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In Sachen LiebeEmotionale Distanz: Meine Partnerin hat ein anderes Gespür für Härte

Lesezeit 4 Minuten
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Manchmal gibt es Verhaltensweisen, die der jeweils andere Partner einfach nicht nachvollziehen kann.

  1. Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  2. In dieser Folge beantwortet Psychologin Elisabeth Raffauf die Frage, wie man mit fehlender emotionaler Wärme des Partners umgeht.

Meine Freundin urteilt, wie ich finde, oft sehr hart über andere. Wenn ich das kritisiere, hält sie mir vor, ich sei konfliktscheu oder nicht solidarisch mit ihr. Was kann ich tun? Dominik, 38

Sie sprechen von Härte Ihrer Freundin im Urteilen über andere. Das klingt unnachgiebig, erbarmungslos, mitleidslos, vielleicht sogar herabwürdigend. Wollen Sie sagen, dass Ihre Freundin wenig Mitgefühl mit anderen hat, wenn sie ihr Urteil fällt? Dass sie also wenig bereit oder in der Lage ist, sich in die Lage der anderen zu versetzen und sie zu verstehen?

Zugleich spüren Sie, dass diese Härte auch Sie trifft: Ihre Freundin kritisiert Sie, wenn Sie nicht der gleichen Meinung sind wie Sie. Sie fordert von Ihnen, dass Sie ihr beistehen und sie nicht kritisieren sollen. Doch wenn Sie es tun, hält Sie Ihnen Konfliktscheu und fehlende Solidarität vor. Das klingt erstmal so, als gäbe es keine Möglichkeit, es „richtig“ zu machen. Auch Ihre Zustimmung zum Verhalten Ihrer Freundin könnte sie Ihnen schließlich als Konfliktscheu auslegen.

Verhalten könnte in der Kindheit begründet sein

Vielleicht ist es hilfreich, das Verhalten Ihrer Freundin zu verstehen: Wenn sie wenig Verständnis für andere hat, wenig gnädig in ihrem Urteil über andere ist, dann ist es gut möglich, dass sie selbst als Kind wenig Mitgefühl und Nachsicht vonseiten der Erwachsenen erfahren hat. Ihr Verhalten heute könnte daher rühren, dass sie Weichheit und Einfühlung früher nicht selbst erlebt hat und beides deshalb sehr viel schwieriger lernen konnte. Vielleicht hatte sie Eltern, die auch hart mit sich und mit ihren Kindern umgegangen sind. Das können Gründe dafür sein, dass sie heute ihrerseits hart urteilt über andere – wahrscheinlich auch über sich selbst – und dass sie „Schwächen“ als etwas Bedrohliches erlebt. Darüber hinaus kann es sein, dass sie in ihrem Beruf Erfahrungen gemacht hat, wie: „Du darfst keine Schwäche zeigen, als Frau schon mal gar nicht.“

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Sie sind mit Sicherheit anders groß geworden, mit einem anderen Gespür für Härte und mit einem anderen Verständnis für andere. Die Tatsache, dass Sie das Verhalten Ihrer Freundin kritisieren, spricht nicht unbedingt für Konfliktscheu, sonst würden Sie dem vielleicht auch aus dem Weg gehen. Sie empfinden eher Mitgefühl mit den anderen und vielleicht auch mit sich selbst. Denn Sie müssen befürchten und haben es schon erlebt, dass die harten Urteile auch Sie treffen.

Dem Partner die eigenen Empfindungen deutlich machen

Fragen Sie sich zunächst selbst: Was springt in mir an, wenn sie so hart ist? Und wie reagiere ich darauf? So können Sie auch sehen, wo Sie selbst besonders empfindlich sind und was möglicherweise gar nichts mit dem Verhalten Ihrer Freundin zu tun hat. Andererseits: Wenn der Partner oder die Partnerin hart ist mit sich und anderen, wird es seltener warme und vertrauensvolle Momente in der Beziehung geben. Und das möchten Sie nicht.

Sagen Sie, wie Sie persönlich es empfinden, und was Sie an ihrem Verhalten schwierig finden. Dass auch Sie selbst die Härte fürchten und sich in den Momenten, in denen sie so hart ist, so weit weg von ihr fühlen. Ihre Empfindungen kennen ausschließlich Sie. Also sprechen Sie von sich.

Blick einer außenstehenden Person könnte helfen

Vielleicht können Sie Ihre Freundin fragen, wie sie als Kind behandelt wurde. Wo es Härte gab und wo Einfühlung. Und erzählen Sie, wie es bei Ihnen war. Manche Menschen werden weicher, wenn sie über sich als Kind erzählen und dann möglicherweise auf das zu sprechen kommen, was sie erlebt haben. Ich weiß nicht, ob Sie Ihre Freundin das fragen können, denn manche möchten da nicht hinschauen, weil es für sie so schmerzhaft ist.

Aber sagen Sie zumindest, dass es Ihnen wichtig ist, unterschiedliche Meinungen haben zu können, und dass dies nicht gegen sie gerichtet ist. Wenn ein solcher Austausch zu zweit nicht gut möglich ist, dann ist es vielleicht mit Hilfe einer dritten, außenstehenden Person möglich.