Partnersuche in der Pandemie„Geimpft zu sein, erhöht gerade die Chancen auf ein Date“
Köln – Corona hat vieles auf den Kopf gestellt, auch das Daten, Kennenlernen und Verlieben. Was ist anders als zuvor, was gleich und was erhoffen sich Singles und frisch Verliebte von den Lockerungen – und der Zeit nach der Pandemie? Wir haben ein Pärchen und drei Partnersuchende aus Köln gefragt. Sabrina (35) und Daniele (42) etwa haben sich während des Lockdowns kennen und lieben gelernt und finden, dass sich in dieser Zeit alles gleich viel intimer angefühlt hat. Hannah (24) denkt, dass die Corona-Impfung die Chancen auf ein Date erhöht, Arno ( 54) freut sich auf ungezwungene Begegnungen ohne Matsch und krampfige Spaziergänge und Emma (14) hat Corona neue Freunde von außerhalb beschert.
Hannah, 24
Wenn ich darüber nachdenke, dass ich als Single in den Sommer gehe – dann freue ich mich auf die Zeit. Die wird auf jeden Fall schön. In meinem Freundeskreis erlebe ich, dass viele nicht allein sein können. Dabei hat man doch als Single ganz klassische Vorteile: Man muss keine Abstriche machen, keine Kompromisse eingehen. Und man hat viel Zeit für sich selbst, die man nutzen kann. Man muss sich doch erstmal so akzeptieren, wie man ist, sich selbst kennenlernen. Klar, das kann man auch in einer Partnerschaft. Aber ich glaube, dann passiert das eher durch den Partner als durch einen selbst.
In einer Beziehung fühlt man sich sicher. Als Single muss man offensiver sein und öfter mal aus seiner Komfortzone raus. Wobei es natürlich einen großen Unterschied zwischen aktiv und passiv Daten gibt – ob man eben angesprochen wird, weil jemand dich gut findet oder ob man sich selbst auf die Suche macht. Dieses aktive Dating hat Corona schon etwas erschwert. Weil man erstmal viel länger schreibt, bevor man sich trifft. Weil man viel länger überlegt, ob es sich lohnt, den Kontakt einzugehen oder nicht.
Und klar – früher stand auch nicht in den Online-Profilen, „vollgeimpft“ oder „Impfung 1/2“. Wie es aussieht, führt auch das jetzt zu besseren Dating-Chancen. Aber unabhängig davon: Durch Corona hatte ich einfach mehr Lust zu daten. Andere Kontakte haben die letzte Zeit gefehlt und es macht das Leben doch interessanter und spannender, neue Leute – und im besten Fall den richtigen Partner – kennenzulernen.
Gleichzeitig sahen die Dates aber anders aus: Für mich war Bedingung, dass sie nur draußen stattfinden. Und ich habe vorher abgeklärt, wie der andere das grundsätzlich sieht mit Corona. Letztes Jahr war sowieso Dating-Pause, das lief eher schleppend. Aber dadurch, dass ich jetzt geimpft bin und die Zahlen viel geringer sind als zum Beispiel im Februar, bin ich viel entspannter geworden und gehe anders in den Sommer als in den letzten, mit weniger Berührungsängsten auf jeden Fall.
Das mit dem Daten muss aber auch ein wenig gelernt sein. Wenn es klappen soll, muss man schon chatten können. Jedes Mal stumpf alles Berufliche abzufragen, reicht da nicht. Und ich glaube, mittlerweile habe ich so ein Gespür dafür entwickelt, ab wann ich den Kontakt besser abbrechen sollte und was ich aus manchem Verhalten ablesen kann. Das Gleiche gilt auch für persönliche Treffen. Manchmal lohnt es sich, sich vor einem Treffen schon Fragen zu überlegen, die viel über eine Person aussagen. Ich frage dann zum Beispiel nach einem persönlichen Projekt, das sich derjenige fürs Leben vorgenommen hat. Bei mir ist das zum Beispiel das Tanzen, das Malen, Reisen nach Australien. Oder ich frage nach seiner typischen Morgenroutine, damit man sich gleich besser kennenlernt.
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Aber klar, neben diesen schönen Sachen, tiefgründigen Gesprächen, gibt es natürlich auch Tiefs. Manchmal bin ich genervt von dem allem, manchmal verletzt. Man investiert viel Zeit und muss damit rechnen, enttäuscht zu werden. Die ständigen Nachfragen von Oma, Cousinen und der Familie generell nerven unterschwellig auch. „Hast du wen Neues? Was geht denn so bei dir, Hannah?“ Und dass man eben oft nur auf dieses Thema Beziehung reduziert wird, auch gesellschaftlich. Da werden oft nur Paare angesprochen, wie beispielsweise am Valentinstag. Das macht mir persönlich jetzt nichts aus, aber wieso gibt es zum Beispiel keinen Single-Tag?! Das wär’ doch mal was!
Denn man fühlt sich ja selbst eh schon unter Druck. Natürlich möchte ich den Partner finden, mit dem ich mir eine Zukunft aufbauen kann. Das wäre schon so ein Lebensziel. Also denke ich mir beim Daten: Von nichts kommt nichts. Und solange es mir gut tut, ist alles super. Und wenn ich keine Lust habe, für denjenigen einen schönen Sommerabend zu opfern, dann ist das auch okay – und vielleicht auch ein Zeichen. Das habe ich definitiv auch durch das Daten in diesem Jahr gelernt: Mich selbst nicht zu verstellen. Und, dass es sich nicht lohnt, sich krass aufzubrezeln. Ich schminke mich normalerweise nicht so oft. Für manches Date habe ich das gemacht und mich im Endeffekt nicht wohl gefühlt.
Im Grunde ist das für mich ähnlich wie bei meinem Studium: Das mache ich auch nicht für andere, sondern für mich, auch wenn es manchmal stressig ist. Die Menschenkenntnis steigert es noch dazu. Nur so habe ich zum Beispiel eine Person mit Handicap kennengelernt, die ich gedatet habe. Mit einem anderen mache ich jetzt vielleicht einen Tanzkurs. Ein nächster kam aus einem Land, in das ich selbst schon immer mal reisen wollte. Und manchmal ist Online-Dating natürlich auch einfach witzig. Man lernt schon viele interessante Persönlichkeiten kennen.
Für mich ist das Daten diesen Sommer eine Art Projekt – anders als letztes Jahr, wo ich einfach noch vorsichtiger war. Ich habe mir selbst als Ziel für das Jahr gesetzt, mir bewusst Zeit für das Daten zu nehmen. Statt fernzusehen gehe ich lieber auf die Suche. Klar ist das Ziel, eine feste Beziehung zu finden. Aber solange es noch nicht soweit ist, sehe ich jeden Menschen, den ich dadurch treffe, als Bereicherung an. Man kriegt ja auch was zurück. Klar, manchmal auch im Sinne von „fishing for compliments“. Aber man erlebt auch was. Man kann mit Freunden über die Erfahrungen quatschen. Und für mich ist das Daten auch eine Investition in mich selbst und in mein Leben. Ich will ja schließlich jemanden finden, dem ich Liebe schenken kann. Der ganze Input ist es also wert. In der Hoffnung, dass irgendwann der Boomerang zurückkommt. Solange führe ich eben eine Beziehung mit mir selbst – auch, wenn das jetzt total traurig klingt. Aber als Single durch den Sommer, auf diese Zeit freue ich mich. Die wird auf jeden Fall schön! Auch mit Corona.
Aufgezeichnet von Elisa Sobkowiak
Sabrina & Daniele: „Die unsichere Kennenlern-Phase haben wir einfach übersprungen“
Sabrina (35) und Daniele (42), beide aus Köln, sind mitten in der Corona-Pandemie zusammengekommen. Hier erzählen sie, wie sie sich kennengelernt haben und von den ersten Monaten ihrer Beziehung im Lockdown.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Sabrina: Über eine Handy-App. Nach einer Woche intensiven Schreibens haben wir uns dann getroffen.Daniele: Das war im Dezember. Und da man damals nicht viel machen konnte, haben wir uns zum Spazierengehen und Glühwein trinken getroffen. Wir sind dann mehrere große Runden durch den Volksgarten gelaufen. Wir hatten uns viel zu erzählen und es wurde zu keinem Punkt langweilig. Wir waren einfach von Anfang an auf einer Wellenlänge.Sabrina: Ich hatte während Corona mehrere Spaziergang-Dates und hab eigentlich immer direkt gemerkt, ob es passen könnte oder nicht. Mit Daniele habe ich gleich beim ersten Date über Themen wie Familie und Lebensplanung gesprochen. Das war mir wichtig, weil ich dann direkt schauen konnte, ob das eine Zukunft hat. Und das hat alles sehr gut gepasst. Und natürlich fand ich ihn unglaublich süß (lacht).Daniele: Nach dem ersten Date war mir direkt klar, dass wir uns wiedersehen. Wir haben uns dann auch schon ein paar Tage später bei mir zu Hause getroffen, da hab ich für sie gekocht.
Während einer Pandemie jemanden nach Hause zu sich einzuladen, bedarf aber viel Vertrauen, oder?
Daniele: Wir haben das vorher besprochen und fühlten uns beide wohl damit. Diese ganze Corona-Situation, dass man nichts unternehmen konnte und dass es so kalt war, hat schon dazu geführt, dass wir uns sehr früh zu Hause getroffen haben.Sabrina: Im Normalfall hätte ich das auch nicht gemacht beim zweiten Date, aber wir hatten einfach nicht viele Möglichkeiten. Ich hab mich aber abgesichert, hab einer Freundin seine Adresse gegeben und ihr gesagt: Wenn ich mich nach zwei Stunden nicht gemeldet hab, dann schickst du die Polizei dahin. Ich hab mir keine Sorgen gemacht, aber so etwas mache ich immer am Anfang.Daniele: Bevor die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, haben wir tatsächlich wenig unternommen. Wir haben uns getroffen, bei mir oder bei ihr, haben zusammen gegessen, gekocht, oder Essen bestellt, wir waren viel spazieren…Sabrina: Wir haben Nintendo gespielt…Daniele: Wir haben uns neue Fahrräder gekauft. Und irgendwann haben wir angefangen, uns im kleinen Kreis dann auch mal mit Freunden draußen zu treffen.Sabrina: Und wir haben unseren ersten gemeinsamen Urlaub gebucht. So einen richtigen Sommerurlaub, zwei Wochen am Meer. Und zwar bevor wir das erste Mal zusammen essen waren.
Wann wart ihr dann das erste Mal im Restaurant?
Daniele: Da waren wir schon fast ein halbes Jahr zusammen. Anfangs denkt man: Es ist komisch, das in der falschen Reihenfolge zu machen, aber das war es für mich im Endeffekt gar nicht. Wir hatten ja vorher schon zusammen gegessen, jetzt war es nur so, dass wir uns wirklich in die Öffentlichkeit begeben haben.Sabrina: Wenn man beim ersten Date essen geht, fallen einem manchmal ja so Dinge auf wie: Der andere isst mit offenen Mund oder schmatzt. Aber wir wussten ja schon, dass das nicht so sein würde.Daniele: Ein No-Go wäre allerdings gewesen, wenn sie unfreundlich zu den Kellnern gewesen wäre. Es war schon interessant, nach einem halben Jahr Beziehung zu sehen, wie der andere mit fremden Menschen interagiert.Sabrina: Genau. Und ich hab ein Glas runtergeschmissen (lacht).Hat euch das gestört, dass ihr alles in der falschen Reihenfolge gemacht habt?Daniele: Eigentlich nicht. Ich hatte eher das Gefühl, dass wir dadurch diese unsichere Kennenlern-Phase, in der man sonst noch nicht genau weiß, was einmal werden wird, ein bisschen übersprungen haben. Dadurch, dass wir so viel zu Hause und zu zweit waren, hat sich alles gleich viel intimer angefühlt.Sabrina: Es hat den Fokus auf uns Zwei gelegt und nicht auf den Kinofilm oder die Ausstellung. Wir waren mit uns beschäftigt und konnten uns sozusagen ohne Ablenkung kennenlernen. Meine Befürchtung war nur: Wenn der Lockdown vorbei ist und er sieht, wie viel ich normalerweise unternehme, wie viele Hobbys und Freunde ich habe, dann ist er verschreckt. Deswegen hab ich ihm gleich von Anfang an gesagt, dass er sich darauf einstellen muss. Ich bin eigentlich keine, die die ganze Zeit zu Hause hockt.
Daniele: Bisher hat das auf uns aber noch keinen Einfluss, weil wir uns genauso oft sehen wie im Lockdown: Meist einmal unter der Woche und das Wochenende über. Wobei sie dann manchmal tagsüber mit Freunden unterwegs ist. Mir persönlich wären das zu viele Aktivitäten, aber es stört mich nicht. Würde ich zu wenig Zeit abbekommen, würde ich mich schon melden.
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Was ist es für ein Gefühl, dann plötzlich als Paar so in die Öffentlichkeit zu treten?
Sabrina: Ich bin ein bisschen überfordert von der Fülle der Möglichkeiten. Es gibt so viele Sachen, die ich gerne mit ihm zusammen machen möchte: Nochmal ins Kino gehen oder auf ein Konzert. Oder ihm verschiedene Restaurants zeigen, die ich gerne mag.Daniele: Ich glaube, wenn es in Zukunft an die gemeinsame Wochenendplanung geht, könnte es spannend werden. Vielleicht lerne ich sie dann nochmal ein bisschen besser kennen. Was ist denn, wenn ich eine Ausstellung vorschlage und sie sich dafür gar nicht interessiert? Natürlich muss man nicht alles gleich gern mögen, aber das ist etwas, was jetzt zum Vorschein kommen könnte. Bisher ist aber noch nicht viel passiert. Wir haben zwar einen absolut unterschiedlichen Musik-Geschmack, aber wir gehen bald zusammen auf ein Konzert und dann werden wir ja sehen.Sabrina: Letztes Wochenende hatten wir auch eine besondere Situation: Mein Bruder war schlimm vom Hochwasser betroffen und ich wollte hinfahren, um zu helfen. Daniele hat sich direkt bereit erklärt, mitanzupacken . Er hat dann in einem die ganze Familie und den erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis kennengelernt. Er war eine super Unterstützung und ich hab gemerkt, dass ich mich im Notfall bedingungslos auf ihn verlassen kann. Das hat mir so ein tolles Gefühl von Sicherheit gegeben.
Was steht diesen Sommer noch bei euch an?
Sabrina: Naja, unseren Portugal-Urlaub mussten wir wegen Corona umbuchen, jetzt geht’s nach Griechenland. Aber da sind die Corona-Zahlen ja auch wieder gestiegen… Ich freue mich, bin aber auch besorgt, dass der Urlaub doch noch gecancelt werden könnte.Daniele: Ich bin eigentlich sehr optimistisch, aber ich sehe auch die Möglichkeit, dass unsere Urlaubsplanung ins Wasser fällt. Das wäre natürlich doof, aber ich könnte damit umgehen. Ich kenne Sabrina jetzt aber schon so gut, dass ich weiß, dass sie das sehr belasten würde. Wenn sie sich auf etwas freut, dann ist das sehr schlecht, wenn es nicht stattfinden kann.Sabrina: Ja, das wäre furchtbar. Ich brauche diesen Sommer das Meer zum Glücklichsein!Daniele: Ich sehe das ein bisschen romantisiert: Hauptsache, wir haben uns. Der Rest ist zweitrangig.
Aufgezeichnet von Angela Sommersberg
Arno: „Statt eines Besuchs im Museum gab's einen Spaziergang im Regen"
Arno, 54, aus Köln
Seit vier Jahren lebe ich getrennt von meiner Frau und meinen beiden Kindern und war schon bevor die Pandemie ausbrach auf der Suche nach einer Partnerin. Auch damals stellte sich die Frage: Wo lernt man in meinem Alter, knapp 50, eine Frau kennen, die nicht verpartnert ist? Ich bin zwar häufiger als früher auf Partys und zu Konzerten gegangen, habe mich aufgerafft und Tanzkurse besucht, aber mehr als platonische Freundschaften, die ich nicht missen möchte, sind daraus nicht entstanden.
Recht früh habe ich mich, im Frühjahr 2018, auch bei Parship angemeldet und bei Tinder registriert. 20 Dates, eine heiße Affäre, und drei kurze, komplizierte Beziehungen sind daraus entstanden. Mit 50 hat man halt im besten Fall das halbe Leben hinter sich, Einstellungen und Macken haben sich verfestigt. Es fehlt die Unbeschwertheit, das bedingungslose Verliebtsein der früheren Beziehungen.
Corona hat das Dating nicht leichter gemacht. Besonders schlimm empfand ich die zweite Welle im Herbst 2020: Grauenvolles Wetter, Nieselregen, Grau in Grau. Wie oft ich mit Abstand neben einer Frau im Matsch herumgelaufen bin und und in kürzester Zeit die „harten Fakten“ ausgetauscht habe, da kommt wenig Romantik auf. Niemand würde doch auf die Idee kommen, beim ersten Date im Regen miteinander durch den Matsch zu waten. Lieber hätte ich mich im Museum getroffen, mich über Kunst ausgetauscht und dabei etwas über die Interessen, Vorlieben und den Geschmack der jeweiligen Frau erfahren. Oder, Achtung Romantik, ein Picknick am Weißer Bogen organisiert mit selbst gemachtem Vitello Tonnato und einer guten Flasche Wein. Ganz zu Schweigen von einer Party mit Freunden.
Das war auch so ein Problem: Eine Beziehung endete, weil die Frau Corona-bedingt keine Chance hatte meinen Freundeskreis kennenzulernen und deshalb sehr eifersüchtig war, wenn ich mich mit einer Freundin traf. Was ich auch erfahren habe, und ich glaube nicht, dass das ein Corona-Ding ist: Frauen sind beim Date so irre berechnend und entscheiden sofort, ob man der Traumprinz ist oder nicht, denken, man trifft sich, schaut sich in die Augen, und es macht Bäng. Wenn nicht, ist man abgeschrieben. Ich gebe jeder Frau eine zweite Chance.
Jetzt, seit den Lockerungen, setze ich meine Hoffnung auf ein Kennenlernen ohne Absicht, eine zufällige Begegnung, auf einer Party, in einer Südstadt-Kneipe oder der Kahnstation im Blücher Park. Es ist warm, die Nächte sind länger: Auch der Sommer macht das Leben leichter und birgt die Chance, die Dates viel gemütlicher, entspannter und romantischer zu gestalten. Und bei einem Spaziergang durchs Bergische Zeit zu haben, sich über seine Lebenserfahrungen auszutauschen, darüber, was man sich sehnlichst wünscht – und was nicht. Statt schnellen Schrittes durch den Matsch am Rhein zu laufen und Fakten abzuchecken.
Aufgezeichnet von Caroline Kron
Emma: „Über Snapchat habe ich neue Freunde gefunden"
Emma, 14, aus Köln
Als Corona angefangen hat, war ich gerade 13 Jahre alt, jetzt im Winter werde ich schon 15. Ich kenne viele Leute, die sagen, dass das eine coole Lebensphase ist und manchmal denke ich schon, dass ich was verpasst hab. Zum Beispiel diese eine Karnevalsparty, auf die ich immer schon mal gehen wollte, und die nächstes Jahr vielleicht gar nicht mehr so spannend ist. Aber ich versuche auch, das Positive zu sehen: Wir erleben hier gerade eine besondere Zeit, von der ich später bestimmt noch meinen eigenen Kindern erzählen werde.
Außerdem habe ich in den letzten anderthalb Jahren viele Freunde gefunden, die ich ohne Corona nie kennengelernt hätte. Ich lerne nämlich sehr gerne neue Menschen kennen. Vor Corona war es oft auch so, dass meine Freundinnen und ich im Park oder in der Bahn einfach Leute angequatscht haben, die wir sympathisch fanden. Oft auch Jungs. Und manchmal haben auch die Jungs uns angesprochen. Aber plötzlich ging das ja nicht mehr, weil man nur noch zu Hause war und niemanden mehr treffen durfte.
In der Zeit habe ich aber tatsächlich viele Leute über Social Media kennengelernt. Ich nutze zum Beispiel gerne die App „Snapchat“. Und da habe ich herausgefunden, dass man die Leute, die mit einem zusammen auf einem Bild verlinkt sind, auch einfach anschreiben kann. Es sind dann also keine Fremden, sondern Freunde von Freunden. Das ist mir wichtig, denn im Internet gibt es ja auch Fake-Accounts von Männern, die sich als 14-Jährige ausgeben, tatsächlich aber viel älter sind.
Jedenfalls wurde ich mit einem Eishockeyspieler, den ich noch aus der Grundschule kenne, und seinen Freunden auf demselben Bild verlinkt. Einen der Freunde fand ich echt nett und den habe ich einfach mal angeschrieben. Dann haben wir eine ganze Zeit lang gechattet. Ich wollte ihn aber gerne auch mal in echt treffen. Ich finde das ist wichtig, denn dann kann man die Menschen besser einschätzen. Für meine Mutter war das Treffen okay, denn wir kannten uns ja über ein paar Ecken. Ich bin dann zu ihm gefahren, es war Winter, mitten im Lockdown, und man konnte sich schlecht draußen treffen. Dann hab ich gleich seine ganze Familie kennengelernt, das war schon ein bisschen seltsam. Vor allem, weil ich in echt auch viel schüchterner bin als beim Chatten.
Vor dem Treffen dachte ich, dass vielleicht mehr aus uns werden könnte, aber das ist dann irgendwie doch nicht passiert. Wir sind jetzt eher Freunde und haben uns auch nicht nochmal getroffen. Das ist aber total okay für mich, weil ich gar nicht so sehr auf der Suche nach einem festen Freund bin. Ich bin ja jung und habe noch total viel Zeit. Wenn ich Jungs kennenlerne, dann oft eher so als Kumpels. Meine besten Freundinnen haben auch alle noch keinen festen Freund.
In der Corona-Zeit habe ich über Social Media aber auch eine neue Freundin kennengelernt, und zwar über die App „Houseparty“. Darüber kann man mit vielen Leuten gleichzeitig telefonieren und auch Karten spielen oder Karaoke singen. Einmal hab ich darüber mit einem Freund telefoniert, dann kam noch eine Bekannte von ihm dazu. Er musste dann weg – und hat mich einfach mit seiner Bekannten in dem Telefonat alleine gelassen. Es hat sich dann rausgestellt, dass sie aus Lettland kommt und gerade in Deutschland ist. Wir haben uns richtig gut unterhalten und jetzt immer noch Kontakt.
Ich finde es toll, dass ich so auch Freunde gefunden habe, die weiter weg wohnen. Ohne Corona hätte ich nur Menschen in meiner Umgebung getroffen.Ich interessiere mich total für andere Kulturen und plane auch gerade ein Auslandssemester in Kanada. Dort möchte ich unbedingt in eine Provinz, in die wenige Austauschschüler gehen, um die Menschen vor Ort kennenzulernen. Wenn alles gut geht, fliege ich nächsten Sommer hin.Jetzt genieße ich es aber erstmal, meine Freundinnen und Freunde wieder unbeschwerter sehen zu können. Wir treffen uns im Park oder auf den Rheintreppen und machen dort Picknick. Oder wir fahren zum Fühlinger See zum Stand-up-Paddeln und dann lernen wir einfach da neue Leute kennen.
Ich merke auch, dass ich jetzt viel weniger am Handy hänge und schreibe. Aber ich denke mir: Wenn die Leute, die ich über Social Media kennengelernt habe, richtige Freunde sind – dann werde ich mit denen auch weiter Kontakt halten. Bei allen anderen war die Verbindung einfach nicht stark genug. Genauso, wie ich während Corona gemerkt habe, wer wirklich gute Freunde sind: Die Leute, die mich auch mal gefragt haben, wie es mir geht. Und die sich nicht nur wegen der Hausaufgaben gemeldet haben.
Aufgezeichnet von Angela Sommersberg