegewinne in Kursk

Syrskyj hatte zuvor berichtet, dass seit Beginn der Offensive am Dienstag vor einer Woche eine Fläche von etwa 1000 Quadratkilometern eingenommen worden sei. Das wäre mehr als das Doppelte des Gebiets, das die russische Armee nach eigenen Angaben bei den Kämpfen im Osten der Ukraine seit Jahresbeginn eingenommen hat. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die Ukraine erneut russische Truppen in der Region in Gefangenschaft genommen. Seit Beginn der ukrainischen Offensive sollen sich hunderte russische Soldaten in der Region ergeben haben. Der ukrainische „Austauschfonds“ wachse somit weiter an, erklärte Selenskyj. Die Gefangenen würden von der Ukraine außerdem besser behandelt als von der russischen Armee, hieß es außerdem aus Kiew.

Die nächsten „Schlüsselschritte“ sollen folgen: Was plant Kiew?

Welche genauen Ziele die Ukraine in Kursk verfolgt, ist weiterhin unklar. Sicher scheint jedenfalls, dass man in Kiew die dauernden russischen Angriffe aus dem Grenzgebiet unterbinden will. Auch scheint es wahrscheinlich, dass die Front im Osten des Landes durch die Eröffnung des neuen Kriegsschauplatzes in Russland entlastet werden soll.

Es sei nun an der Zeit, die nächsten „Schlüsselschritte“ der Operation anzugehen, erklärte Selenskyj am Dienstag in einer Videoschalte mit Syrskyj.

Russland soll „gigantische“ Antwort planen

Gleichzeitig rüstet man sich in der Ukraine offenbar für die drohende Antwort auf den Angriff. „Russland hat das Bedürfnis, eine sehr harte Antwort zu geben, etwas Gigantisches, um der Welt zu zeigen, dass es allmächtig ist und so etwas wie Kursk nicht ungestraft bleibt“, schrieb die „Moscow Times“ zuletzt unter Berufung auf einen anonymen ukrainischen Informanten. Zuletzt hatte es bereits Spekulationen gegeben, der Kreml plane einen massiven Raketenangriff auf das Kiewer Regierungsviertel.

Bisher scheinen Kremlchef Wladimir Putin und die russische Führungsebene aber vor allem mit der Abwehr der für sie peinlichen Offensive in Kursk beschäftigt zu sein. Seit Beginn des ukrainischen Vorstoßes versucht der Kreml, die Lage herunterzuspielen und der eigenen Bevölkerung zu vermitteln, alles sei unter Kontrolle.

Wladimir Putin durch Offensive in Kursk unter Druck

Gegenwind bekommt Moskau dabei jedoch von russischen Kriegsbloggern, die in den ersten Tagen schonungslos über ukrainische Erfolge in Kursk berichtet hatten.

Moskau versichert dennoch weiterhin täglich, die ukrainischen Truppen seien gestoppt worden. Gleichzeitig scheint Russland nun jedoch Truppen nach Kursk zu verlegen – auch von der Front in der Ukraine, wie „Politico“ am Dienstag berichtete. Demnach sei eine relativ kleine Zahl russischer Soldaten von der Front nahe Saporischschja in der Ukraine abgezogen und nach Kursk geschickt worden.

Ein ukrainischer Pick-up-Truck bringt gefangene russische Soldaten aus der Region Kursk in die Ukraine.

Ein ukrainischer Pick-up-Truck bringt gefangene russische Soldaten aus der Region Kursk in die Ukraine.

Der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas berichtete unterdessen gegenüber „Radio Liberty“ von einer „Entmilitarisierung“ der russischen Exklave Kaliningrad. Wegen des Kampfes der Ukraine müsse Russland „seine Truppen aus Kaliningrad abziehen“, sagte Kasciunas.

Belarus: Alexander Lukaschenko verstärkt Einheiten an der Grenze

Die russische staatliche Nachrichtenagentur Interfax berichtete zudem über Truppenbewegungen in Belarus. Dort hat der mit Putin eng verbündete Diktator Alexander Lukaschenko angesichts der Lage in Kursk offenbar seine Truppen an der Grenze verstärkt, „um auf mögliche Provokationen reagieren zu können“, hieß es demnach aus Minsk, das somit auf den ukrainischen Angriff im benachbarten Kursk reagierte.

Erneut kursierten unterdessen am Dienstag Aufnahmen, die die ukrainische Operation in der russischen Grenzregion zeigen sollten. In einem der Videos soll angeblich eine Gruppe russischer Soldaten zu sehen sein, die sich zuvor ergeben habe.

Kursierendes Video: Ukrainer in Kursk mit „Slava Ukraini“ begrüßt

Eine andere Aufnahme soll unterdessen in der Ortschaft Plechowo entstanden sein. Dort ist zu sehen, wie ukrainische Soldaten und schwere Fahrzeuge eine Straße entlang laufen – und dabei von russischen Bewohnern des Dorfes mit „Slava Ukraini“ („Ehre der Ukraine“) begrüßt werden.

Unabhängig überprüfen lassen sich die Aufnahmen derzeit nicht. Es sind jedoch nicht die ersten Berichte über einen mitunter freundlichen Empfang für die ukrainischen Truppen von manchen russischen Bewohnern der Region. Gleichzeitig sind mittlerweile tausende Russen aus der Region evakuiert worden. (mit dpa)