StudieIn diesem Land verbringen Väter mehr Zeit mit ihren Kindern als Mütter
Köln – Sich um die Kinder kümmern? Das wollen immer mehr Eltern gemeinsam machen, viele am liebsten gleichberechtigt. Besonders Väter wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kids. Und viele Mütter wollen gerne mehr arbeiten. Die deutsche Realität sieht leider anders aus. Vor allem die Väter arbeiten Vollzeit. Die meisten Mütter sind, wenn überhaupt, in Teilzeit beschäftigt und leisten zwei Drittel der Betreuungsarbeit. Und die Väter? Sie verbringen laut Studie des Statistischen Bundesamts nur halb so viel Zeit mit ihren Kindern wie die Mütter.
Finnische Väter haben mehr Raum für die Familie
Ganz anders in Finnland. Eine aktuelle Studie der OECD hat ermittelt, dass finnische Väter sogar mehr Zeit mit ihren Kindern im Schulalter verbringen als die Mütter. Ganze acht Minuten am Tag mehr. Und auch sonst ist Finnland bekannt für seine fortschrittliche Familienpolitik und eine eher gleichberechtigte Familienrealität. Der Global Gender Pay Report 2016 wählte das Land zum zweitgleichberechtigsten der Welt. Und The Economist hat Finnland zum drittbesten Land für arbeitende Mütter gekürt. Viele finnische Mamas sind voll berufstätig.
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Kind hat Recht auf Zeit mit beiden Elternteilen
Doch was macht Finnland anders, warum gelingt dort die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter besser? „Es geht hier nicht nur um Geschlechtergleichheit, sondern noch mehr um die Rechte von Kindern“, sagt die finnische Ministerin für Familie und Soziales Annika Saarikko der Zeitung The Guardian. „Entscheidend ist nicht das Recht des Vaters oder der Mutter – sondern das Recht des Kindes, Zeit mit beiden Elternteilen zu verbringen.“
Bezahlter Vaterschaftsurlaub für finnische Väter
Um dieses Credo umzusetzen, verfolgt Finnland bestimmte familienpolitische Maßnahmen. Finnische Väter haben zum Beispiel Anspruch auf voll bezahlten Vaterschaftsurlaub. Insgesamt sind das bis zum zweiten Geburtstag des Kindes 54 Tage – 18 Arbeitstage davon können gleichzeitig mit der Mutter genommen werden. Es ist also bewusst so gedacht, dass Väter sich auch alleine um ihr Kind kümmern. Im Anschluss an den Mutter- und Vaterschaftsurlaub können die Eltern weitere 158 Tage Elternzeit unter einander aufteilen.
In Deutschland gibt es keinen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub. Allerdings kann sich auch der Vater ab dem ersten Lebenstag des Kindes Elternzeit nehmen – Mutter und Vater zusammen können bis zu 14 Monate aufteilen. In der Realität allerdings nehmen überhaupt nur 34,2 Prozent der deutschen Väter Elternzeit, davon durchschnittlich nur eine Dauer von 3,1 Monaten.
Auch finnische Papas müssen motiviert werden
Zum Vergleich: In Finnland nehmen etwa 80 Prozent der Väter wenigstens einen Teil des Vaterschaftsurlaubs. Aber auch hier könnten es noch mehr sein. Die finnische Regierung sieht noch Motivationsbedarf und hat kürzlich eine „Papas vor!“-Kampagne gestartet. Mit bunten Plakaten, auf dem ein Mann in Arbeitskleidung einen Kinderwagen schiebt, sollen vor allem Väter in typischen Männerberufen dazu animiert werden, Auszeiten für die Familie zu nehmen.
Kitas für alle, familienfreundliche Arbeitszeiten
Auch wenn die Kinder größer sind, gibt es in Finnland flexible Arbeitszeit-Modelle. Bis das Kind drei Jahre alt ist, können Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren, ohne das Risiko einzugehen, ihren Job zu verlieren. Das staatliche Kita-System ist breitflächig ausgebaut, hat einen sehr guten Ruf und wird häufig genutzt. Die Betreuungskosten sind vergleichsweise niedrig. Auf diesem erfolgreichen Frühbetreuungssystem bauen auch die finnischen Schulen auf, die seit Jahren im internationalen Pisa-Vergleich ganz vorne sind.
Und auch die Arbeitszeiten vieler finnischer Unternehmen sind familienfreundlicher als in anderen Ländern. Wenn die Kinder in der Schule sind, gibt es die Möglichkeit, die Arbeitszeiten an die Schul-Abholzeiten anzupassen. Dass Papas ihre Kinder nachmittags zu deren Hobbys begleiten, ist ein verbreitetes Bild, erzählt ein finnischer Vater dem Guardian. Väter spielten in Finnland einfach eine große Rolle im Leben der Kinder.
Aktive Väter noch nicht weit verbreitet
Dass ein präsenter Vater im Leben der Kinder wichtig ist, das ist auch in Deutschland längst angekommen. Wenn es aber darum geht, real mehr Zeit für Väter zu schaffen, besteht noch Verbesserungsnot. Gründe dafür gibt es viele. Die starren Präsenz-Arbeitszeiten vieler Unternehmen lassen es meist nicht zu, dass Väter tagsüber am Leben ihrer Kinder teilnehmen. Und auch die Väter selbst entscheiden sich selten dafür, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Nicht nur weil sie oft mehr verdienen als ihre Frauen und so immer noch die Rolle des Haupternährers erfüllen, sondern auch weil das weder in den Firmen salonfähig, noch ganz in der Gesellschaft akzeptiert ist. Da kann sich Deutschland von Finnland und den anderen nordischen Ländern auf jeden Fall noch etwas abschauen.