Will Höcke wirklich 20 bis 30 Prozent der Menschen abschieben? Hat Voigt recht, dass die CDU das Verbrenner-Aus rückgängig macht? Die Fakten.
Was stimmt und was nichtDer Faktencheck zum Duell Voigt gegen Höcke
Verbrenner-Aus, Brexit und „Remigration“: Das TV-Duell zwischen dem Thüringer CDU-Chef Mario Voigt und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke war ein Schlagabtausch mit Themensprüngen und vielen Behauptungen. Wir haben die wichtigsten Thesen der Kontrahenten geprüft und die Fakten gecheckt.
Hat die CDU in der EU für das Verbrenner-Aus gesorgt?
Darum geht es: Hat die CDU das Aus des Verbrennungsmotors auf EU-Ebene mitgetragen – oder verhindert? Björn Höcke wirft Mario Voigt vor, dass die Christdemokraten für die Entscheidung des EU-Parlaments mitverantwortlich sind, keine neuen Diesel- und Benzinautos ab 2035 mehr zuzulassen. Wörtlich sagte er: „Denn Fakt ist doch, dass die CDU mit ihrer Agenda in EU-Europa auch für das Verbrenner-Aus gesorgt hat.“ Voigt kontert: „Das hat die CDU verhindert.“
Das stimmt wirklich: EU-Parlament und EU-Kommission haben sich 2023 darauf verständigt, dass ab 2035 keine neuen Verbrennerfahrzeuge mehr zugelassen werden sollen. Die CDU will das rückgängig machen.
Das stimmt also nicht: Weder Höcke noch Voigt haben recht. Weder hat die CDU in Brüssel das Verbrennerverbot maßgeblich vorangetrieben noch verhindert.
Das sind die Fakten: Im Parlament stimmte die Mehrheit der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) gegen das Verbot. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) trieb es jedoch voran. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bestand auf einer Ausnahme für synthetische Kraftstoffe. In ihrem Europawahlprogramm fordert die CDU eine Rücknahme des Verbrennerausstiegs. Dort steht: „Wir schreiben keine Technologien vor.“
So haben wir recherchiert: Abstimmungsverhalten im EU-Parlament, Presseberichte, CDU-Europawahlprogramm.
Ist Höcke ein Faschist?
Darum geht es: Voigt sagt über Höcke: „Es ist einfach, ihn einen Faschisten zu nennen. Das mache ich nicht, das hat ein Gericht schon gemacht.“
Das stimmt wirklich: Das Verwaltungsgericht Meiningen hat 2019 in einem Eilverfahren über die Zulassung eines Kundgebungsmottos entschieden, dass die Bezeichnung des AfD-Politikers als Faschist eine zulässige Meinungsäußerung darstellt und keine Tatsachenbehauptung sei.
Das stimmt also nicht: Die Richter urteilten nicht darüber, ob die Bezeichnung inhaltlich zutreffend sei, sondern nur, ob sie unter die Meinungsfreiheit fällt. Das Landgericht Hamburg urteilte 2020, dass Höcke damit nicht gerichtlich zum Faschisten erklärt worden ist. Voigt hat also unrecht.
Das sind die Fakten: In einer einstweiligen Verfügung untersagte das Hamburger Landgericht dem FDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, eine Äußerung, wonach ein Gericht Höcke als Faschisten eingestuft habe. Ein Teil der Leserinnen und Leser könne sie so verstehen, ein Gericht habe positiv festgestellt, dass Höcke ein Faschist sei, erläuterte der Gerichtssprecher. Das verletze das Persönlichkeitsrecht von Höcke. Tatsächlich habe damals das Verwaltungsgericht Meiningen nur über die Zulässigkeit einer konkreten Meinungsäußerung in einem konkreten Kontext entschieden.
So haben wir recherchiert: Urteile des Verwaltungsgerichts Meiningen und des Landgerichts Hamburg, Presseberichte.
Wie geht es Großbritannien nach dem Brexit?
Darum geht es: Beim Thema Europa sagt Voigt: „Großbritannien ist nach dem Brexit ärmer geworden.“ Höcke widerspricht: Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) sei im Vereinigten Königreich stabil, Deutschland gehe es schlechter.
Das stimmt wirklich: 2021 schätzte eine britische Regierungsinstitution die negativen Folgen des EU-Austritts auf 4 Prozent des BIP pro Jahr – und das auf lange Sicht. Für 2024 erwarten Wirtschaftsforschungsinstitute und die britische Handelskammer ein Ende der Rezession und langfristig ein Wirtschaftswachstum um ein Prozent des BIP. Die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für die Bundesrepublik in ihrem Frühjahrsgutachten 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent und 2025 von 1,3 Prozent.
Das stimmt also nicht: Voigt hat recht, dass der Brexit dem Vereinigten Königreich wirtschaftlich deutlich geschadet hat. Höcke stellt die wirtschaftliche Lage in Deutschland schlechter da als sie ist, hat aber recht dass Großbritannien früher aus der Rezession gekommen ist.
So haben wir recherchiert: Gemeinschaftsdiagnose der deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, Prognose der britischen Handelskammer.
Äußerungen über Aydan Özoğuz
Darum geht es: Die Moderatoren konfrontieren Höcke mit einem Zitat aus seinem Buch, in dem er über die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz sagt, dass sie „in Deutschland nichts verloren“ habe. Höcke sagt, dass ihm nicht klar sei, „in welchem Kontext dieses Zitat steht“. Der Name der heutigen Bundestagsvizepräsidentin und früheren Migrationsbeauftragten Özoğuz sage ihm nichts.
Das stimmt wirklich: Auf Seite 198 des Höcke-Interviewbands „Nie zweimal in denselben Fluß“ aus dem Jahr 2018 sagt der AfD-Mann wörtlich: „Wer allerdings wie die Migrationsbeauftragte der letzten Bundesregierung, Aydan Özoğuz, jenseits der Sprache nicht einmal eine spezifisch deutsche Kultur erkennen kann und dann noch ungeniert mit deutschen Steuergeldern sich ein schickes Leben finanzieren lässt, hat in unserem Land tatsächlich nichts verloren.“
Das stimmt also nicht: Höckes Erinnerungslücke ist unglaubwürdig. Er hat der in Hamburg geborenen Politikerin Özoğuz das Recht abgesprochen, in Deutschland zu leben.
Das sind die Fakten: Özoğuz hatte im Mai 2017 im „Tagesspiegel“ den Satz geschrieben: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“ Im August 2017 sagte der damalige AfD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Alexander Gauland, bei einer Wahlkampfveranstaltung im thüringischen Eichsfeld, Höckes Heimat: „Das sagt eine Deutschtürkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Auf diesen Satz von Özoğuz bezieht sich auch Höcke.
So haben wir recherchiert: Höcke-Gesprächsband „Nie zweimal in denselben Fluß“, Presseberichte.
Was meint Höcke mit „Remigration“?
Darum geht es: Höcke spricht über eine „Remigrationsinitiative“, die er aber auf Rückwanderung von ausgewanderten Deutschen bezieht: „Mir geht es vor allen Dingen um die deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland leben, weil sie aus Deutschland geflohen sind. Das ist eigentlich eine alte Definition von mir.“ Voigt wiederum wirft Höcke vor, dass er „20 bis 30 Prozent“ der Menschen aus Deutschland abschieben will.
Das stimmt wirklich: Auf Seite 156 von „Nie zweimal in denselben Fluß“ sagt Höcke 2018: „Neben dem Schutz unserer nationalen und europäischen Außengrenzen wird ein groß angelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein. (…) Das heißt, dass sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden lassen werden.“ Am 12. Dezember 2023 sagte Höcke bei einem Bürgerdialog in Gera: „Wir werden auch ohne Probleme mit 20, 30 Prozent weniger Menschen in Deutschland auskommen. Das ist ökologisch sogar sinnvoll.“
Das stimmt also nicht: Höckes Umdeutung des Begriffs „Remigration“ ist unglaubwürdig. Er hat darunter bisher immer die Ausreise von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland verstanden. Auch die Aussage in Gera macht er in diesem Zusammenhang.
Das sind die Fakten: Beim Bürgerdialog in Gera spricht Höcke zunächst über eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und eine Rückkehr zum Abstammungsrecht. Dann sagt er: „So wie ich die türkische Community in Deutschland kenne, werden sich viele für die türkische Staatsbürgerschaft entscheiden. Das ist eine Chance, einen Großteil derer zu animieren, ins Heimatland zurückzukehren.“ Kurz zuvor spricht er von davon, den Anteil „illegaler Migranten“ um „mehrere Millionen zu reduzieren“. Das alles bedeutet die geplante Ausbürgerung und Ausreise von deutschen Staatsbürgerinnen und ‑bürgern.
So haben wir recherchiert: Höcke-Gesprächsband „Nie zweimal in denselben Fluß“, Videomitschnitt des Bürgerdialogs in Gera (ab Minute 45).