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Kommentar

Wie ein Problem zum Problem wird
Wer entscheidet eigentlich, was Sie denken?

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Vier Jugendliche sind von hinten zu sehen, daneben stehen Container für Geflüchtete

Unterkunft für Geflüchtete in Brandenburg, Eisenhüttenstadt

Die Kommunikation um uns herum verändert unsere politischen Einstellungen – auch, was Geflüchtete angeht, sagt unser Kolumnist.

Wer entscheidet eigentlich, was Sie denken? Haben Sie sich diese Frage schonmal gestellt? Wenn nicht, dann wird es Zeit. Denn die allermeisten Menschen sind der festen Überzeugung, dass sie selbst aus sich heraus denken würden. Das ist leider falsch. Ja, die Gedanken sind frei, aber eben nicht frei von Einfluss. Dass wir Kinder unserer Eltern sind, das merken wir im Lauf des Lebens irgendwann sehr deutlich. Dass wir Kinder unserer Stadt sind, merken wir spätestens wenn wir versehentlich an Karneval in Hamburg zu Gast sind. So weit ist das alles noch einfach zu akzeptieren.

Viel schwieriger zu akzeptieren ist, dass was Sie heute denken und für richtig halten, nur zu kleinem Teil aus Ihnen selbst heraus entsteht. Es ist zu viel größeren Anteilen das Ergebnis der Kommunikation, die Sie umgibt. Sie kaufen bestimmte Produkte, weil Sie Werbung dafür sehen. Das kann man wissenschaftlich nachweisen. Besonders gut wirkt Werbung übrigens, wenn man von sich selbst denkt, Werbung würde auf einen selbst nicht wirken.

Genauso ist es auch mit politischen Einstellungen. Ja, Sie haben sicherlich eigene Überzeugungen, und dennoch verändert die Kommunikation um Sie herum Ihre Einstellungen. Haben Sie zum Beispiel den Eindruck, dass wir zurzeit ein echt großes Problem mit Flüchtlingen haben? Ja? Dann frage ich Sie, wo haben Sie dieses Problem denn selbst bemerkt? In Köln? Samstags auf der Schildergasse?

Rund um den Dom? In Frechen, Pulheim, Hürth? In Ehrenfeld oder in Kalk? Tja, höchstwahrscheinlich geht es Ihnen aktuell so wie den allermeisten Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern: Sie erleben persönlich überhaupt gar kein Problem mit Flüchtlingen im Alltag. Sie wissen nur, dass es eines gibt. Der Grund dafür ist, dass pausenlos Kommunikation über dieses Thema stattfindet.

Natürlich hat das auch mit aktuellen Herausforderungen zu tun. Die Kommunen stöhnen, weil es an geeignetem Wohnraum fehlt und das Geld ohnehin knapp ist. Mancher Sportverein ist sauer, weil Sporthallen als Unterkünfte genutzt werden. Wo Flüchtlinge untergebracht werden, da gibt es auch manchmal Anwohnerkonflikte. Das alles ist viel, das stimmt. Es ist anspruchsvoll, aber es ist kein Weltuntergang. Wir haben es also mit einem Problem zu tun, bei dem die kommunikative Größe nicht zur selbst erlebbaren Größe passt. Ganz anders ist das etwa mit steigenden Mieten. Die erleben in unserer Region Hunderttausende. Ganz anders ist es mit verspäteten Bahnen. Die ertragen täglich Millionen Reisende. Besprochen werden diese Probleme kaum noch.

Der Grund ist, dass das Flüchtlingsthema kommunikativ so dominant geworden ist, dass in Umfragen aktuell eine Mehrheit sagt, man müsse es dringend angehen. Eine Mehrheit wohlgemerkt, die selbst von diesem Problem gar nichts bemerkt. Genau das ist der Moment, in dem Sie sich die Frage stellen sollten: Wer nimmt Einfluss auf mich?

Erik Flügge ist Geschäftsführer der Beratungsfirma „Squirrel & Nuts“ in Köln und Bestsellerautor. In den sozialen Medien folgen Zehntausende seinen politischen Analysen.