Miete, Sparen, BörseWarum Eltern viel offener mit Kindern über Geld reden sollten
Köln – Ich erinnere mich noch sehr gut an das große rote Sparschwein, in das mein Opa jeden Monat eine Münze für mich steckte. Und an den Weltspartag, an dem ich jedes Jahr stolz mein Schweinchen zur Bank schleppte und dafür ein Heftchen und ein kleines Spielzeug bekam. Sonst aber habe ich mich damit nicht beschäftigt damals.
Ich wusste kaum etwas darüber, wie viel Geld das tägliche Leben kostet – es war halt da oder nicht. Man hat mit Kindern darüber nicht geredet. Das passte zum Grundsatz: „Über Geld spricht man nicht!“ Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, mehr gefragt zu haben. Denn als ich als junge Erwachsene auszog, war vieles rund um das Thema Finanzen für mich noch ein Rätsel.
Taschengeld seit den 60er Jahren
Wenn es darum geht, Kinder mit Geld in Berührung zu bringen, denken die meisten wohl zuallererst ans Taschengeld. Das bekommen Kinder hierzulande schon seit den 60er Jahren. Und auch heute führen es viele Familien ein, meistens nach der Einschulung.
„Taschengeld ist ein gutes Lerninstrument für Kinder, um Erfahrungen mit Geld zu machen“, sagt Kirstin Wulf – sie veranstaltet bei „bricklebrit“ Workshops für Kinder und Eltern zum Umgang mit Geld. „Es gibt aber noch viele andere Möglichkeiten, mit Kindern über Geld zu sprechen, und das auch schon in jüngerem Alter.“
Werbung überall – Kinder sind früh von Geld umgeben
Im Alltag gebe es viele Dinge, die indirekt mit Geld zu tun haben. „Bereits kleine Kinder verstehen beim Besuch im Supermarkt, wenn Eltern Preise vergleichen und erklären, dass Dinge unterschiedlich viel kosten.“ Auch die Werbeblättchen im Briefkasten könnten Aufhänger für ein Gespräch sein. „Eltern können die Kinder einfach mal fragen: Was wollen die mit diesen Blättchen von uns?“
Häufig begriffen Kinder schon gut, was Werbung bedeutet, auch weil sie dauernd von ihr umgeben seien. „Schon unsere Jüngsten sind heute Zielgruppe von Werbeunternehmen. Sie kommen früh mit Werbung in Berührung, selbst wenn sie kein Fernsehen schauen, einfach nur bei einem Spaziergang durch die Stadt.“
Über Geld zu sprechen ist heute oft noch ein Tabu
Um sie vor dem Konsumdruck zu schützen, wollten viele Eltern das Thema Geld von ihren Kindern lieber fernhalten. Dabei habe das Verständnis von Geld ja gar nichts mit Kaufdruck zu tun. „Oft verbinden Erwachsene mit Geld auch schlechte Erfahrungen und negative Gefühle und reden deshalb nicht offen mit ihren Kindern darüber“, sagt Kirstin Wulf.
„Das wird über die Generationen so weitergetragen und ist der Grund, warum über Geld zu sprechen auch heute noch ein Tabu ist.“ Dabei sei das gerade heute besonders wichtig, weil Kinder in der Zukunft auch im Bereich Finanzen stark gefordert werden würden. „In einer immer komplexer werdenden ökonomischen Welt mit immer weniger Geld zum Anfassen müssen sie viel mehr verstehen und eigenverantwortlich handeln. Und wir sollten ihnen die Tür dazu aufmachen.“
Im Netz:
Monkee: Geld spielerisch und altersgerecht verstehen
Schulserviceportal Jugend und Finanzen
Da vieles rund ums Geld nicht leicht zu verstehen sei, könnten Eltern mit Vergleichen und Visualisierungen arbeiten. „Es geht auch darum, Spaß daran zu haben, sich mit Geld zu beschäftigen.“ Das fange schon beim Kaufladenspielen mit kleinen Kindern an. Um zu veranschaulichen, warum man mit einer Karte zahlt, könne man zum Beispiel aus einem Schuhkarton eine Bank basteln und dort symbolisch Geld lagern.
„Einmal wollten Kinder wissen, wie Menschen früher gelebt haben, als das Geld noch nicht erfunden war. Da haben wir uns vorgestellt, wie umständlich es wohl sein musste, mit Steinen zu zahlen, die sich nicht einfach in die Hosentasche stecken ließen.“ Nicht selten kämen konkrete Fragen von den Kindern, weil sie im Alltag viel mitbekämen. „Ältere Kinder wollen dann vielleicht wissen, warum sich im Supermarkt alle gerade um Öl reißen, auch darüber könnte man Zusammenhänge erklären.“
Kinder wissen oft nicht, woher das Geld kommt
Dass Geld da ist und man es für Süßigkeiten oder ein Spielzeug ausgeben kann, das wissen Kinder früh. „Diesen Tauschaspekt begreifen auch Vorschulkinder. Woher das Geld aber kommt, ist ihnen nicht unbedingt klar“, sagt Kirstin Wulf. Manche wüssten nicht einmal, mit welchen Berufen die Eltern ihr Geld verdienten.
Oder dass das Geld nicht einfach unendlich vom Himmel fällt, sondern es in jeder Familie ein Budget gebe. „Um das in den Workshops zu veranschaulichen, nutze ich eine Lohntüte, in die früher der ganze Monatslohn gelegt wurde. Ich zeige den Kindern, dass man nur so viel herausnehmen kann, bis sie leer ist.“
Die Lebenskosten der Familie für Kinder sichtbar machen
Wieviel das Leben kostet, das ist ohne Frage ein wichtiger Punkt, wenn man über Geld spricht. „Kindern sind Dinge wie Tanken oder Einkaufen bewusst, aber sie sehen nicht die Überweisungen, die die Eltern abends erledigen oder die Stromrechnung, die abgebucht wird.“
Um das transparent zu machen, könnten Eltern mit Kindern darüber sprechen, wofür die Familie Geld ausgibt und was regelmäßig bezahlt werden muss. „Mit einem Tortendiagramm lässt sich gut simulieren, wofür wieviel Geld im Monat eingeplant werden muss“, schlägt Wulf vor. Dieses Wissen könne auch jungen Erwachsenen später bei der Einschätzung helfen, welche Wohnung sie sich überhaupt leisten können.
Global Money Week
Noch bis zum 27.3.2022 läuft die „Global Money Week“, eine jährlich stattfindende Kampagne der OECD, die weltweit auf die Bedeutung von finanzieller Bildung für junge Menschen aufmerksam macht. Alle Veranstaltungen gibt es hier.
Wenn das Geld in der Familie knapp sei und Prioritäten gesetzt werden müssen, könne man das für die Kinder offen einordnen. „Ich schlage Eltern vor, authentisch zu sein und ihre Entscheidung zu erklären: Dass vielleicht dieses Jahr kein Urlaub möglich ist, weil gerade ein neues Kinderzimmer angeschafft wurde – aber auch trotzdem noch genug Geld für ein Eis da ist.“ Auch die Frage könne dann zur Sprache kommen, was passiert, wenn man sich Geld irgendwo leihen muss und Schulden hat.
Geld ansparen und anlegen als wichtige Erfahrung
Um zu lernen, Verantwortung für Geld zu übernehmen und dabei eigene Entscheidungen zu treffen, dafür sei das Taschengeld gut geeignet. „Die Kinder müssen selbst überlegen, wieviel Geld sie direkt ausgeben und was sie sparen möchten.“ Dass man Geld für ein Ziel ansparen kann, sei eine wichtige Erfahrung. Ob man Kindern noch das Prinzip Sparbuch beibringen müsse, das sei schwer zu sagen.
„Die Idee dahinter, dass man regelmäßig Geld ablegt und dafür mit Zinsen belohnt wird, ist heute nicht mehr oft einzulösen“, sagt Wulf. Aus Spaß lasse sich diese Situation auch zuhause simulieren: die Kinder zahlten das Geld an die Eltern und bekämen einen Zins dafür. „Mit älteren Kindern könnte man gemeinsam recherchieren, welche Produkte es gibt, über Zinsen sprechen und überlegen, ob es sich lohnt.“
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Um Begriffe wie Börse und Fonds genauer zu erklären, lasse sich zum Beispiel gemeinsam mit den Kindern überlegen, welche Vorteile und Risiken es dabei gibt und was Nachhaltigkeit und Moral damit zu tun haben. Auch eine kleine Summe anzulegen und das zusammen zu beobachten, sei eine Idee. „Die Botschaft darf schon sein, etwas aus dem eigenen Geld machen zu wollen“, sagt Kirstin Wulf.
„Aber ich rege an, ehrlich zu den Kindern zu sein und ihnen zu vermitteln, dass man heute nur schwer sagen kann, wie sie ihr Geld später einmal vermehren können.“ Wenn sie sich aber über die Jahre mit diesen Themen beschäftigen, seien sie gerüstet und könnten gut entscheiden, wenn es so weit sei.