Karlsruhe/Köln – Die Bundestagswahl am 26. September kann nach dem von Union und SPD neu beschlossenen Wahlrecht stattfinden. Das Bundesverfassungsgericht wies einen Eilantrag ab, mit dem die FDP-, Grünen- und Linke-Abgeordneten die im November 2020 in Kraft getretenen Änderungen mit sofortiger Wirkung kippen wollten. Wie das Gericht in Karlsruhe am Freitag mitteilte, will es die Reform aber im Hauptverfahren genau prüfen. Die Richterinnen und Richter sehen möglicherweise problematische Punkte. (Az. 2 BvF 1/21)
Die Reform beinhaltet eine neue Regelung, nach welcher nicht jedes Überhangmandat ausgeglichen wird. Dadurch könnten Parteien, die viele Direktmandate gewinnen, einige Sitze mehr im Bundestag erhalten, als sie der Zweitstimmen-Verteilung nach erhalten würden. Die Oppositionsparteien sehen dadurch den Gleichheitsgrundsatz verletzt und halten die Regelung für verfassungswidrig.
Erfolglose Suche nach einem Kompromiss läuft seit Jahren
Zwischen den Parteien herrscht im Grunde Einigkeit, dass der auf 709 Sitze angewachsene Bundestag wieder kleiner werden muss. Ein großes Parlament kostet den Steuerzahler nicht nur mehr Geld, es ist auch weniger arbeitsfähig. Aber über den richtigen Weg dorthin wird seit Jahren gestritten. Eine Kompromisslösung, die alle Parteien mittragen wollten, war in zwei Wahlperioden nicht zustande gekommen.
Im Oktober 2020 hatten Union und SPD schließlich im Alleingang eine Wahlrechtsänderung beschlossen, die auch viele Experten für unzureichend halten. Denn bei den derzeit 299 Wahlkreisen soll es zunächst bleiben. Eine größere Reform ist erst für die Wahl 2025 geplant. Dafür soll eine Kommission bis Mitte 2023 Vorschläge machen.
Alternativvorschlag von FDP, Linken und Grünen ohne Erfolg
FDP, Linke und Grüne hatten gemeinsam einen Alternativentwurf vorgelegt, der nur 250 Wahlkreise vorsah, sich damit aber nicht durchsetzen können. Anschließend hatten sie sich zusammengetan, um in Karlsruhe einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle einzureichen. Sie sind der Ansicht, dass die Neuregelung unklar formuliert ist und gegen die im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Chancengleichheit der Parteien und der Wahlrechtsgleichheit verstößt.
Die Verfassungsrichterinnen und -richter des Zweiten Senats halten es zumindest für möglich, dass diese Einwände nicht unberechtigt sind. Da die Fragen noch genauer geprüft werden müssen, lehnten sie es aber ab, mit sofortiger Wirkung in die Zuständigkeit des Gesetzgebers einzugreifen. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Reform nach ihrer Einschätzung keine allzu großen Änderungen bewirkt.
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Auf die Stimmabgabe der Bürgerinnen und Bürger hat das Karlsruher Verfahren und die nun veröffentlichte Eilentscheidung vom 20. Juli keine unmittelbaren Auswirkungen. Es geht darum, nach welchen Regeln die abgegebenen Stimmen in Mandate umgerechnet werden.
Nach der Neuregelung werden Überhangmandate einer Partei teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet. Bis zu drei Überhangmandate werden nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert, wenn der Bundestag seine Soll-Größe überschreitet. Diese ist bei 598 Sitzen festgelegt. (dpa/pg)