Wann ist ein Ehevertrag wichtig? Worum wird nach Scheidungen am häufigsten gestritten? Die Kölner Anwältin für Familienrecht Nicole Langen im Interview
Kölner Anwältin für Familienrecht„Menschen können sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen“
„Bis dass der Tod euch scheidet“: eine schöne Vorstellung, aber auch eine zunehmend unrealistische?
Nicole Langen: Leider, ja. Ein Drittel aller Ehen wird geschieden, die Anfragen nehmen bei mir definitiv zu.
In Hollywoodfilmen bekriegen sich die Anwälte beider Parteien dann wegen Millionensummen.
Dafür muss man nicht unbedingt nach Hollywood gehen.
Merken Sie gleich beim ersten Termin, ob eine Scheidung respektvoll oder schmutzig abläuft?
Wenn ein Mandant zu mir kommt, bei dem alle Konten gesperrt und alle Karten eingezogen sind, merke ich in der Tat, dass es schmutzig wird. Und dann stelle ich mich auch darauf ein.
Haben Sie weitere Beispiele?
Es gibt schlimme Szenen: dass jemand etwa damit droht, sich umzubringen, wenn er verlassen wird. Die Emotionen schlagen bei einer Trennung oft sehr hoch. Als Anwältin bin ich dann dazu aufgerufen, diese Menschen nicht nur juristisch zu beraten, sondern auch mit ihren Ängsten und den Ängsten der Gegenseite aufzufangen. Das ist eine komplexe Tätigkeit.
Sind Sie selbst schon bedroht worden?
Alles schon passiert. Dass ich fertig gemacht werde oder dass ich Kölner Boden nicht mehr betreten werde, wenn derjenige mit mir fertig ist. In der Krise sagen Menschen irrationale Dinge, weil sie selbst unter großem Druck stehen. Die Emotionen erstrecken sich auch auf den Anwalt.
Gibt es Fälle, in denen es keine Lösung gibt?
Menschen können so weit gehen, den anderen verfolgen oder ihm das Leben zur Hölle machen, indem sie ihn jahrelang in einen Anwaltskrieg verzetteln, vor Gericht bedrohen und überwachen lassen. Manche Konstellationen sind sehr schwierig. Wir entwickeln juristische Lösungen, aber wenn sich die Menschen trotzdem so viel Leid antun, kann ich ihnen nicht mehr helfen.
Worum wird am häufigsten gestritten nach einer Trennung?
Das dominierende Thema ist Geld. Geld auch im weiteren Sinn: Vermögen, Häuser. Unterhalt ist oft ein großer Streitpunkt, weil damit Existenz-Ängste einhergehen.
Und die Kinder?
Wenn Kinder da sind, natürlich auch die Kinder. Kinder und Geld, alles hängt leider miteinander zusammen, weil die Existenzängste durch Kinder noch größer werden.
Wie gehen Sie als Anwältin vor, wenn Sie merken: Bei den Forderungen geht es vor allem um Rache?
Als Anwältin muss ich versuchen, das Beste für meinen Mandanten oder meine Mandantin zu erreichen. Das ist meine Aufgabe. Im besten Fall ist der andere auch gut vertreten. Am Ende muss der Richter entscheiden, welches Ergebnis dabei rauskommt.
Gibt es eigentlich das verflixte siebte Jahr? Oder wann und warum wird sich am häufigsten getrennt?
Das verflixte siebte Jahr kann ich nicht bestätigen. Meiner Erfahrung nach lassen sich Menschen, die sehr jung heiraten, häufig schnell scheiden. Eine große Herausforderung für Ehen sind ein oder mehrere Kinder. Außerdem ein Hauskauf, eine Verschuldung. Und manchmal, wenn Ehen sehr lange dauern, sagen Menschen: Ich habe dem anderen eigentlich nichts vorzuwerfen, aber die Liebe ist weg. Eine Liebe ein Leben lang aufrechtzuerhalten, ist eine sehr große Herausforderung. Insgesamt ist es einfacher geworden, sich scheiden zu lassen. Man wird gesellschaftlich nicht mehr so stigmatisiert.
Trennen sich eher Frauen oder Männer?
Als Familienrechtler haben wir auch mit Midlife-Krisen zu tun. Viele Menschen haben ein komplexes Leben, möchte irgendwann nochmal frei sein von allem und neu anfangen oder am liebsten nochmal jung sein. Davon sind Frauen und Männer allerdings gleichermaßen betroffen.
Haben Sie in Ferienzeiten mehr zu tun?
In der Vorweihnachts- und Weihnachtszeit definitiv. Wenn Paare schon in der Krise sind, haben sie oft Angst oder Bedenken, mit einem Partner, den sie nicht mehr lieben, noch die Weihnachtszeit durchstehen zu müssen. Da kommen viele Anfragen im Vorfeld. Und auch Paare nach einer Trennung oder Scheidung haben da viele Themen: Jeder möchte zum Beispiel am 24. gerne mit den Kindern Weihnachten feiern, der andere soll das erst einen Tag oder Tage später machen.
Der gesunde Menschenverstand würde sagen: In einem Jahr hast du die Kinder am 24., im nächsten Jahr ist der andere dran.
Es gibt immer kluge Ratschläge, aber die menschliche Psyche ist unterschiedlich. Oft stehen Gefühle vermittelnden oder vernunftgesteuerten Lösungen im Wege.
Immer mehr Paare heiraten gar nicht mehr. Hat das Vorteile?
Es gibt immer noch große wirtschaftliche und steuerliche Vorteile, zu heiraten. Es gibt das sogenannte Ehegattensplitting, die Sparerpauschale oder die Grundfreibeträge. Es bestehen Vorteile bei Schenkung- und Erbschaftssteuer, Krankenversicherungsvorteile oder auch Vorteile bei der medizinischen Notfallversorgung.
Hat die Heirat denn auch Nachteile oder Fallstricke?
Ein Scheidungsprozess ist aufwändiger als eine Trennung unverheirateter Paare.
Wäre es Ihnen lieber, es würden mehr Paare vor der Eheschließung zu Ihnen kommen und sich beraten lassen, statt dass Sie nach einer Scheidung die Scherben aufkehren müssen?
Ganz und gar nicht. Menschen in einer Krise zu begleiten, in der Weise, dass sie gestärkt herausgehen, ist ein gutes Gefühl. Ich entwerfe auch sehr gerne Eheverträge, aber diese Tätigkeiten kann man nicht miteinander vergleichen.
Ein Klassiker: Die Frau bleibt zu Hause, wenn die Kinder kommen, arbeitet nur noch Teilzeit, hat dadurch weniger Einkommen und Karrierechancen und weniger Rente am Ende. Was sagen Sie als Anwältin dazu?
Viele Menschen entscheiden sich für solche Konzepte und sind damit zufrieden. Einen Halbtagsjob auszuüben und die Kinder zu betreuen ist genauso wenig nur ein Privileg wie den ganzen Tag arbeiten zu gehen und die Kinder viel weniger zu sehen. Mittlerweile machen wir in solchen Fällen aber immer öfter einen Ehevertrag. Vor allem junge Paare machen sich immer mehr Gedanken und möchten der Partnerin oder dem Partner, der beruflich zurücksteckt, im Fall einer Trennung finanziell absichern.
Lässt sich das einfach lösen mit einem Vertrag?
Ganz einfach ist das nicht, weil man relativ viel antizipieren muss. In welchem Alter könnte die Scheidung sein? Wie viele Nachteile wird jemand dann erlitten haben? Was wird über die Scheidung bereits kompensiert? Nach einer Scheidung muss derjenige ja schon mehr Rente abgeben, der während der Ehe mehr gearbeitet hat.
Sollte jedes Paar einen Ehevertrag aufsetzen?
Nein. Es gibt sehr viele Eheleute, die ohne Ehevertrag sehr lange Zeit glücklich gelebt haben und die auch ohne Ehevertrag eine gute Scheidung hinbekommen. Es kommt drauf an, welche Erwartung Menschen an die Ehe haben. Das ist sehr individuell.
Was sind Gründe, um einen Ehevertrag aufsetzen?
Die jüngere Generation ist eine Erbengeneration. Es wird häufig gefragt: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen ererbtem Geld und Geld, das wir gemeinsam in der Ehe aufbauen? Kann man das regeln? Ja, kann man. Ein Ehevertrag ist auch ein Instrument, um Sicherheit zu geben. Wenn jemand sich auf eine Konstellation einlässt, in der er subjektiv oder objektiv etwas aufgeben muss oder möchte, dann gibt in dieser Situation ein Vertrag Schutz. Es gibt auch Konstellationen, in denen man den anderen nicht übervorteilen möchte, sodass er am Ende ohne etwas dasteht, wenn die Ehe scheitert.
Haben Sie noch ein konkretes Beispiel?
Manchmal muss jemand beruflich häufig das Land oder die Stadt wechseln. Einer von beiden kann deshalb seinem Beruf nur noch schwer oder gar nicht nachgehen. Das kann man finanziell im Vorfeld regeln, ein gewisses Polster anlegen und den anderen finanziell ausgleichen, damit er sich nicht als Verlierer fühlt.
Kann ein Ehevertrag zur echten Belastungsprobe vor der Hochzeit werden?
Auf jeden Fall. Die Menschen müssen in dem Moment ganz ehrlich sagen, was sie erwarten, auch finanziell. Da habe ich schon erlebt, dass eine gewisse Ernüchterung eingetreten ist. Einmal hat ein Paar dann doch nicht geheiratet. Es kann auch eine Belastungsprobe sein, wenn eine Partei unbedingt einen Ehevertrag will und die andere sich das nicht vorstellen kann.
Gibt es Dinge, die man in einem Ehevertrag partout nicht regeln kann?
Vermeintliche eheliche Pflichten kann man nicht festlegen, auch wenn man das manchmal so in Hollywood-Filmen hört. Wenn Menschen unterschiedlicher Nationalität heiraten, gibt es oft Sorge, dass die Kinder nach einer Trennung in das andere Land genommen werden, wenn Mutter oder Vater umziehen. Aber das können wir nicht regeln, weil man die Freizügigkeit von Menschen nicht einschränken kann in Eheverträgen.
Kann ich in einer Ehe auch nachträglich einen Ehevertrag aufsetzen lassen?
Sofern dieser Ehevertrag einvernehmlich aufgesetzt wird, ist das kein Problem. Die juristischen Detailfragen sind dann allerdings komplexer.
Scheidungskriege spielen sich oft auf dem Rücken von Kindern ab. Landet das häufig vor Gericht?
In meiner Praxis erlebe ich das oft. Man kann über eine Trennung oder Scheidung hinaus gemeinsam das Sorgerecht ausüben, aber wenn man sich gar nicht mehr versteht und nicht mehr miteinander sprechen kann, ist das schwierig.
Erleben Sie Eltern, die ihre Kinder manipulieren?
Manche versuchen, ihre Kinder zu beeinflussen, direkt oder indirekt. Der Kampf um das Kind nimmt manchmal Züge an, die schwierig und vor allem für das Kind schwer zu ertragen sind.
Versucht man als Anwältin zu vermeiden, dass Kinder vor Gericht aussagen müssen?
Das ist eine Gratwanderung. Eigentlich ist es ein sinnvoller Gedanke, dass Kinder gehört werden vor Gericht, dass das Kind als Mensch, als Subjekt und auch als Willensträger mit Würde und Selbstentfaltung wahrgenommen wird. In der Praxis führt das aber manchmal dazu, dass Kinder beeinflusst werden, weil die erwachsenen Beteiligten diese übergeordneten Ziele nicht sehen, sondern wollen, dass das Kind in ihrem Sinne aussagt.
Muss das Kind im Gerichtssaal dann vor Eltern, Anwälten und dem Richter aussagen?
Nein. Das machen die Richter in separaten Zimmern mit Unterstützung von Verfahrensbeiständen, einem eigenen Fürsprecher für das Kind. Es wird alles getan, um die Kinder zu schützen und ihnen gute Bedingungen zu schaffen. Aber wenn sie mich als Mensch fragen, ist es trotzdem nicht schön, wenn man in den Gerichtssaal kommt und da die Kinder vorgestellt werden, die zur Anhörung gehen oder wenn die über den Gerichtsflur hüpfen. Das ist für die Kinder kein schöner Tag. Ich kenne allerdings auch Fälle, wo die Kinder unbedingt aussagen wollen, damit es endlich mal Beachachtung findet, was sie sagen.
Beraten Sie Ihre Mandanten, den Kindern möglichst viel Leid zu ersparen?
Das ist Teil meines Berufsethos. Es ist auch ein wichtiges Anliegen vieler Eltern. Ob die es dann in ihrer emotionalen Verstrickung und ihrem Existenzkampf immer gut hinkriegen, ist eine andere Frage.
Scheidungen sind nicht nur emotional, sondern auch teuer, schon allein wegen der Gerichts- und Notarkosten. Kann sich jeder eine Scheidung leisten?
Ich hatte schon Mandanten, die zu mir kamen nach dem Motto: „Mein Mann oder meine Frau sagt, wir können uns die Scheidung eh nicht leisten, du darfst oder kannst mich also nicht verlassen.“ Denen kann man helfen und sie eines Besseren belehren. Wir haben einen Rechtsstaat, ein Sozialstaatsprinzip und eine Verfahrenskostenhilfe, damit sich jeder eine Scheidung oder einen Unterhaltsprozess leisten kann.
Ist das Pflichtjahr für Scheidungen sinnvoll?
Ich finde das sogenannte Trennungsjahr richtig. Auch in unserer modernen Welt ist die Ehe noch etwas Besonderes, man sollte sie nicht leichtfertig wegwerfen. In diesem Jahr können beide Parteien reflektieren: Sollte ich noch Zeit und Energie investieren oder ist die Ehe wirklich kaputt?
Haben Sie überraschende Versöhnungen erlebt?
Ich habe mehrfache Versöhnungen und immer wieder neue Anläufe miterlebt, bis die Scheidung dann doch kam. Es gibt Mandanten, die sich zweimal haben scheiden lassen, vom gleichen Ehepartner. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich Post von Parteien bekommen, die sagten: Wir sind immer noch glücklich verheiratet, danke.
Was ist für Sie eine gute Scheidung?
Für mich als Anwältin immer dann, wenn die Mandanten zufrieden sind und sagen: Wow, das haben wir gut geschafft. Einer sagte mir mal: Ich kann immer noch zu allen Kommunionsfeiern gehen und wir werden Weihnachten mit den Kindern zusammen feiern. So etwas macht mich glücklich.
Haben Sie selbst einen Ehevertrag?
Nein, ich habe keinen Ehevertrag und das, obwohl ich mit einem Anwalt verheiratet bin (lacht).
Dr. Nicole Langen ist Rechtsanwältin für Familienrecht, Psychologin und Familienmediatorin. Der Hauptsitz ihrer Kanzlei Rechtsanwälte Langen ist in Köln.