Geschichte der BabyfensterWarum sind Babyklappen bis heute umstritten?
Köln – Als 1999 in Deutschland die erste Babyklappe eingerichtet wurde, war die Resonanz groß. „Es gab damals viele Kindsaussetzungen und -tötungen, die mediale Aufmerksamkeit bekamen“, erzählt Monika Kleine, Vorstand des „Sozialdiensts katholischer Frauen“ (SkF). „Eine bayerische Ordensschwester hat sich an die Babyfenster der Klöster erinnert und daraufhin die erste Babyklappe eingebaut.“ Mit dem Ziel, Kindstötungen zu verhindern, eröffneten danach überall im Bundesgebiet solche Fenster. Auch in Köln wurde auf Beschluss des Stadtrates in Absprache mit dem Jugendamt im „Haus Adelheid“ unter der Trägerschaft des SkF ein Fenster eingerichtet, eines der ersten in NRW. Heute gibt es etwa 25 im Land und rund 100 in Deutschland.
Kaum Qualitätsstandards für Babyklappen
Mehr über Baybklappen
„Moses Fenster“ und „Vertrauliche Geburt“– Informationen und Kontaktdaten beim SkF unter www.skf-koeln.de/angebote/kinder-familie/schwangerschaft-geburt/SkF
Ergebnisse der Studie „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland“ des Deutschen Jugendinstituts (DJI) unter www.dji.de/Projekt_Babyklappen
Das Kölner „Moses Fenster“ war von Anfang an fest in die sozialen Hilfesysteme eingegliedert. Nicht überall aber war das so. Durch eine Studie des Deutschen Jugendinstituts kam 2012 ans Licht, dass es keine Qualitätsstandards für den Betrieb der Babyfenster gab. Jeder konnte ohne staatliche Aufsicht in sein Privathaus eine Babyklappe einbauen. Es gab weder eine Übersicht, wie viele Fenster existierten, noch lückenlose Falldokumentationen. „In den ersten zehn Jahren sind laut Studie 278 Kinder in Babyklappen abgegeben worden, man wusste aber nicht bei allen, was mit ihnen passiert ist“, sagt Monika Kleine. „Manche Fensterbetreiber haben Babys vermeintlichen Eltern einfach wieder so in den Arm gedrückt.“ Im schlimmsten Fall wurde auch illegaler Kinderhandel vermutet.
Es gab massive Kritik, in deren Folge Träger vom Gesetz verpflichtet wurden, die Fenster strukturell ins Hilfesystem einzubinden und sie regelmäßig zu kontrollieren. Eine zentrale Stelle, die die Babyfenster erfasst, gibt es aber bis heute nicht.
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Grauzone: Eigentlich verstoßen die Babyfenster gegen das Gesetz
Seit dem Start der Fenster wurde überdies die Debatte geführt, ob die Aussetzung in der Babyklappe strafbar ist. Angedacht war bereits, Babyklappen zu legalisieren. „Viele dachten, das sei eine gute Lösung für ein komplexes Problem“, sagt Monika Kleine. Das Gesetz wurde aber schließlich vom Verfassungsgericht abgelehnt, weil das Wissen um die eigene Herkunft geschützt ist durch Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. „Die Fenster verstoßen also im Grunde gegen das Gesetz – auch wenn die Mütter nicht angeklagt werden. Es ist eine Grauzone.“ Zudem ergab eine Begleitstudie, dass seit Einführung der Babyklappen die Neugeborenentötungen nicht zurückgegangen waren, die Fenster also in dem Sinne keine Leben retten konnten.
Die „vertrauliche Geburt“ als Hilfe für Mütter in Not
Vertrauliche Geburt
Laut Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) gab es zwischen 2014 und 2021 bundesweit 827 vertrauliche Geburten. Die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. Laut NRW-Familienministerium kamen dort zwischen 2014 und 2019 insgesamt 155 Kinder auf diese Weise zur Welt.
Hilfetelefon und Onlineberatung für Schwangere in Not www.geburt-vertraulich.de/home
Als Folge entwickelte der Gesetzgeber 2014 die „vertrauliche Geburt“ als neues Instrument. Frauen können sich seither bei jeder Schwangerschaftsberatungsstelle informieren und anonym in der Klinik entbinden. „Die Mütter erhalten Begleitung und medizinische Hilfe und müssen nicht alleine gebären“, sagt Monika Kleine. „2021 gab es bei uns im SkF acht Anfragen zur vertraulichen Geburt.“
Gehören Babyklappen dann abgeschafft?
Aber sind dann Babyklappen überhaupt noch wichtig? Es sei ein Risiko, jetzt alle Fenster zuzumachen, sagt Kleine. „Anders als die vertrauliche Geburt sind Babyklappen sehr bekannt und für manche Frauen bieten sie immer noch einen Ausweg in der Not.“ Die Abgaben im Moses Fenster seien trotz der vertraulichen Geburt nicht zurückgegangen, ergänzt Corinna Berenfänger, die die Betreuung der Moses-Kinder organisiert. „Unserer Erfahrung nach sind das einfach unterschiedliche Zugangswege ins gleiche Familienhilfesystem.“