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Studie macht HoffnungAsthmasprays könnten zum wichtigsten Corona-Medikament werden

Lesezeit 6 Minuten
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In einer Studie verhinderte das Asthmasprays Budesonid 90 Prozent der schweren Verläufe. 

Köln – Es gibt sie noch, die guten Nachrichten in der Pandemie. Wissenschaftler in Großbritannien haben im Rahmen einer Studie untersucht, ob Asthmasprays mit dem Wirkstoff Budesonid bei der Behandlung von Corona-Patienten mit milden Symptomen helfen können. Das Ergebnis haben die Forscher nun im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht: Rund 90 Prozent der schweren Verläufe konnten verhindert werden. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnet das Asthmaspray als einen „Game Changer“ in der Pandemiebekämpfung, der leitende Kölner Impfarzt Jürgen Zastrow reagiert eher skeptisch. Wir haben mit beiden gesprochen.

Angeregt wurde die Studie durch eine überraschende Entdeckung. Eigentlich war die Sorge, sich mit Corona anzustecken, bei Asthmatikern und Menschen mit Lungenerkrankungen besonders groß: Covid-19 galt schnell als aggressive Krankheit, die vor allem die Lunge angreift. Doch Daten aus China, den USA und Italien zeigten recht früh, dass die beiden Gruppen auffällig wenig Probleme mit einer Corona-Infektion hatten.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Oxford-Universität in England fanden eine mögliche Erklärung für das Phänomen. Viele Asthmatiker atmen durch ihre Inhalatoren regelmäßig Kortison ein. Die Hypothese der Studie: Das Spray könnte vor einem schweren Covid-Verlauf schützen. „Dies schien plausibel, weil beim Medikament Dexamethason ähnliche Effekte beobachtet wurden“, sagt Lauterbach. Das Medikament Dexamethason kommt bereits seit vielen Monaten bei der Behandlung von Covid-Patienten zum Einsatz.

Asthmasprays verhindern wohl 90 Prozent der schweren Verläufe

Die Forscherinnen und Forscher starteten im vergangenen Jahr eine Studie: Ihre 146 Probanden hatten sich alle mit Corona infiziert und zeigten seit circa drei Tagen leichte Symptome. 73 Testpersonen bekamen einen Budesonid-Inhalator, den sie täglich nutzen sollten – einmal morgens, einmal abends, je zweimal. Die andere Hälfte nutzte kein Asthmaspray, sondern bekam die standardmäßige Behandlung.

Finanziert wurde die Studie vom US-amerikanischen Gesundheitsministerium und dem Pharmakonzern Astrazeneca, der neben einem eigenen Corona-Impfstoff auch die verwendeten Budesonid-Inhalatoren herstellt. Den Forscherinnen und Forschern zufolge habe das Pharmaunternehmen die Ergebnisse der Studie und ihre Publikation nicht beeinflusst.

Zwischen den beiden Testgruppen fielen beträchtliche Unterschiede auf: Von den Probanden, die den Inhalator nutzten, musste nur eine Person ins Krankenhaus – bei der Vergleichsgruppe waren es zehn. Somit verhinderten Asthmasprays in der Studie rund 90 Prozent der schweren Verläufe.

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Teilnehmende, die zweimal täglich zum Inhalator griffen, fühlten sich auch deutlich schneller wieder gesund: Zwei Wochen nach den ersten Symptomen hatten nur noch sieben Probanden der Kortison-Gruppe Beschwerden, in der Vergleichsgruppe waren es 21. Nur halb so viele Infizierte mit Asthmaspray litten an Fieber. Die Inhalatoren verhinderten vermutlich nicht nur schwere Verläufe, sie milderten auch weitere Symptome ab.

Wenige Nebenwirkungen nach Covid-Infektion

Das Medikament hat mehrere Vorteile. Zum einen sind Kortisonsprays günstig, in Massen verfügbar und unkompliziert zu lagern. „Die Herstellung des Inhalationspulvers ist einfach“, bestätigt Lauterbach: „Ich denke nicht, dass es hier zu Kapazitätsproblemen kommen würde.“ Doch „an diesem Punkt der Diskussion sind wir ohnehin noch nicht“, so der Politiker. Bislang kommt das Mittel bei Covid-Erkrankungen nur vereinzelt zum Einsatz.

Zum anderen treten bei dem Mittel kaum Nebenwirkungen auf. Wer das Spray einnimmt, sollte sich anschließend lediglich den Mund auswaschen, damit sich keine Pilzinfektionen im Rachen ausbreiten können. Auch in ärmeren Ländern, schreiben die Verantwortlichen, könne man Corona-Infektionen mit dem Mittel leicht behandeln.

Budesonid wirkt als sogenanntes „Glukokortikoid“. Sprays aus dieser Gruppe lindern Entzündungen in den Atemwegen und bekämpfen allergische Reaktionen. Leidet eine Person zum Beispiel an allergischem Asthma, sorgen Glukokortikoide dafür, dass die Schleimhäute abschwellen und befreien so die Atemwege. Das Immunsystem wird bei Budesonid gezielt und nur lokal unterdrückt: Es wirkt also in der Lunge, inaktiviert sich jedoch, sobald es in die Blutbahn gelangt. Dadurch sind die Nebenwirkungen des Sprays besonders niedrig. In früheren Laborforschungen konnte Budesonid bereits die Vermehrung von Rhinoviren hemmen. Nun könnte es auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie helfen.

Kortison als Schutz vor Überreaktion

Glukokortikoide werden schon seit der ersten Welle im vergangenen Frühjahr in Krankenhäusern genutzt, um Covid-Verläufe zu lindern. Am bekanntesten ist das Kortison-Medikament Dexamethason: Als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Medikament im Juni 2020 empfahl, sprach sie von einem „lebensrettenden Durchbruch“ bei der Pandemie-Bekämpfung. Dabei wirkt Kortison nicht gegen das Virus an sich, sondern es schützt Patienten vor ihrem eigenen Immunsystem: Bei einer schweren Corona-Infektion reagiert das Immunsystem oft über und greift dabei den eigenen Körper an. Dexamethason lindert diese überschießende Immunreaktion. Bisher wurde Kortison jedoch nur bei schweren Verläufen eingesetzt – die britischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler prüften das Kortisonspray in ihrer Studie für den Einsatz bei leichten Verläufen.

Dem SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach zufolge sind die Ergebnisse der britischen Studie vielversprechend. „Die Studie hat ergeben, was man sich erhofft hat“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber. Lauterbach habe die Untersuchung schon länger verfolgt; die Vermutung, dass Asthmasprays bei Corona-Infektionen hilfreich sind, sei plausibel.„Weitere Studien sind definitiv sinnvoll, aber schon jetzt können wir festhalten: Das Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen vieler Ärzte,“ so der Politiker. „Wenn sich die Ergebnisse in der Praxis bestätigen, ist das Budesonid-Spray für die Bekämpfung von Covid-19 möglicherweise noch bedeutsamer als die Medikamente Remdesivir und Dexamethason.“ Die Studienergebnisse gelten jedoch nur für Inhalatoren mit dem Wirkstoff Budesonid – auf andere Asthmasprays, so Lauterbach, würde er das Ergebnis nicht übertragen. „Die Idee war von Anfang an, das Medikament bei milden Symptomen einzusetzen, um schwere Verläufe zu vermeiden. Das bietet sich an. Ob ein Einsatz nach Beginn schwerer Symptome sinnvoll ist, ist fragwürdig.“

Sind Asthmasprays mit dem Wirkstoff Budesonid also ein Heilmittel der Pandemie? Jürgen Zastrow, leitender Impfarzt in Köln, sieht das skeptisch. Budesonid sei „ein weiteres Bausteinchen in der Behandlung“, sagt Zastrow. Im Gegensatz zu Lauterbach empfiehlt er das Asthmaspray jedoch nur für Patienten mit schweren bis mittelschweren Lungensymptomen.

Eingeschränkte Aussagekraft?

Die großangelegte „Recovery-Studie“, die seit mehr als einem Jahr Covid-Therapien untersucht, rate erst bei beatmeten Patienten zu Kortison. Grundsätzlich gelte: „Wenn man zu früh mit Kortison behandelt, erhöht sich die Sterblichkeitsrate sogar“, sagt der Arzt. Dass dies jedoch speziell für das untersuchte Asthmaspray gilt, ist unwahrscheinlich. Das Mittel wird im Unterschied zu anderen Medikamenten nur lokal angewandt, es wirkt im Normalfall nur in der Lunge. Nachdem die Wirkung einsetzt, baut es der Körper rasch ab. Zastrow ist dennoch zurückhaltend. Die meisten Covid-Erkrankungen verlaufen harmlos, so der Impfarzt, aus dessen Sicht das Medikament keinen Durchbruch darstellt. Nur, wenn ein Patient tatsächlich Lungensymptome bei Corona hat, würde er Budesonid nach ärztlicher Beratung empfehlen.

Ganz ohne ein „aber“ bleibt auch die Publikation aus Oxford nicht: In der Studie habe man auf eine Placebo-Gruppe verzichtet. Dadurch gelten die Ergebnisse nur eingeschränkt. Zudem war die Gruppe der Probanden, die Budesonid bekommen haben, mit 73 Testpersonen recht klein. Wenn nur eine Person mehr aus dieser Gruppe ins Krankenhaus gekommen wäre, dann würde die Wirksamkeit zehn Prozent niedriger liegen. Auch deswegen wollen Mediziner weitere Untersuchungen abwarten. Trotz der Unwägbarkeiten hält Lauterbach die Studie insgesamt für „methodisch gut gemacht und daher aussagekräftig. Die Ergebnisse sind vielversprechend.“