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UntreueWarum so viele Menschen fremdgehen und wer besonders gefährdet ist

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Männer und Frauen betrügen ihre Partner gleich häufig, aber Männer nutzen öfter Gelegenheiten. 

Köln – Wenn in einer Beziehung ein Partner fremdgeht, ist das für die meisten Menschen ein großer Verrat und mit viel Schmerz verbunden. Warum hat er oder sie mich betrogen? Auch der untreue Mensch stellt sich die Frage, was ihn zum Seitensprung getrieben hat. Warum betrügen so viele Menschen ihre Partner, obwohl sie Treue eigentlich für das wichtigste Gut in einer Beziehung halten?

Die kurze Antwort lautet: Weil wir alle zwei grundverschiedene Bedürfnisse in uns tragen: Sicherheit und Abenteuer. Und diese beiden Wünsche lassen sich meist nicht innerhalb einer langen Beziehung verwirklichen. Wenn es dann aber wirklich passiert und ein Partner fremdgegangen ist, ist der Schock groß. „Eine Affäre ist eine Grenzüberschreitung, die einem Paar die Beziehung, das Glück, ja sogar die Identität rauben kann“, schreibt die amerikanische Psychotherapeutin und Paartherapeutin Esther Perel in ihrem Buch „Was Liebe aushält“, in dem es um Untreue geht.

Wie viele Menschen gehen fremd?

Keiner will betrogen werden, trotzdem gehen viele Menschen fremd, wie eine 2021 vom Magazin „Playboy“ in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Norstat zeigt. Ihr zufolge sind rund ein Viertel der Männer und Frauen in Deutschland in ihren Beziehungen schon mindestens einmal fremdgegangen – und das, obwohl Treue für eine Mehrheit von 73,6 Prozent die mit Abstand wichtigste Eigenschaft ihrer Partnerinnen und Partner ist. Von den befragten Männern bezeichnet sich mehr als jeder Dritte (34,5 Prozent) als notorischen Fremdgänger mit Seitensprüngen bei jeder Gelegenheit.

Mögliche Anzeichen für Untreue

Es ist nicht immer einfach zu erkennen, ob der Partner oder die Partnerin treu ist oder nicht. Die Psychologin und Familientherapeutin Shirley Glass hat in ihrem Buch „Die Psychologie der Untreue“ einige Hinweise zusammengestellt:

Privatsphäre: Telefongespräche werden öfter privat geführt, das Handy nie aus der Hand gelegt.Zeitplanung: mehr Zeit außer Haus, längere Arbeitszeiten, mehr Reisen und Meetings. Die Erklärungen für diese Veränderungen sind wahrscheinlich übermäßig ausführlich.Interessen: Plötzlich gibt es neue Aktivitäten und Hobbys, die ohne den Partner durchgeführt wird.Persönliche Gewohnheiten: Das eigene Aussehen wird zur Hauptbeschäftigung, plötzliche Veränderungen der Frisur oder des Kleidungsstils, Diäten, neue erotische Unterwäsche.Kinder: unausgeglichenes und inkonsequentes Verhalten den Kindern gegenüber, manchmal ärgerlich und ungeduldig, dann wieder übermäßig aufmerksam, aber keine Wahrnehmung des Alltags der Kinder.Partnerschaftliches Miteinander: Nicht vorhersehbares Verhalten, manchmal abweisend und kritisch, das nächste Mal übermäßig anhänglich. Erweckt möglicherweise den Eindruck, dass er oder sie lieber alleine wäre und weder reden noch berührt werden möchte.Sex und Zuneigung: Möglicherweise erhöhtes sexuelles Interesse oder leidenschaftlicherer Sex, neue Techniken werden ausprobiert oder angesprochen, ebenfalls möglich ist die Vermeidung von sexuellem KontaktSozialleben: Es wird vermieden, Partner oder Partnerin zu geselligen Veranstaltungen mit Arbeitskollegen oder Nachbarn mitzunehmen. Andererseits kann es auch sein, dass der Partner besonders viel mit einem in Gesellschaft unternehmen will, um Zeit zu zweit zu vermeiden.

Frauen betrügen ihre Partner, weil sie in ihren Beziehungen nicht glücklich sind (32,6 Prozent), sie darin zu wenig Aufmerksamkeit erfahren (21,5 Prozent) oder weil die Gefühle für ihren Partner nachlassen (21,5 Prozent). Allgemein hat Untreue zugenommen, vor allem bei Frauen in ihren Dreißigern, wie eine schriftliche Online-Befragung der Partnervermittlungsagentur Elitepartner aus dem Jahr 2020 ergeben hat.

Wo beginnt fremdgehen?

Während für die einen das Fremdgehen bereits im Kopf beginnt, gelten für andere Küssen, heimliche Treffen und Chats oder sogar ausschließlich der Geschlechtsakt als wirkliches Fremdgehen. Um zu beantworten, wie viele Menschen fremdgehen, müsste man also zunächst einheitlich definieren, was das überhaupt bedeutet. Interessant ist, dass sich der Elitepartner-Befragung zufolge die Einstellung beziehungsweise die Toleranz gegenüber Untreue mit der Beziehungsdauer zu ändern scheint. Während acht von zehn Paaren, die noch ganz frisch zusammen sind, das Verhalten des anderen wesentlich kritischer betrachten und Küssen bereits als Untreue empfinden, zeigen sich Langzeitpaare in dieser Hinsicht großzügiger. 

Warum Menschen fremdgehen

Als typische Gründe für das Fremdgehen werden meist fehlende Zuwendung, der Reiz des Neuen oder nicht befriedigte sexuelle Bedürfnisse genannt. Viele Affären dienen laut Perel dazu, einen Mangel zu kompensieren und eine Lücke zu füllen. Aber Untreue komme auch dann vor, wenn es keine ernsthaften Beziehungsprobleme gebe. Häufig diene der verbotene Sex dazu, andere Seiten von sich auszuleben und aus seinem normalen Leben auszubrechen, um sich durch die Grenzüberschreitung wieder lebendiger zu fühlen.

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Warum Betrug so schmerzt

Wer herausfindet, dass er betrogen wird, fühlt sich vernichtet. „Wenn man eine Beziehung auslöschen will, ihr das Herz herausreißen und sie bis ins Mark zerstören möchte, ist Untreue das Mittel der Wahl. Sie bedeutet Verrat auf so vielen Ebenen: Täuschung, Verlassen, Zurückweisung, Demütigung – all die Dinge, vor denen uns die Liebe eigentlich schützen soll“, erklärt Perel den Grund dafür. Man sollte sich ihrer Meinung nach daher genau überlegen, was und wie viel man verrät. „Für manche ist die Antwort ganz einfach: Geheimhaltung ist Lügen, Lügen ist falsch. Der einzig akzeptable Umgang damit: Geständnis, vollkommende Transparenz, Reue, Strafe. Doch Ehrlichkeit muss sorgfältig abgewogen werden. Gibt es zu viel davon? Kann es auch mal besser sein, eine Affäre nicht ans Licht kommen zu lassen? Wie viel wollen wir wissen?“

Mehr zum Thema Untreue

Esther Perel: Was Liebe aushält. Untreue überdenken. Ein Buch für alle, die jemals geliebt haben, Harper Collins, 384 Seiten, 15 Euro

Shirley P. Glass: Die Psychologie der Untreue, Klett-Cotta Verlag, 448 Seiten, 25 Euro

Kirsty Gunn: Untreuen, Verlag Freies Geistesleben, 216 Seiten, 22 EuroDie Kurzgeschichten in diesem Buch handeln von Frauen, die plötzlich und erwartet aus ihrem gewohnten Leben ausbrechen. Sie alle wirken eigentlich gar nicht unzufrieden, bis zu dem Moment, wo sie jemandem begegnen, jemanden neu betrachten oder sich an etwas erinnern. Manche kehren in ihr gewohntes Leben zurück, für andere gibt es keine Wiederkehr.

Der Schock der Entdeckung löse unsere Urinstinkte aus: Kampf, Flucht oder Erstarren. „So schwer das in diesen Zeiten auch ist, in vielen Fällen rate ich Paaren dazu, die Gefühle, die die Affäre betreffen, von den Entscheidungen, die ihre Beziehung betreffen, zu trennen. Zu oft geschieht es sonst, dass impulsive Reaktionen Jahre positiven Ehekapitals von einem Augenblick auf den anderen vernichten“, so Perel weiter.

Wie geht es dann weiter?

Nach Meinung von Psychologin und Familientherapeutin Shirley Glass sollte nach der Offenlegung auf jeden Fall ein klarer Schlussstrich gezogen werden: „Die Affäre muss beendet werden und jegliche vertrauliche Interaktion mit dem Liebhaber oder der Liebhaberin muss aufhören“, schreibt sie. Wenn Paare versuchen wollten, ihre Beziehung wieder herzustellen, müssten sie zusammenarbeiten. Dafür dürften die Wunden nicht noch vertieft werden. „Wenn Sie einander wenigstens so freundlich behandeln, wie Sie einen Fremden behandeln würden, stellen Sie dadurch sicher, dass Sie anständig miteinander umgehen“, schreibt Glass. Ist die akute Krise überstanden, ist es wichtig, zu verstehen, warum es soweit gekommen ist. Dieser Schritt ist essentiell für Paare – egal ob sie nach dem Seitensprung zusammenbleiben oder sich trennen.