Streitfrage der WocheSollten Eltern heiraten?
- Jede Woche widmen wir uns einer Streitfrage und stellen ein Pro und ein Contra vor. In dieser Episode: Sollten Eltern heiraten?
- Magazin-Redakteurin Katrin Voss ist überzeugt, dass nicht nur die Steuervorteile, sondern auch eine innigere Beziehung der Familie helfen. Eine Heirat macht außerdem gesünder und glücklicher.
- Magazin-Redakteurin Eva Reik sagt hingegen: Was sollen wir mit einer Urkunde, wenn zwei Kinder unsere Innigkeit beweisen? Außerdem ist die Heirat ein Zeichen alter Rollenbilder, die wir überwinden sollten.
Tradition, Rechtslage, Steuervorteile – es gibt viele Gründe zu heiraten. Andererseits: Wie soll ein Trauschein der Liebe gerecht werden? Und überhaupt: So eine Ehe ist doch heute gar nicht mehr zeitgemäß, oder? Unsere Redakteurinnen Katrin Voss und Eva Reik stellen Ihre Perspektiven im Streit der Woche dar: Sollten Eltern heiraten?
Pro: Die Ehe ist Verbindlichkeit in einer Welt, in der es wenig Verlässliches gibt
Mein Mann wusste natürlich längst, dass er sich mit mir eine Dauerbaustelle einhandelt. Eine, die stets am größtmöglichen Freiraum für ihr emanzipiertes Selbst arbeitet. Als wir zum Standesamt gingen, war ich skeptisch genug dafür zu sorgen, dass mein Nachname so blieb wie er war. Sorgfältig darauf bedacht, trotz Trauschein einen maximal unabhängigen Eindruck zu erwecken.
Eine unergründliche Vorsichtsmaßnahme, denn erstens war und blieb der Mann der richtige. Und zweitens ist die Wirklichkeit bis heute nicht an dem gescheitert, was wir uns gegenseitig versprochen haben. Als die Kinder kamen, stellten sie unser Leben auf den Kopf – und solcherlei beziehungsängstliche Vorsichtsmaßnahmen Stück für Stück infrage. Das mit dem Namen ist ja so was von egal.
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Kinder werden ihre Eltern, kaum dass sie sprechen können, gewiss nicht nach der Heiratsurkunde fragen. Auch der rechtliche und steuerliche Vorteil, mit dem der Gesetzgeber Verheiratete schützt, weil er sie als Hort der Fortpflanzung für behütenswert hält, dürfte Kindern egal sein. Sie scheren sich nicht um Grundfreibeträge, Ehegattensplitting, Erbrecht und automatisch gemeinsames Sorgerecht für zwei, die verheiratet sind. Sie wollen für sich nur eins: Eltern, die ihre Kinder und einander lieben.
Heiraten macht glücklicher und gesünder
Und damit schließt sich der Kreis. Natürlich – werden die Gegner einwenden – birgt das Lebensmodell Ehe auch Risiken. Auf 449 500 Eheschließungen im vergangenen Jahr kamen 148 066 Scheidungen in Deutschland – bis dahin dauerten diese Ehen im Schnitt 14,9 Jahre. Dahinter steckt aber auch eine gute Nachricht: Denn zwei von drei Ehen halten. Verlaufen sie einigermaßen glücklich und stabil, bleiben die Beteiligten sogar gesünder als andere, rechnen Forscher von der Harvard-Universität vor. Ehen senken angeblich signifikant das Risiko von Demenz und Übergewicht.
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Menschen heiraten, weil sie ihre Liebesbeziehung in eine alltagsfähige Form gießen wollen. Sie tun es auch des Rituals wegen: Früher mehrheitlich vor dem Traualtar, heute auch schon mal in der Seilbahn oder Tropfsteinhöhle. Egal wo die Besiegelung stattfindet, es geht um das Versprechen, denn das stellt Verbindlichkeit her in einer Welt, in der es wenig Verlässliches mehr gibt. Obendrein dürfte klar sein, die wenigsten Beziehungen leben dauerhaft von Luft und Liebe, sie brauchen eine Aufgabe: Kinder kriegen. Welt erobern. Firma führen. Ein Vertrag, der das Zusammensein umrahmt, ist da alles andere als ein Romantikkiller. Er schafft Vertrauen und Sicherheit.
Wer die Ehe misstrauisch betrachtet und sie für ein reaktionäres Konstrukt aus vergangenen Zeiten hält, das die Romantik mit den Mitteln der Vernunft erstickt, kann an dieser Stelle kurz mal innehalten. Was euch blockiert, ist die mangelnde Bereitschaft zum Kompromiss – dabei bedeutet der mitnichten das Ende der Liebesbeziehung! Im Gegenteil. Wer mutig ist und Ja sagt, formt ein starkes Wir und entdeckt – bei allen Zweifeln und Fehlern – darin vielleicht jeden Tag aufs Neue sein ganz persönliches Glück.Deshalb, Paare, wenn ihr glaubt, euch gefunden zu haben: Traut euch!
Katrin Voss, 50, Magazin-Redakteurin, ist seit 17 Jahren verheiratet. Zum Standesamt gingen ihr Mann und sie nach sieben Jahren ohne Trauschein. Die Kinder kamen danach.
Contra: Was sollen wir mit einer Urkunde, wenn zwei Kinder unsere Innigkeit beweisen?
Natürlich kann man heiraten, wenn man Kinder hat. Aber man muss nicht heiraten, weil man Kinder hat. So wie man auch nicht an den Stadtrand ziehen muss, um dort sein Nest zu bauen. Weil sich in den seltensten Fällen ein üppiger Blumengarten hinter der Fassade auftut, sondern eher eine handtuchgroße Parzelle Grün zwischen Jägerzaun und Thujahecke. Was nicht heißen soll, dass die Ehe zwangsläufig so bieder verlaufen muss wie der frisch gemähte Rasen anmuten kann.
Aber: Man kann auch mit Kindern sein Innenstadtleben weiterleben und einen großen Bogen ums Standesamt machen. Einfach deshalb, weil ein gewisses Laisser-faire einer Partnerschaft guttun kann. Zumal dann, wenn die Summe der Alltagsverpflichtungen mit Kindern schon groß genug ist. Im Jahr 2019 sollte man sich nicht mehr erklären müssen, wenn man die Eheschließung – eine Rechtsform, die mehrere Tausend Jahre auf dem Buckel hat – für sich nicht mehr zeitgemäß findet.
Die Ehe zementiert Rollenbilder, die wir überwinden wollen
Gerade weil sie aus einer völlig anderen Zeit stammt, zementiert die Ehe nämlich Rollenbilder, die wir heute überwinden wollen. Bevorteilt der Trauschein doch vor allem diejenigen Partnerschaften, in der sich einer um Haushalt und Kinder, der andere um das Geldverdienen kümmert. Dank Ehegattensplitting können bei der Einkommenssteuer durch die gemeinsame Veranlagung erhebliche Ersparnisse zusammenkommen.
Und da sind es heute eben meistens noch die Frauen, die mit lächerlichen Teilzeitgehältern finanziell das Nachsehen haben und bis in das Rentenalter hinein in eine Abhängigkeitsspirale von Teilzeit im Job und unbezahlter Arbeit zu Hause gezwungen werden. Der Staat lässt auch 2019 wenig Spielraum, dem Klischee zu entkommen.
Und was ist mit dem gemeinsamen Nachnamen für die Kinder? Dem Sorgerecht? Der Erbfolge? In der Tat sind unverheiratete Paare da im Nachteil: Stirbt ein Partner, geht der andere leer aus, sofern kein Testament oder eine letztwillige Verfügung vorliegt. So will es der Staat. Das Grundgesetz schützt Ehe und Familie, nicht Lebenspartnerschaften, selbst wenn sie 30 Jahre bestehen. Aus diesen bürokratischen und finanziellen Gründen aber einknicken? Uns zwingen lassen? Müssen wir gar nicht. Es genügt ein gemeinsamer Weg zum Notar. Dort lässt sich von der Patientenverfügung über gemeinsame Besitztümer alles gerecht und partnerschaftlich regeln.
Wo bleibt die Romantik, fragen Sie sich? Meine Gegenfrage: Wozu braucht es eine Urkunde als Beweis der Liebe, wenn zu Hause unsere zwei Kinder um den Küchentisch fegen, die jedes staatliche Zertifikat an Bedeutung von Innigkeit mühelos übertreffen? Und was kann romantischer sein als der Versuch, die Liebe als etwas Dynamisches zu begreifen. Etwas, das nicht fertig besiegelt werden kann, weil es Freiheit braucht und Gelegenheit zu Wachstum und Veränderung.
Und wenn irgendwann die Kinder fragen, wann heiratet ihr eigentlich endlich? Dann, ja dann kann man ja noch mal ganz von vorne überlegen.
Eva Reik, 46, Magazin-Redakteurin, lebt seit 20 Jahren in fester Partnerschaft. Die Rolle der Braut kam ihr schon in der „Vogelhochzeit“ als Kind suspekt vor.
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