Alles über Erika MustermannSo lebt die typische Deutsche
Erika Mustermann müsste eigentlich Ursula Müller heißen. Schließlich ist Ursula der weitverbreitetste Frauenvorname und Müller der häufigste Familienname in Deutschland. Aber auch eine Frau Mustermann ist eben nicht perfekt, sondern die Durchschnittsdeutsche schlechthin. Die Autorin Bettina Peters hat sie sich vorgeknöpft, die mustergültige Deutsche, die uns von sämtlichen Muster-Formularen, -Pässen, und neuerdings auch -Flüchtlingsausweisen anlächelt. (Ihr Geburtsort in dem Fall: Nicht mehr München oder Berlin, sondern Damaskus).
Etliche Statistiken und Umfragen über die Deutschen hat Autorin Peters ausgewertet und aus dem Stoff den Roman „Erika Mustermann“ geschrieben, Untertitel: „Das geheime Leben der bekanntesten Durchschnittsdeutschen.“ Damit ist also nicht das Leben der „echten“ Frau auf den Dokumenten gemeint, die im Laufe der Zeit schon mehrmals ausgetauscht wurde. Nein, es geht um die, für die sie steht. Also um uns alle.
„45 Jahre alt, straßenköterblond, besondere Kennzeichen: keine“
Immer wieder beteuert Erika Mustermann in Peters‘ Buch, sie sei „ganz normal“. Aber was bedeutet das eigentlich? Wer ist sie, diese Durchschnittlichkeit in Person? Was macht sie? Wie sieht sie aus? „45 Jahre alt“, „straßenköterblond“, „Größe: normal“, „Gewicht: normal“ – so beschreibt Erika Mustermann sich selbst. „Besondere Kennzeichen: „keine“. Natürlich.
„Eiche Rustikal" geht immer : Großgeworden in einer von Jägerzäunen umgebenene Welt
Erika wird Anfang der 70er in eine kleine heile von Jägerzäunen umgebene Welt geboren, die sich ihre Eltern mühsam erarbeitet haben. Das Reihenmittelhaus ihrer Eltern Renate und Erwin Mustermann steht am Stadtrand von München. „Nachdem sie ihr Hochzeitsgeld ebenso wie ein Startkapital aus zwei Bausparverträgen in die Anzahlung eines Eigenheims, eine massive Schrankwand Eiche rustikal, eine graubraune Sofagarnitur und einen Küchentraum im legendären Siebzigerjahre-Grün investiert hatten, fanden sie es an der Zeit, eine Familie zu gründen.“
Job beim Ordnungsamt, gepflegter Kleinwagen und Schrebergarten
Erika hat sich inzwischen aber ihr eigenes Leben mit Kleinwagen, Schrebergarten und Katze aufgebaut. Die mustergültige Deutsche arbeitet – wer hätte das gedacht? – als Sachbearbeiterin beim Ordnungsamt. Schließlich sind ihr Ordnung, Pünktlichkeit und Effizienz sehr wichtig: „Wer Ordnung hält, verschwendet neunzig Prozent weniger Zeit mit suchen“, erklärt Erika. Um 6.18 Uhr steht die Durchschnittsdeutsche auf, denn wer spät aufsteht, macht sich in Deutschland auf jeden Fall verdächtig, ist womöglich Künstler oder Kleinkrimineller. Das hat Erika schon als Kind verinnerlicht, als ihre Mutter früh am Morgen von Zimmer zu Zimmer eilte, um die Rollladen hochzuziehen. „Schließlich sollte niemand denken, dass wir noch in den Federn lagen!“
Ordnung ist das…ganze Leben
Dass Erika so auf Ordnung und Pünktlichkeit steht, kommt also nicht von ungefähr. Schon ihre Eltern haben ihr schließlich beigebracht, dass die Mustermanns „ordentliche Leute“ sind. „Du willst doch nicht, dass die Nachbarn etwas anderes denken“, hat man ihr in ihrer Kindheit immer wieder gesagt. Wobei ordentlich in diesem Zusammenhang eben auch „rechtschaffen“ bedeutet, „vernünftig“ und „ normal“.
Erika ist ein Gewohnheitstier
Erika konnte dieses Denken nie wirklich ablegen und fährt also frühmorgens mit ihrem „gepflegten Golf“ zur Arbeit. Gefühlsausbrüche hat sie nicht so häufig, außer jemand stellt sich auf ihren Parkplatz. „Auch wenn es kein Schild gab, was darauf hinwies: Niemand hatte es je gewagt, mir meinen angestammten Parkplatz streitig zu machen“, beschwert sich Erika bei ihrer neuen spanischen Kollegin, der „Parkplatzdiebin“.
Schlechtgelaunt ins „zweckmäßige Büro“ mit „kränkelndem Ficus“
Schlecht gelaunt betritt Erika ihr „zweckmäßiges Büro“ mit dem „kränkelnden Ficus“ und dem Porträtfoto ihrer Katze „Minka“, öffnet die „Lamellenvorhänge“ und nimmt auf ihrem „ergonomischen Bürostuhl“ Platz, um ihrer neuen Kollegin stolz ihr „selbst entwickeltes Ablagesystem“ zu präsentieren.
62 Minuten Hausarbeit täglich
Auf die Frage ihrer Kollegin, ob sie am Wochenende „was Schönes“ vorhabe, antwortet Erika: „Jede Menge. Ich putze meine Fenster, mache den Schrebergarten schön und dann wasche ich mein Auto…“. Die spanische Kollegin ist irritiert, aber Sauberkeit ist Erika nun mal wichtig – schließlich investiert sie täglich 62 Minuten in Hausarbeit.
Hobbys: Gartenarbeit und Fernsehen, Urlaub in Deutschland oder Spanien
Interessant auch, dass ihr liebstes Hobby die „GartenARBEIT“ ist. 30 Prozent der Deutschen gaben das in einer Umfrage als Lieblingsbeschäftigung an. Was sagt es über uns aus, dass wir auch in unserer Freizeit am liebsten „arbeiten“? Wenn auch in unserem „liebsten Rückzugsort, dem Garten“.
Aber so durch und durch streberhaft sind wir dann doch nicht, sondern auch ein bisschen faul: Ansonsten verbringt Erika ihre Freizeit nämlich gerne vor dem Fernseher mit ihrer Katze. Sie schaut ganze 142 Minuten pro Tag. Wenn Erika in den Urlaub fährt, dann am liebsten nach Deutschland, vermutlich, weil da alles so „ordentlich“ ist. Wer als Deutscher seine Komfortzone verlässt, traut sich nach Spanien. Immerhin.
Vorliebe für Schweinshaxe - und Max Mustermann
Bei ihren Dates bestellt Erika am liebsten Schweinshaxe, weil die Deutschen nun einmal so gerne und so viel Schweinefleisch essen. Obwohl oder gerade weil Erika, die typische Deutsche, so normal ist, findet sie am Ende noch den richtigen Partner zum Heiraten. Sein Name ist nicht Otto Normalverbraucher, aber Max Mustermann. Den typischen Durchschnittsdeutschen möchte sie dann auch noch heiraten. Schließlich sind etwa die Hälfte der Deutschen verheiratet. Allerdings hätte Erika schon längst 1,4 Kinder haben müssen. Klappt ja vielleicht noch.
Ein Hoch auf den Durchschnitt, Sicherheit und Kartoffelsalat
Bleibt noch eine Frage: Warum interessieren wir Deutschen uns so für die Durchschnittsdeutsche? Wer bis hierhin gelesen hat, um sämtliche Fakten über die typische Deutsche zu erfahren, in dem steckt wahrscheinlich mehr Erika als gedacht: Die Antwort gibt die durchschnittlichste aller Durchschnittsdeutschen herself: Es sei einfach sehr praktisch, sich am Durchschnitt zu orientieren, sagt Erika Mustermann. „Das gibt mir Sicherheit, und Sicherheit mag ich als typische Deutsche fast so gern wie Kartoffelsalat.“
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