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Streit der WocheDarf ich meinen Teenager per Smartphone überwachen?

Lesezeit 6 Minuten
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Das Smartphone ist für viele Teenager ständiger Begleiter. (Symbolbild)

  1. Jede Woche widmen wir uns einer Streitfrage und stellen ein Pro und ein Contra vor. In dieser Episode: Darf ich meinen Teenager per Smartphone tracken?
  2. Für Magazin-Redakteurin Eva Reik bedeutet Erziehung ständiges Aushandeln von Regeln und Gewähren von Freiheiten - allerdings nicht von Null auf Hundert: Die Möglichkeit der Handyortung sieht sie als Absicherung.
  3. Magazin-Redakteurin Katrin Voss hat zwei Kinder im Teenager-Alter und ärgert sich selbst manchmal, wenn sie die nicht erreichen kann. Sie findet aber auch: Wer seine Kinder trackt, verletzt deren Persönlichkeitsrechte.

Köln – Unser Streit der Woche: Darf ich meinen Teenager per Smartphone tracken?

Pro: Beobachten, ja. Ausspionieren, nein.

von Eva Reik

Gibt es ein schlimmeres Klischee als dieses: Hysterische Mutter aus dem Belgischen Viertel ortet ihre Kinder. Das erinnert sehr an die vor ein paar Jahren verhassten Latte-Macchiato-Muttis vom Prenzlauer Berg, die mit Pappbecher um den Spielplatz pirschten und der deutschlandweiten Presse immer wieder Feuer boten. Im Kölner Belgischen Viertel jedenfalls hat sich parallel eine Elternschaft etabliert, die mit Argusaugen genauso Brutpflege betreibt, wo jeder Atemzug, jedes Tor, jede Rollschuhrunde gelobt und beklatscht wird. Das kann, unter uns gesagt, nerven.

Ein gehöriger Paradigmenwechsel übrigens: Denn die jetzige Elterngeneration ist im Laisser-faire aufgewachsen. Man spielte als Nichtschwimmer am Bach, marschierte ab Tag zwei allein in den Kindergarten, kam nach Hause, wenn es dunkel wurde, saß womöglich in vollgequalmten Autos. Die Eltern zuckten nicht mal. Heute machen wir es anders, besser oder schlechter, jedenfalls als schwirrende Helikopter, die erst beklatschen und später, logisch, per Handy orten.

Eltern und Kinder wachsen an der Herausforderung

Ich wohne mitten drin – und ließ mich zum Glück nicht komplett einnehmen: Habe die Kinder bisher nicht an meine Kette gelegt und auch nicht aus jeder Spielplatzrunde ein Happening kreiert. Trotz großer Freiheitsliebe finde ich es legitim, die Kinder via Handy zu orten. Bisher mache ich das noch nicht, bisher habe ich nur die Kontrolle über Apps und Bildschirmzeit. Aber ich werde es tun. So wie viele meiner Freunde es getan haben, deren Kinder schon etwas älter sind. Damals dachte ich: Das geht überhaupt nicht. Ich fragte mich, wie angstgetrieben, überfürsorglich und übergriffig sie sind. Heute denke ich: Es ist okay.

Meine Kinder werden gerade erst flügge, und mit dem Übergang ins Gymnasium, ist der Radius größer geworden. Dann muss man aushalten, wenn die neue Klassenkameradin in Merkenich besucht werden soll, und die vertraute Bahnstrecke von drei auf 17 Stopps bis zur Endhaltestelle anwächst. In dieser halben Stunde Fahrtzeit kreisten die Gedanken um wenig anderes als um die Frage, ob das gut geht. Ich habe mich gezwungen, nicht anzurufen, weil ich im Grunde glaube, dass beide an solchen Erlebnissen wachsen, Elternteil und Kind.

Handyortung als Notfallabsicherung

Aber: Je größer der Radius wird, je weiter die Termine in den Abend gelegt werden, je weniger ich das weitere Umfeld kenne, in dem das Kind sich bewegt, desto mehr tendiere ich zur Option: Handyortung. Darf man das? Beobachten, ja, ausspionieren, nein, finde ich. Wo ist der Unterschied, werden Sie fragen? Das eine hat mit Kontrolle auf Schritt und Tritt zu tun, das andere mit dem beruhigenden Gefühl, notfalls zu wissen, wo die Kinder sind.

Ich will nicht wissen, ob sie nach der Schule auf dem Heimweg trödeln oder Kaugummis kaufen. Ich will wissen, wenn sie die ersten Male ausgehen, ob sie am finsteren Rheinufer in Deutz angekommen sind, wo sie am Aachener Weiher zu finden sind, sollte ich sie tatsächlich eines nachts dort suchen müssen.

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Erziehung ist doch von Tag eins an nichts anderes, als in einem selbst formulierten Regelwerk die Freiheiten immer wieder neu auszuloten. Je kleiner die Kinder sind, desto mehr Schutz, Nähe und Sicherheit brauchen sie. Deshalb lässt man sie auch nicht mit Rasierklingen und Stricknadeln spielen, sondern mit Kuscheltieren und Lego. Je größer sie werden, desto mehr muss man sie ziehen lassen.

Beide, Eltern und Kinder müssen während des ganzen Heranwachsen lernen, mit den täglich neu hinzukommenden Freiheiten umzugehen. Für das Gelingen sind Sicherheit und Erfahrung gute Garanten. Aber beide brauchen Zeit fürs Hineinwachsen. Und weil es mehr unbekannte Faktoren gibt – eben auch mit Handyortung. Bislang ging das Konzept ganz gut auf.

Contra: Jugendliche brauchen Freiräume

von Katrin Voss

Solche Features waren früher bestenfalls James Bond vorbehalten. Handyortung! Eigentlich ist die doch wohl dazu erfunden worden, ein verlorenes oder geklautes Handy wiederzufinden. Jetzt orten Leute mittels Tracking-App schon ihre Partner oder Kinder. Was für eine respektlose Art von Mobilschnüffelei!

Um es gleich vorwegzunehmen: Natürlich sind Smartphones aus unserem Leben und dem unserer Kinder nicht mehr wegzudenken. Das ist okay, weil sie das meiste einfacher machen – und vieles überhaupt erst möglich. Und ja, wer heutzutage ein Kind großzieht, der macht sich andere Sorgen als unsere Eltern das taten. Die Welt ist schlecht, Missetäter lauern an jeder Ecke. Der Großstadtdschungel steckt voller Gefahren.

Was passiert mit den gesammelten Daten?

Also tracken wir unsere Kinder per GPS-Signal, damit wir sehen, wo sie sich herumtreiben. Ein imaginärer Geozaun markiert den Radius, innerhalb dessen sich ein Kind bewegen darf. Verlässt es den Bereich, werden die Eltern auf ihrem Smartphone alarmiert.

Aber damit nicht genug: Warum nicht gleich bei der Gelegenheit noch im Instagram-Account vom Sohnemann herumstöbern oder schnell mal vom Büro aus die Kamera auslösen, um Fotos von den Mädels zu machen? Ein Unsichtbar-Modus sorgt dafür, dass das Kind rein gar nichts davon mitbekommt.

An alle Kontrollfreaks, die sowas gut finden: Habt ihr euch schon mal gefragt, was mit den gesammelten Daten passiert? Firmen, die solcherlei Software herstellen, scheren sich wenig um den Datenschutz und werden Informationen gerne an Dritte verhökern. Keine einzige dieser Kontroll-Apps ist so sicher programmiert, dass Hacker sie nicht knacken könnten, fand das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt letztes Jahr bei Tests heraus.

Eine Frage von Vertrauen und Privatsphäre

Die Überwachungsdaten werden von den Anbietern nämlich auf Servern zwischengespeichert, die nicht korrekt verschlüsselt sind, weshalb ein jeder, der es darauf anlegt, Bewegungsprofile speichern sowie Nachrichten und Bilder ansehen kann.

US-Forscher wollen in dem Zusammenhang nachgewiesen haben, dass lediglich vier gespeicherte Locations mit Zeitstempel genügen, um diese eindeutig einem Individuum zuordnen zu können - und das mit einer Genauigkeit von 95 Prozent. Es lebe der ganz normale Überwachungsstaat!

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Hallo Helikoptereltern, was ihr versucht, ist mittels Tracking eure eigenen Ängste in den Griff zu bekommen. Aber viel dramatischer ist der Schaden, den ihr damit anrichtet! Es geht um das Vertrauen, das ihr bei der Erziehung gegenüber euren Kindern komplett verspielt, es geht um ihr Recht auf Privatsphäre.

Begleiten statt kontrollieren

Logisch, dass Überwachung das Gefühl von gegenseitigem Vertrauen und Verbundenheit untergräbt. Es hat nämlich nichts mit Sorge zu tun, einem Kind die digitale Fußfessel anzulegen, sondern mit mangelndem Zutrauen. Wie bitteschön soll ein junger Mensch Verantwortung für sein Handeln entwickeln, wenn wir einen virtuellen Gartenzaun um ihn herum errichten, statt ihm Freiräume zu bieten?

Wer sein Kind auf Schritt und Tritt verfolgt, der zeigt nicht nur, dass er ihm misstraut, sondern behindert schlimmstenfalls dessen persönliche Entwicklung. Kinder begleiten, nicht kontrollieren, das ist unsere Aufgabe!