LungenfacharztWas Asthmatiker und Allergiker zu Covid-19 und Impfung wissen sollten
Köln – Tränende Augen, juckende Nase, kratzender Hals: Vor allem zu Beginn der Corona-Pandemie waren viele Menschen mit Heuschnupfen verunsichert, ob nur ihre alljährliche Allergie für die Symptome verantwortlich ist oder doch das Coronavirus dahinter steckt – schließlich überschneiden sich manche Symptome. Asthmatiker galten gar als Risikopatienten. Mit Beginn der Impfungen und nach Berichten über allergische Schocks nach deren Verabreichung sind Allergiker erneut verunsichert: 59 Prozent fühlen sich nach einer Umfrage der Deutschen Haut- und Allergiehilfe in Bezug auf die Impfung schlecht informiert. Wir erklären, was die Medizin mittlerweile über das Coronavirus und die Gefährdung von Allergikern und Asthmatikern weiß, haben einen Lungenfacharzt gefragt, was er in Hinblick auf die Impfung rät und mit einer Asthmatikerin und einer Allergikerin über ihre Erfahrungen gesprochen.
Die Sozialpädagogin Susanne Kaiser hat Asthma bronchiale seit sie denken kann. Zu Beginn der Corona-Krise hatte die Marburgerin große Angst, sogar Panik, dass eine Infektion mit dem Coronavirus für sie besonders gefährlich wäre. Bei jedem Husten, den sie durch das Asthma regelmäßig hat, befürchtete sie eine Covid-19-Infektion.
Mittlerweile denkt die 48-Jährige bei typischen Asthma-Symptomen nicht direkt an Sars-CoV-2: „Eine Schniefnase oder Husten beängstigt mich nicht mehr, ich achte aber verstärkt auf typische Corona-Symptome wie der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns.“ Eine Restsorge sich mit dem Virus zu infizieren bleibe.
Die Verunsicherung bei Patientinnen und Patienten mit Asthma oder Allergien habe abgenommen, berichtet Professor Wolfram Windisch, Lungenfacharzt, Allergologe und Intensivmediziner. Und tatsächlich kann der Chefarzt für Pneumologie an den Kölner Kliniken auch beruhigen: Allergien und Asthma bronchiale sind keine Risikofaktoren für schwere Covid-19-Verläufe. „Bei Asthma sollten immer so viele Medikamente genommen werden, dass das Asthma stabil ist, allerdings nicht darüber hinaus. So ist man am besten vor Covid-19 gewappnet.“
Kein höheres Risiko für Covid-19-Infektion durch Pollen
Eine kürzlich veröffentliche Studie der Technischen Universität München kam zu dem Ergebnis, dass ein starker Pollenflug zu mehr Infektionen mit dem Coronavirus führe. Und das gelte für Allergiker und Nicht-Allergiker. Es wird vermutet, dass die Pollen die antivirale Immunantwort in der Nasenschleimhaut lähmen. Das Forscherteam sammelte von Januar bis April 2020 Daten von 130 Pollen-Stationen in 31 Ländern. Die Studie wird allerdings kritisiert.
Die Deutsche Stiftung Polleninformationsdienst schreibt in einer Stellungnahme: „Allergiker und Nicht-Allergiker sollten keine Sorgen oder gar Ängste entwickeln, durch den Kontakt mit Pollen in der Außenluft bevorzugt eine Infektion mit Coronaviren zu erleiden.“
Der Lungenfacharzt Wolfram Windisch erklärt: „Das Problem bei solchen epidemiologischen Studien ist, dass sie keine exakten Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erklären können.“ Auch die tränenden Augen oder die laufende Nase bei Pollenallergikern sei kein zusätzliches Risiko. „Natürlich sollten Allergiker es möglichst vermeiden, sich die Augen zu reiben und die Hände desinfizieren.“ Doch jeder Mensch fasse sich unbewusst unzählige Male am Tag ins Gesicht, daher gelte dies für alle Menschen.
Symptome von Covid-19 und Heuschnupfen ähnlich
Für die 32-Jährige Dilek Utku aus Hamm ist es ganz normal, dass im Frühjahr die Nase juckt oder läuft. Beginnen die Pollen zu fliegen, macht sich ihr Heuschnupfen bemerkbar. So auch in diesem Jahr: „Montags hatte ich Heuschnupfen-Symptome – meine Nase juckte und war verstopft. Ich habe mir keine weiteren Gedanken gemacht, schließlich ist das für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Doch mittwochs konnte ich plötzlich nicht mehr riechen und war mir nicht mehr sicher, ob es mein Heuschnupfen ist oder ich mich mit Covid-19 angesteckt habe.“
Ein Test beim Hausarzt bringt Klarheit: Es ist eine Sars-CoV-2-Infektion und nicht die Allergie. „Glücklicherweise hatte ich bis auf den Geruchsverlust keine Symptome“, berichtet die Studentin.
Die Symptome einer Pollenallergie und Covid-19 können ähnlich sein oder auch überlappen, sagt Windisch. „Hohes Fieber oder der Geruchs- und Geschmacksverlust sind relativ Corona-spezifisch, aber Husten oder ein allgemeines Krankheitsgefühl können sowohl durch Heuschnupfen als auch durch das Coronavirus ausgelöst werden, insbesondere wenn die Covid-19-Infektion eher mild verläuft.“ Im Zweifelsfall sei es deshalb sinnvoll, sich auf das Coronavirus testen zu lassen, um eine Infektion ausschließen zu können. Das heiße aber nicht, dass bei jedem Heuschnupfen- oder Asthma-Symptom sofort an Covid-19 gedacht werden müsse, erklärt Windisch.
Angst vor der Impfung
Meldungen über allergische Schocks nach Impfungen gegen das Coronavirus haben viele Allergikerinnen und Allergiker verunsichert. Dilek Utku erzählt: „Ich muss sagen, dass mich die unzähligen Informationen und die verschiedenen Wirkarten der Impfstoffe verunsichern. Man weiß nicht so recht, welcher Impfstoff am besten ist.“ Für Dilek Utku fühlt es sich so an als seien wir alle „Versuchskaninchen“. Sie hat sich aber dafür entschieden, dass sie sich impfen lassen will. „Wenn jetzt jeder diese Impfung ablehnt, schaffen wir es nie, diese Krankheit aus der Welt zu schaffen.“
Die Ängste, dass Allergiker die Impfung grundsätzlich schlechter vertragen, seien unbegründet, sagt Wolfram Windisch. „Vorsicht ist nur bei Menschen geboten, die zu früheren Zeiten nachweislich auf Inhaltsstoffe in den Impfstoffen allergisch reagiert haben.“ Patientinnen und Patienten, die schon mal allergisch auf Träger- und Inhaltsstoffe von Impfungen reagiert haben, sollten daher nicht ungeprüft geimpft werden. Es müsse untersucht werden, ob sie einen bestimmten Impfstoff vertragen würden. Denn in den zugelassenen Impfstoffen in der EU werden unterschiedliche Inhaltsstoffe verwendet. Das betreffe aber keine Allergiker, die gegen Pollen oder Hausstaub allergisch sind. Der Experte erklärt: Eine Impfung müsse ohnehin immer ärztlich begleitet werden – das gilt für ein Impfzentrum ebenso wie für den ambulant ärztlichen Bereich – das Personal dort ist auch auf Notfälle vorbereitet und kann entsprechend auf Notfallsituationen reagieren.
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Aussetzen von Astrazeneca: Warten auf die zweite Spritze
Susanne Kaiser hatte es für sich erst ausgeschlossen, dass sie sich im ersten Durchgang impfen lässt, als sie die Meldungen über allergische Schocks nach Impfungen mit dem Mittel von Astrazeneca gelesen hatte. „Schließlich kann man nicht auswählen, welcher Impfstoff verimpft wird. Dieser Skandal hat mich extrem verunsichert, weil ich Asthmatikerin und Allergikerin bin“, sagt Susanne Kaiser. Die langwierige Covid-19-Infektion ihrer Cousine lässt sie umdenken. „Jemanden in der unmittelbaren Familie zu haben und zu wissen, wie schlecht es ihr mit Sars-CoV-2 ging, hat bei mir noch mal die Vorsicht verstärkt und den Wunsch, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen.“
Als sie erfuhr, dass Lungenkranke in Gruppe 2 sind und sie sich bald impfen lassen könnte, registriere sie sich. Die Zusage für einen Termin mit dem Impfstoff von Astrazeneca kam nach ein paar Tagen. Dass sie ausgerechnet mit diesem Mittel geimpft werden sollte, machte ihr Angst. „Der Arzt im Impfzentrum hat sich für mich Zeit genommen, mich informiert und darüber aufgeklärt, warum es zu den allergischen Schocks kam.“ Die Aufklärung des Arztes und die medizinische Betreuung überzeugten Susanne Kaiser. Sie ließ sich mit dem Mittel von Astrazeneca impfen. „Nun habe ich die Befürchtung, dass der Impfstoff von Astrazeneca gar nicht mehr verimpft wird und ich meinen zweiten Termin im Mai nicht wahrnehmen kann.“ Susanne Kaiser hofft darauf, dass sie nicht mit einem anderen Impfstoff noch zwei Mal geimpft werden muss. Und sie bald durch eine zweite Impfung komplett geschützt ist.