Deutschland schlittert in eine schwere Wirtschaftskrise, und der Kanzler sowie seine Minister denken darüber nach, was sie dagegen tun können.
Wenig Einigkeit in AmpelScholz, Habeck und Lindner – das sind ihre Pläne gegen die Wirtschaftskrise
Vielleicht hat es ja diese Ohrfeige aus Washington gebraucht. Nur noch 0,8 Prozent Wachstum traut der Internationale Währungsfonds (IWF) der deutschen Wirtschaft im kommenden Jahr zu. Während die meisten Industrie- und Schwellenländer die Krise überwunden haben und wieder solide wachsen, fällt Deutschland zurück. Auch innerhalb Europas gilt der frühere Musterschüler als versetzungsgefährdet. Noch schlechter als hierzulande ist der Ausblick nur in Italien.
Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der das Problem lange geleugnet hat, räumt inzwischen ein, dass sich etwas ändern muss. Seinen Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner (FDP) treibt schon länger die Frage um, wie der Standort wieder wettbewerbsfähig gemacht werden kann. So unterschiedlich die Persönlichkeiten und Überzeugungen der drei Ampelspitzen sind, so unterschiedlich fallen ihre Antworten aus. Von einem Wirtschaftsprogramm aus einem Guss ist die Regierung derzeit weiter entfernt denn je.
Modell Scholz: Industrie und Politik Seit‘ an Seit‘
Wann immer die wirtschaftliche Lage ernst wird, träumen Sozialdemokraten von einem gesellschaftlichen Pakt zum Wohle des Landes. Vorbild ist die „Konzertierte Aktion“, mit der SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller in den späten 1960er-Jahre die erste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik bekämpfen wollte. In den späten 1990er-Jahren versuchte SPD-Kanzler Gerhard Schröder, die Arbeitslosigkeit im Wiedervereinigten Deutschland mit einem „Bündnis für Arbeit“ senken. Und nun träumt Olaf Scholz von einem „Industriepakt für Deutschland“, über den er kommende Woche mit Managern von Großkonzernen, Verbandsvertretern und Gewerkschaften verhandeln will.
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Er werde „um die Arbeitsplätze in der Industrie kämpfen“, hat Scholz jüngst in seiner Regierungserklärung angekündigt. Es brauche jetzt mehr Miteinander, mehr Unterhaken, mehr Schulterschluss.
Davon allein allerdings wird die Wirtschaft kaum wieder wachsen, weshalb sich viele die Frage stellen, was der Kanzler eigentlich konkret vor hat. Aus Sicht der SPD-Fraktion muss die Regierung vor allem bei den hohen Energiekosten ansetzen. Die Forderung nach einem subventionierten Strompreis für die Industrie ist unter sozialdemokratischen Abgeordneten populär. Auch die meisten Bundesländer und die Grünen sind dafür. Widerstand kam bislang von Christian Lindner - und von Scholz selbst. Wenn der nun seine Meinung ändert, wird der die Frage beantworten müssen, wo die nötigen Milliarden herkommen sollen.
Modell Lindner: Schuldenbremse first, Bürgergeld second
Christian Lindner bekam die Schelte des Währungsfonds aus nächster Nähe mit, der Finanzminister weilt derzeit in den USA. Die Bundesregierung müsse „offensichtlich auch ihr eigenes Ambitionsniveau bei unseren ökonomischen Reformen, bei der Wachstumsinitiative erhöhen“, sagte er in New York und reichte per Interview mit der „Wirtschaftswoche“ Vorschläge nach. So sollten Bürgergeld-Empfänger ihre Wohnkosten künftig nicht nach tatsächlichen Kosten, sondern pauschal erstattet bekommen. „Dann können die Leistungsempfänger entscheiden, ob sie eine kleinere Wohnung beziehen und wie sie heizen“, so Lindner. „Ich glaube, dass wir hier Milliarden Euro einsparen können.
Einsparmöglichkeiten sieht der FDP-Chef auch bei den Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine, für die er einen eigenen Rechtsstatus erwägt.
Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, warnte vor „dramatischen Folgen“ einer Pauschalierung von Wohn- und Heizkosten und verwies auf regional stark unterschiedliche Mietniveaus. „Auch Christian Lindner muss wissen: Das Einsparpotenzial bei den Ärmsten ist jetzt schon ausgesprochen gering, da die Wohnkosten bereits auf Angemessenheit überprüft werden“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Kanzler Scholz reagierte kühl. Er ließ seinen Regierungssprecher ausrichten, dass der den Vorschlag „zur Kenntnis genommen habe“, man aber an keinem neuen Status für ukrainische Flüchtlinge arbeite.
Modell Habeck: Geld verteilen
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schaltet sich am Dienstagabend via Bild-Zeitung in die Debatte ein und wärmte seine Idee eines staatlichen Investitionsfonds auf. Der solle das Geld für die Sanierung der Infrastruktur bereitstellen, so der Grünen-Politiker. Außerdem sollen Unternehme zehn Prozent ihrer Investitionskosten von der Steuersumme abzuziehen oder sie bei niedriger Steuerlast vom Staat erstattet bekommen. „Das würde den großen Booster für die Volkswirtschaft auslösen, wenn die Unternehmen jetzt mehr investieren würden“, sagte Habeck am Mittwoch.
Finanzieren will der Vizekanzler das alles über ein Sondervermögen, so dass die Schuldenbremse formell weiter eingehalten würde.
Die Absage der FDP folgte auf den Fuß. „Das Grüne Wirtschaftswunder ist ein links-grünes Märchen aus der Mottenkiste und der Schuldenbremsenpopulismus eine alte Leier“, sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Maier dem RND. Robert Habeck in den vergangenen drei Jahren „erkennbar keine ökonomische Lernkurve hingelegt“, fügte er hinzu.