In Sachen LiebeIch bin Fleischesser, meine Freundin Veganerin – kann das gut gehen?
- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
- Diesmal beschäftigt sich Peter Wehr mit der Frage, wie eine Beziehung zwischen einem vegan lebenden und einem Fleisch essenden Menschen funktionieren kann.
Meine neue Freundin (32) ist schon lange Veganerin. Fleisch erträgt sie nicht– nicht einmal auf meinem Teller. Ich esse aber, gerade im Restaurant, sehr gerne auch mal Fleisch oder Fisch. Einerseits denke ich, ich sollte ihr zuliebe verzichten. Andererseits spüre ich einen Widerwillen – zumal ich es zunehmend anstrengend finde, Milchprodukte in allen Formen meiden zu müssen. Inzwischen denke ich manchmal, das kann nichts werden mit uns. Das erschreckt mich. (Peter, 37)
In Ihren Auseinandersetzungen scheint es um mehr zu gehen als „nur“ ums Essen. Darin scheint sich vielmehr eine generelle Lebenshaltung auszudrücken – zumindest bei Ihrer Freundin. Und darüber hinaus möchte sie offenbar, dass Sie ihre vegane Einstellung übernehmen. Denn, wie Sie schreiben, sie „erträgt“ kein Fleisch auf Ihrem Teller. Offensichtlich haben Sie sich eine Weile daran angepasst und tierische Produkte vermieden. Aber Sie haben sich eben angepasst. Das ist etwas anderes, als ebenfalls überzeugt zu sein. Und dieses Anpassen, das Zurückstecken eigener Bedürfnisse ist Ihnen nun regelrecht zuwider. Sie spüren diese Abneigung als so starkes Gefühl, dass Sie sich sogar fragen, ob es für Sie beide überhaupt eine gemeinsame Perspektive geben kann.
Ich vermute, Ihre Freundin lehnt auch alle Produkte ab, für die ein Tier sein Leben hergeben muss. Und ich vermute auch, dass Sie schon viele Debatten über Tierhaltung, Tierquälerei, über die vielen Skandale in Schlachthöfen sowie die negative Auswirkung von Fleischessen auf die Umwelt und das Klima geführt haben. In all diesen Themen drückt sich die vegane Lebensphilosophie aus, in der das Tierwohl über allem steht.
Vegan oder vegetarisch wird man heute oft schon als Kind
Diese Lebenseinstellung entwickelt sich heutzutage häufig schon während der Kindheit, weil ein Elternteil vegetarisch oder vegan lebt, weil über diese Ernährungsweise gesprochen wurde und weil der Bezug zu Tieren in dieser Lebensphase noch viel emotionaler und durch mehr Mitgefühl geprägt ist. Dann kann sich die Tendenz entwickeln, diese Haltung zu verinnerlichen und mit ins Erwachsenenleben hineinzunehmen. Oder aber eine ganz bewusste Auseinandersetzung mit den verschiedenen genannten Fragen führt erst dann, im Erwachsenenleben, zu einer veganen Lebenshaltung.
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Häufig erleben Veganer einen mit tierischen Produkten gefüllten Kühlschrank oder Teller als leidvoll oder eklig. Das bestätigt auch eine groß angelegte Befragung von mehr als 5000 Veganern über die „Liebe zwischen Veganern und Fleischessern“. Die positive Nachricht ist, dass solche Partnerschaften häufig vorkommen und dass viele Paare, allen Schwierigkeiten zum Trotz, eine gute Beziehungsqualität entwickeln. Allerdings berichteten fast 80 Prozent der Befragten, dass der fleischessende Partner seinen Fleischkonsum reduziert hat. Gut die Hälfte gab an, zu Hause kein Fleisch mehr zu essen.
Genussvolle Kompromisse finden
Viele Varianten sind also möglich. Aber eines ist notwendig: Wenn Sie mit Ihrer Freundin zusammenbleiben möchten, kommen Sie nicht umhin, die vegane Lebensphilosophie Ihrer Freundin zu respektieren. Denn sie ist Teil ihres Wesens. Das bedeutet nun nicht, dass Sie auch Veganer werden müssen. Wenn Sie sich allerdings jeweils an den zugespitzten Enden Ihrer Haltungen bewegen, werden eine größtmögliche Toleranz füreinander und wertschätzende Gespräche notwendig sein, statt in Debatten nur die eigenen Standpunkte gegenüberzustellen und zu festigen.
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Finden Sie liebens- und lebenswerte genussvolle Kompromisse! Mit Blick auf das Tierwohl gibt es beispielsweise ja auch die Möglichkeit, Produkte aus nachhaltiger Tierhaltung zu konsumieren. Im Zuge dessen könnten Sie, statt sich nur anzupassen, eine ganz eigene, vielleicht sogar differenziertere Haltung zu dem finden, was Ihnen zum Thema Essen wichtig ist.