Oma oder Opa zu sein, ist ein riesiges Glück – und oft eine echte Herausforderung. Wie tickt die heutige Großeltern-Generation?
Omas und Opas heute„Wir haben festgestellt, dass die neue Großeltern-Generation sehr offen ist“
Omas und Opas werden von Kindern oft innig geliebt – und von Eltern dringend gebraucht. Doch alte Klischees von Oppi und Ommi im Schaukelstuhl passen heute nicht mehr so richtig. Wie sieht ihr Kontakt zu den Enkeln aus, was bewegt sie und worunter leiden sie? Ursi Breidenbach und Heike Abidi haben für ihr Buch „Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss“ viele Omas und Opas gefragt. Ein Gespräch.
Ich möchte aus Kindersicht beginnen: Warum sind Oma und Opa die Größten und Besten?
Ursi Breidenbach: Omas und Opas sind tatsächlich für Kinder oft echte Heldinnen und Helden. Und das hat verschiedene Gründe. Sie sind meist gelassener und nicht so streng, weil auf ihnen nicht die Erziehungsverantwortung lastet. Und sie haben in der Regel viel Zeit und schenken den Enkeln ihre volle Aufmerksamkeit – während die Eltern häufig im Kopf ganz woanders sind.
Heike Abidi: Und sie verwöhnen die Kinder mit leckerem Essen – das wurde in fast jedem Interview genannt, das wir für unser Buch geführt haben. Zu Hause geht es viel um gesunde Ernährung, aber bei Oma und Opa gibt es Deftiges und Süßes. Wobei man natürlich sagen muss: Großeltern sind verschieden und es gibt unter ihnen auch superernährungsbewusste.
Lernen Kinder besondere Dinge von ihren Großeltern?
Breidenbach: Auf jeden Fall, gerade weil bei Oma und Opa vieles anders ist als zu Hause. Ich erinnere mich spontan an meine Großmutter, die aus alten Brotresten Semmelbrösel gemacht hat. Das habe ich von ihr übernommen.
Abidi: Das Schöne ist, Großeltern haben mehr Zeit und Ruhe, die Kinder mitmachen zu lassen. Dann kochen die Omas mit den Enkeln in Seelenruhe Marmelade oder die Opas bringen ihnen handwerkliche Fähigkeiten bei. Und dabei plaudern die Großeltern gerne mal aus dem Nähkästchen, wie die jetzigen Eltern als Kinder waren.
Kommen Großeltern ihren Kindern durch die Enkel oft wieder näher?
Breidenbach: Es wird plötzlich über ganz andere Dinge gesprochen, weil es nun ein gemeinsames Ziel gibt: dieses Enkelkind. Das bringt einen neuen Aspekt in die Großeltern-Eltern-Beziehung.
Abidi: Eigentlich ist man als Kind ja daran gewöhnt, sich von den Eltern etwas sagen zu lassen. Doch wenn man sie zu Großeltern macht, kommt man plötzlich auf das gleiche Level. Nur ist es nun umgekehrt: Nicht mehr die Eltern bestimmen, sondern man selbst legt die Regeln für das Kind fest.
Kommt es dadurch zu Konflikten?
Breidenbach: Das kommt vor, denn schließlich hat sich unheimlich viel geändert im Bereich Ernährung und Erziehung. Wir haben aber festgestellt, dass die neue Großeltern-Generation sehr offen ist und eher bereit dazu, die eigene Meinung zurückzustellen und das zu übernehmen, was die Jungen vorgeben. Ich kenne das noch anders, meine Oma sagte damals öfter zu meiner Mutter „Mach das anders!“. In der heutigen Generation wird Kritik viel vorsichtiger und reflektierter angebracht.
Abidi: Heute sagt die Oma dann eher: „Du, mir ist da etwas aufgefallen – möchtest du das hören?“ Ich kenne aber auch Großeltern, die dieses zaghafte Vorgehen bedauern, weil sie eigentlich gute Ratschläge hätten, ihr Kind aber schonen wollen und sich deshalb nicht trauen, das anzubringen.
Haben es die Eltern in der Hand, wie eng der Kontakt zu den Enkeln ist?
Breidenbach: Schon. Die Eltern sind hier eindeutig in der Machtposition. Im Extremfall können sie den Kontakt zu den Großeltern steuern und auch die Enkel beeinflussen. Oft sind innerfamiliäre Konflikte die Ursache. Ich kenne keinen Fall, in dem die Großeltern gesagt haben, sie möchten ihre Enkel nicht sehen. Dabei ist es gesetzlich festgeschrieben, dass auch Großeltern ein Recht auf den Umgang mit ihren Enkelkindern haben, es sei denn, das Kindeswohl ist gefährdet.
Abidi: Bei getrennten Eltern sind es übrigens meistens die Großeltern väterlicherseits, die die Enkel am seltensten sehen. Viele bedauern das sehr.
Sind Großeltern heute für die Kinderbetreuung noch stark gefragt?
Breidenbach: Viele Eltern brauchen die Hilfe der Großeltern, um ihren Alltag zu stemmen. Omas und Opas sind regelmäßig in die Betreuung mit eingebunden – heute tatsächlich auch die Großväter.
Viele stehen heute aber noch voll im Leben – haben sie überhaupt genug Zeit für die Enkel?
Abidi: Das Klischeebild von Oma und Opa als alte graue Menschen, die wartend auf einer Bank sitzen, entspricht ja überhaupt nicht mehr der Realität. Großeltern sind heute viel fitter als früher und manche stehen noch im Beruf. Zum einen bedauern sie, weniger Zeit für die Enkel zu haben, zum anderen finden sie es auch cool, auf dem Spielplatz für Vater oder Mutter gehalten zu werden.
Haben manche auch gar keine Lust, eingespannt zu werden?
Abidi: Es ist ganz unterschiedlich und hängt vom Charakter ab. Die einen Großeltern betrachten die Enkel lieber von weitem und wollen sich nicht mit ihnen befassen. Andere finden ihre Enkel super, sind aber aktiv und viel auf Reisen, sie wollen ihr Leben nicht komplett aufgeben, sondern setzen klare Grenzen, wenn sie keine Enkelbetreuung leisten können oder wollen. Das ist ja schließlich auch ihr gutes Recht – selbst wenn die Eltern vielleicht enttäuscht sind. Manche stellen wiederum ihr ganzes Leben auf das Enkelkind ein. Eine Oma erzählte uns, sie hat extra ein Wohnmobil gekauft, um zu jeder Zeit kommen zu können.
Wie lassen sich hier Enttäuschungen vermeiden?
Abidi: Schon wenn das Enkelchen unterwegs ist, sollten Eltern und Großeltern über ihre Erwartungen sprechen. Die Eltern könnten schon einmal nachfragen, wie viel Oma und Opa unterstützen können und wollen.
Manche Großeltern sind auch schon älter – schränkt sie das ein?
Breidenbach: Die späte Elternschaft vieler Paare hat natürlich zur Folge, dass manche Großeltern schon ziemlich alt sind. Eine Frau, die mit 80 zum ersten Mal Oma wurde, erzählte uns, dass sie wegen ihres Alters viele Dinge mit den Enkeln nicht mehr schafft. Und sie weiß eben auch, dass sie ihre Enkelkinder nicht mehr so lange begleiten können wird.
Viele Großeltern wohnen weit weg – lässt sich trotzdem eine gute Bindung zu den Enkeln aufbauen?
Abidi: Natürlich ist es einfacher, wenn man um die Ecke wohnt. Aber es muss nicht bedeuten, dass der Kontakt dadurch besser oder enger ist.
Breidenbach: Ich hatte damals eine Großmutter im selben Ort, mit der ich nie richtig warm geworden bin, und eine, die 200 Kilometer weit weg wohnte, die für mich engste Vertraute und Seelenverwandte war. Es spielen eben so viele Aspekte in die Beziehung zu den Großeltern mit hinein. Gerade bei kleinen Kindern ist regelmäßiger Kontakt wichtig. Meine Kinder haben zum Beispiel mit ihren Großeltern immer über Videotelefonie Verstecken gespielt.
Was können Enkel bei Großeltern auslösen?
Abidi: Viele sagen, es ist die größte Erfüllung im Leben, Enkelkinder zu haben. Ein schwedisches Sprichwort besagt: „Enkelkinder sind der süße Nachtisch des Lebens“. Oma oder Opa können mit ihnen toben, selbst mal wieder richtig kindisch sein und endlich mal wieder im Matsch spielen. Aber auch das Kuscheln und die Nähe spielen eine große Rolle. Manche Omas und Opas sind ja in dem Alter wieder alleinstehend und haben einen großen Mangel an Zärtlichkeit.
Halten die Enkel im wahrsten Sinne des Wortes „jung“?
Breidenbach: Ganz bestimmt. Viele Omas und Opas kommen dadurch auch mal raus aus ihrem Fernsehsessel. Manche wollen auch ganz bewusst für die Enkel noch einmal fitter werden.
Und entdecken gerade Opas durch ihre Enkel neue Seiten an sich?
Abidi: Auf jeden Fall. Viele Männer hatten wegen ihres Berufs für ihre Kinder kaum Zeit, doch hängen sich bei den Enkeln jetzt richtig rein. Erwachsene Kinder werden da oft ein bisschen wehmütig, wenn sie den Opa mit dem Enkel sehen und erkennen, was für ein Vater er hätte sein können.
Buchtipp: Ursi Breidenbach/Heike Abidi: „Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss“, Penguin Verlag, 304 Seiten, 12 Euro